Das Fintech-Start-up Tomorrow landet mit Tomorrow Zero seinen nächsten Coup: Ein Girokonto, mit dem jeder von jetzt auf gleich CO2-neutral leben kann. Kann es wirklich so einfach sein?
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Tomorrow macht etablierten Ökobanken zu schaffen, zu clever sind die Marketingstrategien des Herausforderers. Neuester Streich: Nach einem kostenlosen Girokonto führt das Fintech-Unternehmen jetzt ein kostenpflichtiges Premium-Konto ein, mit dem NutzerInnen ganz nebenbei ihren CO2-Fußabdruck kompensieren können.
Wie das gehen soll? Rein rechnerisch so:
- Tomorrow Zero geht davon aus, dass Menschen, die in Deutschland leben, im Durchschnitt 11,3 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr verursachen.
- Eben diese Summe gleicht Tomorrow über die Kontoführungsgebühr für das Premium-Konto aus, die es in ausgewählte Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern investiert.
- KundInnen kostet das Premium-Konto Tomorrow Zero 15 Euro im Monat.
- Es beinhaltet aber nicht nur die Klimaneutralisierung, sondern auch typische Girokonto-Funktionen sowie unbegrenzt kostenlose Bargeld-Abhebungen (beim kostenlosen Tomorrow-Girokonto gibt es nur drei) und eine neue Funktion namens „Pockets“, über die man auf einfache Weise zielgerichtet Geld sparen kann.
Die Sache hat natürlich (mehr als nur) einen Haken – und der liegt letztlich vor allem beim Verhalten der KonsumentInnen.
Tomorrow Zero: Girokonto mit Klima-Kompensation
So ist CO2-Offsetting zwar ein Weg, mit der jeder von uns seinen CO2-Fußabdruck rein rechnerisch reduzieren kann, aber unumstritten ist er nicht. Zum Beispiel, weil die Klimaschutzprojekte in der Regel nicht in den CO2-emittierenden Industrienationen selbst (wie Deutschland) durchgeführt werden, sondern in „Entwicklungsländern“.
Böse formuliert: Wir helfen dem globalen Süden, mal schön brav CO2-sparsamer zu werden – damit wir im globalen Norden weiterhin unseren klimaschädlichen Lebensstil beibehalten können.
Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Denn bei der Auswahl der Klimaschutzprojekte für das Zero-Konto arbeitet Tomorrow mit der Organisation ClimatePartner zusammen, was konkret so aussieht: In Peru werden Kleinbauern unterstützt, um den Regenwald zu schützen. In Vietnam installiert man Biogasanlagen. Und in Uganda entstehen Bohrlöcher, die den Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglichen – und so das klimaschädliche Abkochen von Wasser über offenem Feuer überflüssig machen.
All dies würde nicht passieren, wenn es nicht diese Klimaschutzprojekte gäbe. Und dem Planeten ist es letztlich egal, wo wir unsere CO2-Emissionen reduzieren – Hauptsache, wir tun es. Dennoch gilt: „CO2-Offsetting ist natürlich nicht die Lösung aller Klimaprobleme“, wie auch Co-Founder Jakob Berndt von Tomorrow einräumt. „Aber es ist eben ein Teil des Puzzles.“
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Ohne Vermeiden geht es nicht
Bei der CO2-Kompensation fürs Fliegen wird besonders deutlich, wo das eigentliche Problem liegt: Erheblich schlauer wäre es nämlich, die CO2-Emissionen direkt zu vermeiden (also weniger fliegen, weniger Fleisch und Milch …) statt diese erst im Nachhinein zu kompensieren. Genau das macht den Unterschied aus zwischen „klimaneutral“ und „co2-frei“.
„Auch bei uns im Team wurde das kontrovers diskutiert“, so Inas Nureldin, Co-Gründer von Tomorrow. „Natürlich müssen wir alle unseren eigenen CO2-Fußabdruck vermindern, etwa indem wir auf Flug- und Autoreisen verzichten. Auf null werden wir unsere Emissionen aber so schnell nicht kriegen. Wir brauchen also beides: reduzieren und kompensieren. Beides zusammen ist aus unserer Sicht der beste Klimaschutz.“
Allen, die das Angebot von Tomorrow Zero annehmen, muss klar sein, dass es kein Ersatz für ein nachhaltigeres Leben ist. Aber gewiss eine sinnvolle Ergänzung.
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Sind 15 Euro genug?
Für 15 Euro verschmilzt Tomorrow Zero also Kontogebühren und jährliche Klimaneutralisationszahlung (genauer gesagt gehen nur 5 Euro allein an die Klimaneutralisierung). Haut das hin?
Ein Rechenbeispiel: Wer bei ClimaPartner selbst kompensieren will, für den werden 10,97 Tonnen CO2e pro Jahr zugrundegelegt. Die dafür angebotenen Kompensationsprojekte schlagen mit 150 bis 180 Euro zu Buche, also in etwa so viel wie die Kosten für das Zero-Konto. Wären also faktisch 10 Euro Kontogebühr. Geht in Ordnung.
Aber: Premium ist das nicht. Wer etwa über Atmosfair – ein von Stiftung Warentest als „sehr gut“ bewerteter Anbieter – jährlich 11,3 Tonnen Kilo CO2 neutralisiert, zahlt im Abo schon 260 Euro. Beim Anbieter Climate Fair, der auch sozio-ökologische Folgekosten einpreist, würde man wahrscheinlich sogar auf deutlich über 2.000 Euro kommen, um dieselben Emissionen zu neutralisieren.
Anders gesagt: ClimatePartner ist nicht unbedingt der teuerste Partner – doch ein Zero-Konto mit monatlich 200 Euro Grundgebühr hätte auf dem Markt vermutlich keine Chance mehr. Und zum Vergleich eine andere Hausnummer: Ab 2021 soll in der EU eine Tonne CO2 25 Euro „kosten“ – bei 11,3 Tonnen also rund 280 Euro. Ab dann ist das Tomorrow-Angebot nicht mehr so richtig reell.
So oder so zeigen die Rechenbeispiele auch hier: Tomorrow Zero kann kein vollständiger Ersatz für nachhaltigen Konsum sein – aber fraglos eine ziemlich sinnvolle Ergänzung. Und KritikerInnen seien daran erinnert: Andere Girokonten bieten derlei bislang noch gar nicht!
Alle über einen Klimakamm geschert?
Allerdings neutralisiert auch ein Girokonto bei Tomorrow Zero nicht deinen tatsächlichen persönlichen CO2-Ausstoß – denn dafür müssten ja erst mal alle deine individuellen Daten erfasst werden. Stattdessen geht man von einem Durchschnittswert aus.
Dabei erscheint uns der Wert von 11,3 Tonnen CO2-Äquivalenten als fair. Das UBA ging für Deutschland 2017 von 11,1 Tonnen pro Kopf aus (übrigens die höchste Pro-Kopf-Menge unter EU-BürgerInnen), bei Wikipedia sind es 9,15 (für 2018), bei Eurostat (EEA) dieselben 11,3 Tonnen CO2-Äquivalente, die auch Tomorrow Zero einpreist.
Reicht uns das wirklich? Dem Start-up immerhin nicht. „Das Zero-Konto ist ein erster Schritt“, so Jakob Berndt. „Der nächste Schritt, vielleicht schon 2020, ist aktiv auf Transaktionen der Nutzer zu reagieren.“
Salopp gesagt: Wer einen Flug bucht und über sein Tomorrow-Zero-Girokonto zahlt, soll dann gleich von der App gefragt werden, um was für eine Art von Flug es sich handelt, und ob der Kunde nicht gleich mehr CO2 kompensieren will. „Das schärft auch das Bewusstsein für die eigenen CO2-Emissionen“, so Berndt.
Ebenfalls noch 2020 soll übrigens die Möglichkeit kommen, nachhaltig in ETF-artige Fonds zu investieren.
Fazit Tomorrow Zero
Wer ein Tomorrow-Zero-Girokonto eröffnet, tut was Gutes fürs Klima – aber ein Freibrief dafür, mit dem Flieger mal eben nach Buenos Aires zu jetten, um Steaks zu essen, ist das natürlich nicht. Doch das behauptet das Fintech-Start-up auch nicht – unsere eigene Verantwortung können wir eben nicht durch eine Grundgebühr ersetzen.
Anders herum betrachtet: Wenn es Tomorrow schaffen würde, lediglich seine derzeit rund 25.000 BestandskundInnen zu Zero-NutzerInnen zu konvertieren, dann hätten die Mobile-Banker die Einwohnerzahl einer mittleren Stadt klimaneutral gestellt – im Alleingang.
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