Glücklich grasende Kühe sieht man auf jeder zweiten Milchpackung, doch in der Wirklichkeit sind sie so nur selten anzutreffen. Halten Heumilch und Weidemilch, was sie versprechen – oder steckt hinter solchen Milch-Begriffen nur ein Marketingtrick, auf den man besser nicht hereinfallen sollte?
Zufriedene Kühe können sich frei auf der Weide bewegen, sie fressen grünes, saftiges Gras, Heu und Kräuter – dieses Bild vermitteln zumindest die meisten Milchprodukte. Denn die Konsumenten wollen es so: Laut einer Studie der Universität Göttingen achtet mehr als die Hälfte aller Verbraucher beim Milchkauf vor allem auf Weidehaltung und eine gentechnikfreie Fütterung der Kühe.
Kein Wunder also, dass Heumilch und Weidemilch immer populärer werden und gerne im Einkaufswagen landen. Doch was steckt eigentlich hinter den Begriffen?
Heumilch versus Weidemilch
Beide Begriffe verfolgen das grundsätzliche Ziel, den Milchkühen ein artgerechteres Leben zu ermöglichen.
- Der Begriff Heumilch bezieht sich auf die Nahrung der Milchkühe – sie sollen möglichst viel Grünfutter bekommen und dürfen nicht mit Silage (Futter, das durch Gärung haltbar gemacht wird) gefüttert werden. Die Bezeichnung ist seit März 2018 EU-weit geschützt. Mit „Demeter HeuMilch Bauern“ existiert unabhängig auch ein erstes Label. Aktuell (01/2021) gibt es rund 200 zertifizierte Erzeugerbetriebe, die Heumilch produzieren.
- Der Begriff Weidemilch hingegen betrifft die Haltung. Die Kühe sollen möglichst viel Zeit auf der Weide verbringen. Der Begriff ist nicht gesetzlich geschützt, aber es gibt mit „Pro Weideland“ ein Label, hinter dem namhafte Verbände stehen und das die Weidehaltung stärken will. Hier stehen die Milchkühe mindestens an 120 Tagen für sechs Stunden auf der Weide.
Weidemilch und Heumilch: nur Marketing-Tricks?
Heumilch und Weidemilch sollen dabei nicht nur gut für das Wohl der Tiere sein, sondern auch für unsere Gesundheit.
Heumilch enthält eine deutlich höhere Menge an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren) als die Milch von Kühen, die konventionell – also mit Silage und Kraftfutter – ernährt wurden.
So weit, so gut. Ein aktueller Milch-Test von Öko-Test (02/2021) zeigte allerdings, dass es dann vor allem „Bio“ ist, was bei Heu- und Weidemilch für bessere Milchqualität sorgt.
Was bedeutet Heumilch eigentlich?
Lange war es so, dass nicht genau festgeschrieben war, was hinter dem Begriff Heumilch steht – zumindest in Deutschland. Inzwischen hat sich die Situation verbessert: Seit März 2016 steht „Heumilch g.t.S.„ für eine „garantiert traditionelle Spezialität“ gemäß der EU-Verordnung Nr. 1151/2012: Bei der Fütterung mit frischen Gräsern, Hülsenfrüchten, Kräutern (im Sommer) sowie Heu (im Winter) darf anderes Futter (Getreide, Mais …) nur in geringeren Anteilen beigemengt sein.
Verboten sind bei Heumilch das Verfüttern von:
- Silage und Feuchtheu
- Nebenprodukten aus Brauereien, Mostereien und Brennereien
- Futtermittel tierischen Ursprungs (Ausnahme: Milch und Molke für Jungvieh)
- als gentechnisch verändert gekennzeichnete Futtermittel
Doch „Bio“ ist das alles damit noch nicht. Und auch mit Tierwohl hat die Zertifizierung von Weidemilch nicht zwingend etwas zu tun. Was aber Fakt ist:
Heumilch ist besser fürs Klima
Laut dem Verbrauchermagazin Öko-Test ist Heumilch besser für das Klima. Das Kraftfutter, das Hochleistungskühe normalerweise fressen, besteht oft aus Sojaschrot. „Für Soja aus Übersee muss Regenwald weichen, außerdem belastet der Transport das Klima.“ Die Rechnung ist also ganz einfach: Kühe, die frisches Gras und Heu fressen, sorgen für eine bessere Klimabilanz ihrer Milch.
Dies bestätigt nun auch eine neue Studie des Zentrums für globalen Wandel und Nachhaltigkeit der Universität für Bodenkultur Wien, das die Heuwirtschaft auf die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen hin untersucht hat. Die zentralen Ergebnisse: Heuwirtschaft schützt das Klima, schont die Böden und fördert die Artenvielfalt.
Heuwirtschaft als nachhaltige Chance
„Der Erhalt der Grünlandflächen durch die Bewirtschaftung der Heumilchbäuerinnen und -bauern hat eine große klimapolitische Bedeutung, da diese Böden enorme Mengen Kohlenstoff speichern und wertvolle CO2-Senken darstellen“, betont Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Werner Zollitsch, Leiter des Zentrums für globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Universität für Bodenkultur Wien. Aufgrund des hohen Humusgehalts speichern Wiesen und Weiden in oberen Bodenschichten pro Hektar etwa ein Drittel mehr Kohlenstoff als Ackerböden. In tieferen Bodenschichten speichert das Grünland ähnlich viel Kohlenstoff, nämlich 196 t C/ha, wie der durchschnittliche Waldboden mit 191 t C/ha. Ackerflächen liegen bei 149 t C/ha.
Bio-Heumilch ist die beste Wahl
Wer Bio-Heumilch wählt, punktet doppelt: Heumilch an sich ist (zumindest ein bisschen) besser fürs Klima, Bio-Heumilch ist frei von Pestiziden.
Noch besser: Mit dem Zeichen „Demeter HeuMilch Bauern“ bietet die Erzeugergemeinschaft Demeter Milchbauern Süd seit Ende Januar 2018 eine Art Siegel für Bio-Heumilch. Sie verfüttert keinerlei Silage und erhielt als erste deutsche Organisation überhaupt ein Heumilchzertifikat. Das Logo „Demeter HeuMilch Bauern“ signalisiert Verbrauchern, dass sie Milch von engagierten, unabhängigen Bio-Landwirten kaufen, die ihre Tiere „wesensgemäß und nach den biodynamischen Richtlinien“ (von Demeter) halten und ausschließlich Heu und Gras verfüttern.
Weidemilch ist nicht gleich Weidemilch
Bei der Weidemilch gibt es nach wie vor keine EU-Regelung. Der Begriff ist lebensmittelrechtlich weder definiert noch geschützt.
Für Verbraucher:innen bedeutet das: Sie finden im Supermarkt Weidemilch, die nach ganz unterschiedlichen Kriterien produziert wurde. Hier hilft nur der kritische Blick auf die Packung:
So erkennen Sie echte Weidemilch
- Manche Hersteller geben auf der Verpackung an, an wie vielen Tagen und wie lange die Kühe tatsächlich auf der Weide stehen. Aber auch hier ist unklar, wie die Haltungsbedingungen der Kühe im Winter aussehen, erklärt die Verbraucherzentrale.
- Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat 2017 entschieden, dass die Bezeichnung „Weidemilch“ nicht als irreführend gilt, wenn die Kühe an mindestens 120 Tagen im Jahr für mindestens sechs Stunden auf der Weide stehen.
- Das Label Pro Weideland – Deutsche Weidecharta verspricht, dass die „120/6“-Regelung eingehalten wird. Dabei stehen den Kühen 2000 m² Dauergrünland pro Kuh zur Verfügung stehen, davon mindestens 1000 m² Weidefläche. Das Zeichen sichert auch ganzjährige Bewegungsfreiheit der Kühe zu und untersagt Gentechnik-Futter. Beteiligt sind unter anderem BUND und NABU. Die Verbraucherzentrale stuft die Kriterien des Labels als „transparent, verständlich und nachvollziehbar“ ein.
Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamts zeigt: Ökologisch produzierte Milch von Kühen, die auf der Weide stehen, ist umweltfreundlicher als Milch aus konventionellen Betrieben mit reiner Stallhaltung. Für nähere Details:
Utopia meint: Der Grundgedanke hinter Weidemilch und Heumilch ist nicht schlecht, auch wenn damit leider nicht automatisch höhere Tierwohl-Standards verbunden sind. Sowohl bei Heumilch als auch bei Weidemilch raten wir dazu, zusätzlich auf mindestens das EU-Bio-Siegel zu achten. Die Fütterung ist hier anders geregelt, weil die Bio-Tierhaltung eigenen Gesetzen unterliegt. Auch der Verzicht auf Gentechnik in den Futtermitteln ist bei Biomilch, anders als bei konventioneller, verpflichtend vorgeschrieben. Noch besser ist ein Siegel der Anbauverbände Bioland, Naturland oder Demeter.
Und die allerbeste Alternative, die für Tiere kein Leid bedeutet und zudem das Klima schützt, ist Pflanzenmilch:
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