Mikroplastik belastet nicht nur die Weltmeere – inzwischen sind die Mikropartikel auch in unserem Essen und unserem Wasser zu finden. Hier die außergewöhnlichsten Fakten rund um Mikroplastik.
Mikroplastik ist in aller Munde, und das darf man wörtlich nehmen: Allein mit Leitungswasser nehmen wir 5000 Partikel pro Jahr auf, schätzt das Verbrauchermagazin Öko-Test – im Flaschenwasser schwimmen sogar noch mehr Partikel.
1. Die größten Verursacher von Mikroplastik sind … Autos!
Damit wir unsere Umwelt vor Mikroplastik schützen können, müssen wir erst herausfinden, wo es herkommt. Das Fraunhofer-Institut für Umwelttechnik in Oberhausen lieferte eine überraschende Antwort: In Deutschland entstehen die Kunststoffpartikel vor allem durch den Abrieb von Autoreifen.
Autoreifen produzieren demnach etwa ein Drittel der gesamten Mikroplastik-Menge. Die drittgrößte Quelle ist Bitumen, ein Bestandteil von Asphalt, der ebenfalls großteils durch Autos abgerieben wird. Platz 9 belegen Fahrstreifen-Markierungen, die von Autoreifen nach und nach abgetragen werden.
Laut Umweltbundesamt gelangen durch Reifenabrieb pro Jahr 60.000 bis 111.000 Tonnen Mikroplastik in die Umwelt. Zum Vergleich: Synthetische Plastikfasern aus Textilien spielen mit 80 bis 400 Tonnen eine vergleichsweise geringe Rolle, ebenso Kosmetik mit 500 Tonnen Mikropartikel pro Jahr. „Bei einer Bevölkerung von 80 Millionen Menschen entspricht das einem Pro-Kopf-Wert von 0,75 bis 1,38 Kilogramm [Mikropartikel aus Kunststoff] pro Jahr“, rechet das UBA vor (PDF). In der Ostsee gehöre der Reifenabrieb zu den Hauptbefunden.
Mehr Informationen: Neue Studie: Das meiste Mikroplastik stammt nicht aus Kosmetik
2. Eine Kreditkarte pro Woche: Menschen essen Mikroplastik
Nicht nur Schalentiere, Fische und andere Meereslebewesen fressen Plastik – auch wir Menschen speisen regelmäßig Kunststoff: Einer WWF-Studie zufolge nehmen wir im Schnitt bis zu fünf Gramm Mikroplastik pro Woche zu uns. Das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte.
Mikroplastik gelangt nicht nur in bestimmten Gegenden in Lebensmittel, sondern weltweit. Das zeigt eine Studie des Umweltbundesamts Österreichs und der Medizinischen Universität Wien: 2018 hatten Forscher Stuhlproben von acht Teilnehmern aus verschiedenen Herkunftsländern auf Mikroplastik analysiert – alle positiv. Insgesamt fand man neun verschiedene Plastikarten. Mehr dazu: Erstmals Mikroplastik in menschlichen Stuhlproben.
„Wir können nicht verhindern, dass wir selbst Plastik aufnehmen“, erklärt die Leiterin der Abteilung Meeresschutz des WWF Deutschland. „Mikroplastik belastet die Luft, die wir atmen, unsere Nahrung und das Wasser, das wir trinken.“ Verschiedene Studien belegen ihre Aussage:
- Eine Studie von 2017 analysierte 159 Proben von Leitungswasser aus aller Welt – in 83 Prozent fanden die Forscher Plastik-Partikel. Auch viele Markenwasser sind laut einer weiteren Untersuchung betroffen.
- Forscher der Heriot-Watt University in Edinburgh haben herausgefunden, dass wir pro Mahlzeit mehr als 100 Plastik-Partikel zu uns nehmen. Der Großteil davon stammt nicht aus dem Meer – unsere Lebensmittel nehmen sie vor allem durch Plastikstaub aus der Luft auf.
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3. Mikroplastik kann Krebserkrankungen auslösen
Das Bundesinstitut für Risikobewertung veröffentlichte 2015 folgende Aussage: „Aufgrund des Fehlens belastbarer Daten ist eine gesundheitliche Risikobewertung für den Verzehr von mit Mikroplastikpartikeln verunreinigten Lebensmitteln derzeit nicht möglich.“ Das war laut Nachfrage von Öko-Test (Heft 11-2018) auch Ende 2018 noch der Stand. Neuere Stellungnahmen des BfR gibt es bis heute nicht.
Das Verbrauchermagazin startete eigene Nachforschungen und interviewte unter anderem Dr. Tamara Grummt vom Umweltbundesamt. Sie und ihr Team stellten eigene Forschungen darüber an, wie Zellen reagieren, wenn sie über einen längeren Zeitraum mit Mikroplastik in Kontakt kommen.
Laut Grummt lagert sich Mikroplastik zwischen den Körperzellen an und kann von dort aus Entzündungen auslösen, die zu chronischen Erkrankungen wie Krebs oder Leberzirrhose führen können. Das übrige Interview gibt zum Nachlesen:
Mikroplastik-Artikel aus Öko-Test (ePaper)
4. Mikroplastik kann über 100 Kilometer weit fliegen
Kleinste Kunststoffpartikel verteilen sich nicht nur über Flüsse und Seen. Französische Umweltforscher konnten feststellen, dass große Mikroplastik-Mengen auch über die Luft transportiert werden können.
Die Forscher fanden in Wasseranalysen einer entlegenen Bergregion in den Pyrenäen so große Mengen von Kunststoffpartikeln, wie sie in Großstädten wie Paris üblich sind. Täglich lagern sich in dem Gebirge 365 Plastikteilchen pro Quadratmeter ab.
Durch Computersimulationen konnten die Forscher nachvollziehen, dass das Mikroplastik beinahe 100 Kilometer zurückgelegt haben musste, um an diesen abgelegenen Ort zu gelangen. Erreichen die Partikel eine gewisse Höhe, können sie – ähnlich wie etwa Vulkanasche – große Distanzen zurücklegen.
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5. Aus Plastik entstehen Treibhausgase
Eine Studie der University von Hawaii zeigt, wie Plastik den Klimawandel auf bisher ungeahnte Weise vorantreibt: Wenn sich Kunststoffe unter UV-Strahlung zersetzen, bilden sie unter anderem Methan und Ethylen. Methan gilt als klimaschädlicher als Kohlenstoffdioxid (CO2).
Auch wenn der Anteil der von Plastik freigesetzten Klimagase derzeit als gering gilt, kann sich das in Zukunft ändern: Wenn Plastik zerfällt, besitzt es eine größere Oberfläche und setzt den Forschern zufolge womöglich mehr Treibhausgase frei. Je mehr Mikroplastik wir also produzieren, desto stärker beschleunigen wir den Klimawandel.
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6. Wir werfen eine Wagenladung Plastik pro Minute ins Meer
Dem WWF zufolge wandern pro Jahr etwa 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastik ins Meer, also eine Lastwagenladung pro Minute. Nur ein Bruchteil davon schwimmt an der Oberfläche. Schwerere Plastikteile und kleine Partikel sinken zum Meeresboden, ein Großteil davon ist Mikroplastik. Da Plastik nur sehr langsam verrottet, haben sich unvorstellbare Mengen in den Meeren angesammelt. Zusammengezählt wiegt der gesamte maritime Plastikmüll etwa 80 Millionen Tonnen, schätzt der WWF. Das entspricht dem Gewicht von über 1.500 Kreuzfahrtschiffen in der Größe der Titanic.
Die Kunststoffteile sind für Meeresbewohner bedrohlich: In größeren Plastikmüll-Teilen können sich Fische, Schildkröten und andere Tiere verheddern oder an ihnen ersticken. Mikroplastik nehmen die Tiere hingegen oft unbewusst auf. Verschiedene Experimente zeigen, dass sich die Teilchen nicht nur in ihren Mägen, sondern auch in ihrem Gewebe ansammeln.
Laut BUND ziehen die Kunststoffpartikel Schadstoffe an, die Meereslebewesen dann zu sich nehmen. In den Organismen führt das Mikroplastik unter anderem zu Tumorbildung und erhöhten Sterberaten, auch Fortpflanzung und Immunsysteme werden geschädigt. Korallen werden vom Plastik im Meer förmlich erstickt – und sterben so noch schneller ab, als sie es durch den Klimawandel sowieso schon tun.
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7. Mikroplastik kann auch flüssig sein
Viele Kosmetikhersteller geben an, dass ihre Produkte frei von Mikroplastik sind. Einige Kosmetikkonzerne wie Beiersdorf hatten sich 2013 freiwillig dazu verpflichtet, bis 2020 gänzlich auf Plastikpartikel in ihren Produkten verzichten – diese Abmachung gilt aber nur für festes Plastik. Doch Kunststoffpartikel können auch wasserlöslich sein oder in den Produkten in flüssiger, gelförmiger oder wachsförmiger Struktur vorkommen. Laut dem Einkaufsratgeber des BUND haben im August 2019 immer noch 81 Beiersdorf-Produkte Mikroplastik enthalten, darunter auch Gels und Cremes.
Der Verbrauchermagazin Öko-Test befragte in der Novemberausgabe 2018 (ePaper) Birgit Huber vom Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW), wieso gelöste Kunststoffpartikel oft nicht berücksichtigt werden. Die Antwort: Sie tragen „[n]ach anerkannter Expertenmeinung von Behörden und Industrie […] nicht zu einer Verschmutzung der Meere bei“.
Professorin Dr. Jutta Kerpen vom Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik sieht das anders. Sie warnt, dass gerade diese Verbindungen so gut wie nicht biologisch abbaubar sind und leicht in den Wasserkreislauf eindringen können. Details im Mikroplastik-Artikel aus Öko-Test.
Mikroplastik-Artikel aus Öko-Test (ePaper)
Laut Angaben des BUND ist bisher nicht geklärt, wie diese Art von Plastik abgebaut werden kann und wie sie sich auf die Umwelt auswirkt. Auch Greenpeace warnt vor solchen unklaren Begriffen. Für die NGO zählen alle synthetischen Kunststoffe zu Mikroplastik, auch wasserlösliche, gelförmige, wachsförmige oder flüssige.
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8. Die Menschheit hat über 8 Milliarden Tonnen Plastik produziert – und 70% davon weggeworfen
Kunststoff ist ein sehr junges Material – erst seit den 50er Jahren wird es großflächig verwendet. Allerdings brauchen die meisten Plastikarten mehrere hundert Jahre, um sich auf natürliche Weise wieder zu zersetzen. So ist Plastik in den vergangenen 70 Jahren von einem nützlichen Werkstoff zu einer Problemquelle geworden.
2017 haben Forscher erstmals eine Hochrechnung zur globalen Plastikproduktion veröffentlicht. Das unvorstellbare Ergebnis: 8,3 Milliarden Tonnen, das entspricht dem Gewicht von 880.000 Eiffeltürmen, 25.000 Empire State Buildings oder einer Milliarde Elefanten. Etwa 30 Prozent werden noch verwendet – der Rest wurde inzwischen weggeworfen. Seit 2017 hat die Menschheit natürlich weiter Plastik produziert, allein im Jahr 2018 waren es laut Statista 360 Millionen Tonnen. Wenn die Zahl 2019 ähnlich hoch war, existieren inzwischen locker 9 Milliarden Tonnen Kunststoff weltweit.
Es ist also nicht verwunderlich, dass sich in den letzten Jahrzehnten in den Weltmeeren ganze Plastikberge bilden konnten. Der Pazifische Müllstrudel zwischen Hawaii und Kalifornien ist beispielsweise fast fünfmal so groß wie Deutschland.
Organisationen wie The Ocean Cleanup wollen den Pazifik von diesem Müll befreien – und so auch verhindern, dass sich mehr Mikroplastik bildet. Das Start-up hat eine Art Meeresstaubsauger entwickelt, das Plastikmüll aus dem Ozean fischen soll. Die Mikropartikel selbst kann der Staubsauger leider nicht herausfiltern. Ließ auch Diese 5 Organisationen wollen unsere Meere schützen.
9. Zigaretten, Sonnencreme und deine Kleidung – auch so kommt Mikroplastik ins Meer
Eigentlich sind Zigaretten biologisch abbaubar: Sie bestehen aus einer Art Bioplastik, das auf Zellstoff (Holzfasern) basiert. Vielleicht schmeißen deshalb so viele Leute ihre Kippen unbekümmert in den Sand. Was diese Raucher nicht beachten: Bevor die Filter ganz abgebaut sind, zersetzen sie sich in einzelne Fasern, die von Wasserlebewesen aufgenommen werden können. Neben Plastik enthalten die Stummel außerdem Weichmacher und die giftigen Rückstände des Zigarettenrauchs.
Doch auch wer mit konventioneller Sonnencreme baden geht, trägt kleinste Plastikpartikel ins Wasser. Denn, wie der Hersteller Nivea auf seiner Website offen zugibt: Flüssige oder gelartige Polymere sorgen dafür, dass sie Sonnencreme wasserfester ist und werden deshalb gerne beigemischt. Besser, du greifst zu mineralischen Sonnencremes von zertifizierten Naturkosmetik-Herstellern – diese sind immer frei von Mikroplastik.
Um Meere mit Mikroplastik zu verschmutzen, musst du aber nicht zwingend vor Ort sein. Selbst wenn du deine Waschmaschine startest, trägst du unbewusst zur Umweltverschmutzung bei, denn: Beim Waschen von synthetischen Stoffe lösen sich winzige Faserteilchen, die in Kläranlagen nicht herausgefiltert werden können. So gelangen sie ins Grundwasser und von dort aus in unsere Umwelt sowie unser Trinkwasser – und zu guter Letzt auch in den Ozean. Wenn du das verhindern willst, solltest du lieber Kleidung aus Naturfasern kaufen.
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