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45.586 Quadratkilometer: Trifft es Deutschland wirklich, wenn der Regenwald stirbt?

Ein Lastwagen steht in einem abgeholzten Gebiet des Amazonas.
Foto: Fernando Souza/ZUMA Press Wire/dpa

Der Amazonas Regenwald ist von Deutschland mehr als 9000 Kilometer entfernt. Muss man sich Sorgen machen, wenn dort der Regenwald abgeholzt wird? Man muss. Denn die Rodungen haben Auswirkungen auf das weltweite Klima. Deshalb sind jetzt der Bundespräsident und die Umweltministerin dort.

45.586 Quadratkilometer – die Zahl ist schwer zu fassen. 45.586 Quadratkilometer entsprechen fast genau der Fläche des Landes Niedersachsen. Und es ist die Fläche, um die der Regenwald am Amazonas nach Berechnungen des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE) in Brasilien in den vier Jahren von 2019 bis 2022 geschrumpft ist. Diese Jahre entsprechen der Amtszeit des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro, der am Neujahrstag von Luiz Inácio Lula da Silva abgelöst wurde. Arten- und Klimaschutz waren für Bolsonaro kein Thema, unter Lula soll das anders werden. Auf ihm ruhen auch in Berlin viele Hoffnungen.

Das erklärt auch, warum Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Amtseinführung nach Brasília geflogen kam und sich nun am Tag darauf, selbst ein Bild vor Ort machen will. Am Sonntagabend reiste er nach Manaus. Seine Botschaft: „Es kommt uns allen darauf an, dass wir die grüne Lunge der Erde, die Regenwälder des Amazonas, erhalten.“

Das große deutsche Interesse an diesem Thema wird zudem dadurch deutlich, dass Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) den Präsidenten begleitet. Beide wollen in Manaus das Monitoringzentrum für Entwaldung und im Amazonas-Regenwald die Forschungsstation ATTO besuchen. Diese wird gemeinsam von deutschen und brasilianischen Wissenschaftler:innen betrieben. Sie erforschen die komplizierten Wechselwirkungen zwischen Regenwald und Klima.

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Zerstörter Regenwald: Kipppunkt bei 25 Prozent?

Der Amazonas-Regenwald ist verteilt auf neun Staaten Südamerikas, Brasilien hat den größten Anteil daran. Der größte Regenwald der Welt mit einer Fläche von sieben Millionen Quadratkilometern bindet laut Naturschutzorganisation WWF zwölf Prozent des Süßwassers der Erde und ist Heimat für zehn Prozent aller Arten auf der Welt. Der WWF rechnet vor, dass schon rund 20 Prozent der ursprünglichen Fläche zerstört seien. Wissenschaftler:innen rechneten damit, dass bei 25 Prozent ein Kipppunkt erreicht werde. Der Amazonas würde sich dann auf einer Fläche in der Größe von Frankreich, Spanien, Schweden, Deutschland und Finnland zusammengenommen in eine Steppe verwandeln.

Der Amazonas Regenwald gilt als essentielle CO2-Senke. Seit 2021 ist der östliche Amazonas jedoch keine solche mehr, wie die Tagesschau berichtet.

„Wenn der Kipppunkt Amazonas erreicht wird, würde einer der wichtigsten Klimaregulatoren für unseren Globus, für unseren Planeten ausfallen“, warnte Bundesumweltministerin Lemke in Brasilien. „Das würde schwere Störungen im Klimasystem nach sich ziehen, die wir zwar nicht genau prognostizieren können, aber die den gesamten Planeten betreffen würden.“ Auch die globalen Klimaschutzziele sind nach Einschätzung von Expert:innen nicht erreichbar, wenn die grünen Lungen der Welt durch Abholzung weiter dezimiert werden.

Lula: „Keine Klimasicherheit ohne ein geschütztes Amazonasgebiet“

Zwar ist Lula in seinen beiden ersten Amtszeiten von 2003 bis 2011 nicht wirklich als Grüner aufgetreten. Doch seit seiner Wahl Ende Oktober hat er einige Zeichen gesetzt, die auch in Berlin positiv zur Kenntnis genommen wurden. Bei der Weltklimakonferenz in Scharm el Scheich kündigte er im November an, den Kampf gegen den Klimawandel und den Schutz des Amazonasgebiets in den Vordergrund seiner Arbeit stellen zu wollen. „Es gibt keine Klimasicherheit in der Welt ohne ein geschütztes Amazonasgebiet“, sagte er damals.

Von Juni bis Oktober ist in Brasilien Waldbrandsaison. Meist werden zunächst die Bäume gefällt und die abgeholzten Flächen dann in Brand gesteckt, um neue Weideflächen und Ackerland etwa für den Soja-Anbau zu schaffen. Dieser dient in der Regel zur Fütterung von sogenannten Nutztieren. Lulas erklärtes Ziel ist es jedoch, das Abholzen des Regenwaldes bis 2030 zu beenden. Unter Bolsonaro geschwächte Umwelt- und Kontrollorgane sollen wieder aufgebaut, Umweltverbrechen bestraft werden. Zugleich bot er den Vereinten Nationen an, Gastgeber der Weltklimakonferenz 2025 zu werden und diese im Amazonasgebiet stattfinden zu lassen. Aufhorchen ließ auch, dass Lula die prominente Naturschützerin Marina Silva zur Umweltministerin ernannte.

Berlin will eine Allianz mit Brasilien

Die Bundesregierung will die Chance, die der Regierungswechsel in Brasilien bietet, nutzen. „Wir wollen eine neue Allianz in der Zusammenarbeit mit Brasilien für die Rettung des Regenwaldes, gegen das Artenaussterben“, sagte Umweltministerin Lemke in Brasília.

Deutschland belässt es nicht bei verbaler Unterstützung für den neuen Präsidenten. Steinmeier kündigte in Brasília an, dass 35 Millionen Euro aus dem Amazonas-Fonds, die unter Bolsonaro eingefroren waren, jetzt wieder freigegeben würden. Zudem verdoppelt Berlin die Mittel für den weltweiten Schutz der Wälder von einer auf zwei Milliarden Euro. Auch hiervon wird Geld nach Südamerika fließen.

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