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Ehegattensplitting: Wie es funktioniert und welches Risiko besteht

Ehegattensplitting
Foto: CC0 Public Domain / unsplash - Samantha Gades; Josh Appel

Die Politik diskutiert derzeit über die Abschaffung des Ehegattensplittings. Während es Paaren einen finanziellen Vorteil bringen soll, kann es zum Risiko für Frauen werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Seit Jahren wird die Sinnhaftigkeit des Ehegattensplittings diskutiert. Nach einem Vorschlag aus der SPD, das Instrument bei der Einkommenssteuer abzuschaffen, steht es wieder im Fokus politischer Debatten. Das Ehegattensplitting dient dazu, die Steuerlast von Ehepaaren zu reduzieren. Wirtschaftlich wird dadurch ein traditionelles Familienbild unterstützt, heißt es auf Seiten der Kritiker:innen. Wie genau aber funktioniert das Ehegattensplitting? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick.

Was ist das Ehegattensplitting, wie funktioniert es?

Das Ehegattensplitting ist ein Verfahren bei der Steuererklärung. Dabei werden im Rahmen einer Zusammenveranlagung die Einkünfte beider Partner:innen zusammengerechnet und gleichmäßig durch zwei geteilt. Die gemeinsame Steuerlast wird dann nach dem Tarif für Ehegatt:innen berechnet, was oft zu einer niedrigeren Steuerbelastung führt als bei der Einzelveranlagung. Verankert ist das Ehegattensplitting im Einkommensteuergesetz (EStG) – genauer im § 26b „Zusammenveranlagung von Ehegatten“ und im § 32a „Einkommensteuertarif“.

Was sind die Voraussetzungen für das Ehegattensplitting?

Das Ehegattensplitting wurde 1958 eingeführt und gilt seitdem für Ehepaare. Seit 2013 können auch Menschen in einer gleichgeschlechtlichen Beziehungen von dem Ehegattensplitting Gebrauch machen. Um das Ehegattensplitting nutzen zu können, müssen beide Partner:innen unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig sein, nicht dauerhaft getrennt leben und eine standesamtliche Trauung oder eingetragene Lebenspartnerschaft vorweisen.

Findet das Ehegattensplitting automatisch statt?

Nein. Laut dem § 26 im EStG müssen beide Partner:innen einer Zusammenveranlagung – also einer gemeinsamen Steuererklärung, bei der Erstellung diese – zustimmen, damit das Ehegattensplitting in Kraft tritt. Sobald eine der beiden Personen in der Partnerschaft eine Einzelveranlagung wählt, werden beide Ehepartner:innen einzeln veranlagt in der Steuererklärung.

Wer ist für die Abschaffung und wieso?

Der Vorsitzende der SPD Lars Klingbeil äußerte den Vorschlag, das Ehegattensplitting abzuschaffen. Die Abschaffung nannte Klingbeil als alternativen Vorschlag zu den Forderungen, Elterngeld einzusparen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) unterstützt Überlegungen von Klingbeil. „Fachlich wäre das ein Schritt nach vorne“, sagte der Politiker der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Ich kann nur aus fachlicher Sicht als Arbeitsminister sagen, dass für die Zukunft eine Reform des Ehegattensplittings arbeitsmarktpolitisch auch geboten ist, um die Frauenerwerbsbeteiligung zu verbessern.“ Auch die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang zeigte sich offen dafür: Die Grünen seien hier „gerne zum Gespräch bereit“.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßt Klingbeils Vorstoß. „Wer die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern am Erwerbsleben und die partnerschaftliche Verteilung von Familienarbeit fördern will, kann das Ehegattensplitting nicht unangetastet lassen“, zitierte die dpa die DGB-Vizevorsitzende Elke Hannack.

Welche Kritik gibt es am SPD-Vorstoß?

Kritik kommt aus den Reihen der FDP. „Die Abschaffung des Ehegattensplittings wäre eine gigantische Mehrbelastung für die Mitte der Gesellschaft“, hieß es am Montag aus Kreisen des FDP-geführten Bundesfinanzministeriums. „Dafür gibt es keine Mehrheiten.“ Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk erklärte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Wochenende, er lehne eine Änderung des Ehegattensplittings in dieser Wahlperiode ab.

In einem Video „#EinfachFragen – Christian Lindner antwortet zum Ehegattensplitting“ vom Bundesfinanzministerium erklärt der Minister, das Ehegattensplitting dürfe nicht angefasst werden. Der Grund: Menschen, die heiraten, würden Pflichten füreinander übernehmen und wirtschaftlich als Einheit betrachtet. Somit sollten diese Menschen auch Rechte haben.

Welche Auswirkungen hat das Ehegattensplitting auf die Höhe der Steuerlast?

Das Ehegattensplitting bietet einen Steuervorteil, der umso größer ist, je größer der Unterschied der Gehälter der Partner:innen ist. Eine Splittingtabelle zeigt, wie viel Steuern eine Einzelperson bei einer Einzelveranlagung zahlen würde und wie viel Steuern bei einer Zusammenveranlagung fällig würden. Die Splittingtabellen werden jedes Jahr aktualisiert.

Finanztipp etwa verdeutlicht die steuerlichen Vorzüge des Ehegattensplittings anhand eines Beispiels mit einem gemeinsamen Einkommen von 60.000 Euro, das versteuert werden muss. Beispielhaft wird genannt:

Fall 1: Beide Partner:innen verdienen genau gleich viel – also 30.000 Euro. Auf ihr Einkommen müssen beide jeweils 4.700 Euro zahlen. Gemeinsam macht das eine Steuer in Höhe von 9.400 Euro. Das Paar hätte keinen steuerlichen Vorteil durch das Ehegattensplitting.

Fall 2: Person 1 verdient 40.000 Euro und muss 7.828 Euro Steuern zahlen, Person 2 hat ein Einkommen von 20.000 Euro und muss 1.956 Euro Steuern zahlen. Zusammen ergibt das Steuern in Höhe von 9.784 Euro. Sollte sich das Paar für ein Splitting entscheiden, würde es im Gegensatz zur einzelnen Steuererklärung 384 Euro einsparen. Denn beim Ehegattensplitting wird das Einkommen zusammengeworfen und steuerlich so gerechnet, wie bei Fall 1 – also dass beide Partner:innen 30.000 Euro verdienen würden. Beim Splitting muss das Paar in jedem Fall 9.400 Euro Steuern zahlen, egal wer welches Einkommen erbracht hat.

Fall 3: Person 1 verdient 60.000 Euro, Person 2 hat kein Einkommen. In diesem Fall müsste Person 1 15.412 Euro Steuern zahlen. Würde sich das Paar für das Splitting entscheiden, würde es jedoch nur 9.400 Euro Steuern zahlen. Durch das Splitting spart das Paar also 6.012 Euro Steuern durch das Ehegattensplitting spart.

Welche Nachteile hat das Ehegattensplitting für die Person mit dem geringeren Einkommen?

Ein Kritikpunkt am Ehegattensplitting ist, dass damit eine traditionelle Rollenverteilung gestärkt wird und somit keine Gleichstellung der Geschlechter stattfinden kann. Denn: Ein Ehegattensplitting lohnt sich finanziell am meisten, wenn nur eine von beiden Personen ein Einkommen hat. Der Verdienst der Person mit dem geringeren Gehalt wird im Vergleich zu dem der anderen Person weitaus höher besteuert. Das macht Marcel Fratzscher, Ökonom und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, in einer Kolumne in der Zeit aus dem Juli 2023, deutlich.

„Wenn beispielsweise der Ehemann sehr viel verdient, dann zahlt die Frau ab dem ersten verdienten Euro einen sehr viel höheren Steuersatz, als wenn sie unverheiratet wäre. Konkret bedeutet dies: Verheiratete Frauen mit einem Jahreseinkommen von weniger als 40.000 Euro zahlen durchschnittlich doppelt so viele Steuern wie Ehemänner mit gleichem Einkommen.“ Für Fratzscher sei das ein Überbleibsel aus dem Patriarchat und Ausdruck eines Ungleichgewichts in der Ehe, wie er schreibt. Denn in vielen Partnerschaften ist es nach wie vor die Frau, die auch aufgrund der Gender Pay Gap ein niedrigeres Einkommen hat. Oder es fehlt gänzlich, wenn sie etwa in Vollzeit unentgeltlich Care Arbeit leistet.

Im Falle einer Scheidung sind Frauen dann oft benachteiligt, wie der Ökonom erklärt: „Durch die Reformen bei der Unterhaltspflicht im Jahr 2008 müssen beide Partner nach einer Scheidung finanziell schnell wieder auf eigenen Füßen stehen. Dies führt in vielen Fällen dazu, dass Frauen danach ein deutlich geringeres Einkommen haben – und zwar dauerhaft. Frauen, und vor allem alleinerziehende Mütter und ihre Kinder, sind auch deshalb viel häufiger von Armut betroffen als andere Menschen – und das häufig das gesamte Leben lang.“

Was gilt nach der Scheidung oder dem Tod?

Mit der Scheidung verfällt die Möglichkeit des Ehegattensplittings der Partner:innen. Wie im § 26 des EStG festgelegt, kann das Splitting im Jahr der Scheidung noch für die gemeinsame Steuererklärung genutzt werden – unter der Voraussetzung, dass das Paar im Jahr zuvor vom Ehegattensplitting Gebrauch gemacht hat. Beide Seiten müssen einem Ehegattensplitting für das Jahr nach einer Scheidung zustimmen.

Im Fall des Todes einer der beiden Partner:innen kann laut § 32a des EStG die lebende Person in dem Jahr des Todes und dem darauffolgenden Jahr eine Zusammenveranlagung bei der Steuererklärung mit der verstorbenen Person wählen – und somit von dem Steuervorteil des Ehegattensplittings profitieren.

Verwendete Quellen: § 26b „Zusammenveranlagung von Ehegatten“, § 26 Veranlagung von Ehegatten, Urteil Bundesgerichtshof, Merkblatt Finanzministerium, Bayerischer Rundfunk, Video Bundesfinanzministerium, Finanztip, § 32a Einkommensteuertarif, Zeit

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