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Expert:innen warnen vor Arzneimitteln in Seen – und geheim gehaltenen Daten

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Foto: CC0 / Pixabay / Pexels

Wirkstoffe von Medikamenten gelangen über menschliche Ausscheidungen zu großen Teilen in Gewässer. Welche Auswirkungen das haben kann, wird zwar erforscht. Die Ergebnisse dieser Studien werden von Herstellern jedoch häufig zurückgehalten.

Nehmen Menschen Medikamente ein, so scheiden sie einen teilweise großen Teil dieser Wirkstoffe wieder aus. Dies könnte ein zunehmend größeres ökologisches und gesundheitliches Problem darstellen. Wie die dpa berichtet, gelangen bis zu 90 Prozent der Wirkstoffe von Arzneimitteln über die Toilette ins Abwasser. Auch den Kläranlagen gelinge es anschließend nicht die Substanzen herauszufiltern. So gelangen sie in die Umwelt und reichern sich dort an. Untersuchungen dazu gibt es, doch oft bleiben die Ergebnisse geheim, kritisieren Expert:innen.

Laut dem Umweltbundesamt können deshalb mittlerweile „nahezu flächendeckend und ganzjährig“ in Flüssen, Bächen, Seen, Boden- und Grundwasserproben Rückstände von Medikamenten nachgewiesen werden. Im Juni 2022 gibt es für bereits 414 verschiedene Wirkstoffe entsprechende Nachweise. Darunter befanden sich zu großen Teilen Schmerzmittel, Antibiotika, Betablocker, Röntgenkontrastmittel und Antiepileptika. 

Die Rückstände der Medikamente könnten über das Grundwasser auch ins Trinkwasser gelangen. Welche potenziellen Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen dies haben könnte, ist unklar, so Gerd Maack von der Fachgruppe zur Umweltbewertung von Arzneimitteln (des UBA) gegenüber der dpa. Auch das Ausmaß der ökologischen Folgen ist unbekannt. Dies liegt vor allem daran, dass Hersteller von Medikamenten zwar Studien zu Umweltverhalten und -toxizität durchführen müssen. Die Ergebnisse dieser Studien sind jedoch für Umweltbehörden und die Öffentlichkeit häufig nicht zugänglich. 

Mangelnde Transparenz bei Medikamenten: Neuerungen in Sicht

Für andere potenziell gefährliche Stoffe, wie etwa Industriechemikalien, Biozide und Pflanzenschutzmittel, sind Studien der Öffentlichkeit zugänglich. Für Arzneimittel gelten jedoch andere Regeln, erklärt Juristin und Umweltwissenschaftlerin Kim Teppe vom UBA. Denn Hersteller müssen dabei die Ergebnisse von Studien nur bei Zulassungsbehörden vorlegen. Den Behörden ist es wiederum untersagt, die Daten an Umweltinstitute weiterzuleiten oder zu veröffentlichen. In der Praxis kommt es sogar häufig vor, dass gar keine Daten eingereicht werden müssen, da man sich auf umfangreiche Ausnahmen berufen könne.

Das soll sich ändern: Bis Ende März soll auf EU-Ebene ein neuer Gesetzesentwurf für das Humanarzneimittelrecht vorliegen. Juristin Teppe hofft darauf, dass in diesem bereits die aktuellen Transparenzprobleme berücksichtigt werden. Sie hatte zudem bereits selbst schon auf den Zugang von Umweltdaten geklagt und damit ein Gerichtsverfahren in Gang gesetzt, das bis zu einer weitreichenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs führen könnte. 

Die Rolle der Klärwerke

Wie schädlich sich Medikamente auf Gewässer auswirken könnten, wird auch in der sogenannten EU-Wasserrahmenrichtlinie bislang nicht behandelt. Dort werden Stoffe aufgeführt, die ein besonders hohes Umweltrisiko aufweisen und sich schon weitreichend in Gewässern verbreitet haben. Hormonell wirksame Arzneimittel und das Schmerzmittel Diclofenac werden jedoch bereits bezüglich ihrer Relevanz für die Richtlinie diskutiert und könnten sich dementsprechend bald auf der Liste wiederfinden.

Diclofenac hatte in Indien schon in den 90er Jahren dazu geführt, dass zahlreiche Geier an Nierenversagen gestorben sind – nachdem sie Rinder aßen, die von Landwirt:innen mit dem Wirkstoff behandelt wurden. In deutschen Kläranlagen wird es nur teilweise herausgefiltert. Seit einiger Zeit wird deshalb eine vierte Reinigungsstufe als verpflichtender Teil für alle Kläranlagen diskutiert, die die Substanz besser erfassen könnte.

Auch Konsument:innen selbst könnten zumindest einen kleinen Teil zur Lösung des Problems beitragen: Reste von Arzneimitteln sollten grundsätzlich nicht in Toilette oder Waschbecken entsorgt werden.

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