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Eckart von Hirschhausen mästet sich selbst – nach 5 Tagen verändert sich sein Gehirn

Eckart von Hirschhausen
Foto: Screenshot WDR

Für eine TV-Reportage hat sich Eckart von Hirschhausen fünf Tage lang mit Chips und Schokoriegeln vollgestopft. Das Ergebnis widerlegt eindrücklich ein weit verbreitetes Vorurteil über fettleibige Menschen.

Schwer übergewichtige Menschen sind oft dem Vorurteil ausgesetzt, sie wären faul und würden deshalb wenig für ihre Gesundheit tun: Sie müssten sich nur ausreichend bewegen und mehr auf ihre Ernährung achten, dann würde alles wieder gut. Doch sind dicke Menschen wirklich selbst Schuld an ihrem Gewicht? Eckart von Hirschhausen geht dieser Frage in der WDR-Reportage „Hirschhausen und die Abnehmspritze“ auf den Grund und wagt dafür ein Selbstexperiment.

Hirschhausen mästet sich selbst

Für die Reportage lässt Eckart von Hirschhausen zunächst mehrere Tests in der Uniklinik Tübingen durchführen. So wird ihm per Magnetresonanztomographie (MRT) ein Bild seines Bauchfetts gezeigt und er bekommt Insulin verabreicht, um herauszufinden, wie sein Körper darauf reagiert. Außerdem wird die Aktivität im Belohnungszentrums seines Gehirns gemessen, während er sich Bilder von kalorienreichen Speisen ansieht.

Anschließend startet er seinen Selbstversuch. Fünf Tage lang nimmt er 1.500 Kalorien mehr zu sich als nötig – in Form von Schokoriegeln und Kartoffelchips. Dass das nicht gesund ist, dürfte niemanden überraschen. Was schon nach der kurzen Dauer von fünf Tagen passiert, erstaunt aber sogar Hirschhausen: Nicht nur haben sich sein Blutzucker und sein Bauchfett drastisch erhöht – sein Leberfett hat gar um 45 Prozent zugenommen – auch das Gehirn des Moderators hat sich signifikant verändert.

Denn plötzlich reagiert das Belohnungssystem seines Gehirns deutlich stärker auf die Bilder von süßem und fettigem Essen. War Hirschhausens Gehirnaktivität zuvor beim Betrachten der Speisen noch moderat, so zeigt sie sich nach fünf Tagen der Völlerei plötzlich hochaktiv.

Gehirne verändern sich bei Übergewicht

Andreas Birkenfeld, ärztlicher Direktor des Uniklinikums Tübingen, erklärt Hirschhausen, dass dies der Grund sei, warum übergewichtige Menschen große Probleme haben, ihre Ernährung umzustellen: „Das ist das Belohnungssystem im Gehirn, das beispielsweise auch auf Drogen anspricht. Es gibt keinen stärkeren Stimulus, den wir kennen, der uns antreibt als Menschen.“ Das Belohnungssystem beeinflusse unsere Entscheidungen sogar mehr als unser Verstand.

Eckart von Hirschhausen TV-Reportage zu Übergewicht
Eckart von Hirschhausen im Gespräch mit Andreas Birkenfeld. Im Hintergrund: Ein Vorher-Nachher-Scan vom Gehirn des Moderators. (Foto: Screenshot WDR)

Adipositas, also Fettleibigkeit, die bei sehr hohem Body-Mass-Index diagnostiziert wird, wird deshalb auch als Fettsucht bezeichnet. Hirschhausen ist empört: „Warum behandeln wir Menschen mit Adipositas so, als hätten sie nur eine Charakterschwäche, als sei das ein Lifestyle-Thema.“

Zwar hätten stark übergewichtige Menschen oft kein Problem, ihr Gewicht mit Diäten kurzzeitig zu reduzieren. Doch der Jojo-Effekt sorge dafür, dass sie nach der Diät wieder sehr schnell zunehmen und oft sogar noch schwerer werden als davor, heißt es in der Reportage. Dies hänge mit mehreren biologischen Faktoren zusammen, die man nicht nur mit der Forderung nach eiserner Disziplin abtun könne.

So verändert Übergewicht die Vorgänge im Körper

Eine übergewichtige Frau klagt etwa in der Reportage: „Ich habe die Ernährung umgestellt und ich gehe zweieinhalb bis sechs Stunden pro Woche zum Sport. Trotzdem passiert gar nichts auf der Waage.“ Hirschhausen erklärt, das habe evolutionäre Gründe. „Der Körper merkt sich sein höchstes Gewicht und will immer dorthin zurück.“ Um für schlechte Zeiten vorzusorgen, spare er, wo er nur könne. Selbst auf Sport würden adipöse Menschen anders reagieren, da ihre Zellen Energie weniger gut umsetzen.

„Ich habe drei Döner gegessen und war nicht satt“, klagt ein weiterer Betroffener. Dieser Effekt sei ebenfalls eine Auswirkung von Übergewicht, erklärt Hirschhausen. Denn je mehr Bauchfett ein Mensch habe, desto unempfindlicher werde er gegenüber Insulin. Dieses Hormon sagt dem Gehirn „Du bist satt“, aber das Signal kommt dann gar nicht mehr an. Der Hunger lässt einfach nicht nach.

Für den Wissenschaftsjournalisten ist deshalb eines klar: „Leicht ist es nicht, wieder leichter zu werden.“ Wer schwer übergewichtig oder gar fettleibig wird – egal ob aufgrund einer stressvollen Lebenssituation, Genetik oder einer Essstörung – verändert das Belohnungszentrum seines Gehirns und den Hormonhaushalt im Körper. Ein Teufelskreis beginnt, den normalgewichtige Menschen nur schwer nachvollziehen können. Deshalb ist die Prävention von Übergewicht besonders wichtig.

Hirschhausen für Zuckersteuer und Werbeeinschränkungen

Um zu verhindern, dass sich Übergewicht in der Gesellschaft weiter ausbreitet, plädiert Hirschhausen für gesündere Ernährung in Kitas, Schulen und anderen gesellschaftlichen Einrichtungen, Werbeeinschränkungen für ungesunde Lebensmittel sowie eine Zuckersteuer, wie sie etwa in Großbritannien auf Softdrinks erhoben wird. In der Ernährungsstrategie der Bundesregierung sind zumindest die ersten beiden Punkte berücksichtigt. Eine Zuckersteuer ist jedoch nicht vorgesehen.

„Hirschhausen und die Abnehmspritze“ lief erstmals am 8. April 2024 im Ersten. Aktuell ist die Reportage in der ARD-Mediathek abrufbar.

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