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„Biologische Ursachen“: Wieso uns nächtlichen Gedanken in die Irre führen

Schlafmediziner: Wieso uns unsere nächtlichen Gedanken trügen
Foto: CC0 Public Domain - Pexels/ cottonbro studio

Wieso plagen uns nachts oft negative Gedanken? Ein Schlafforscher erklärt den Prozess – und verrät, wieso der Inhalt dieser Gedanken oft unbegründet ist. Außerdem gibt es Tipps, um das Einschlafen zu erleichtern.

Wenn man nachts im Bett liegt und über das eigene Leben nachdenkt, kommt man schnell ins Grübeln. Was würde ich tun, wenn diese Person stirbt? Heißt der letzte Streit in der Beziehung, dass ich mich trennen sollte? Psychologe und Schlafforscher Markus B. Specht gibt im Gespräch mit dem Zeit-Magazin Entwarnung: Solche nächtlichen Gedanken sollte man nicht zu ernst nehmen. Der Leiter des Zentrums für interdisziplinäre Schlafmedizin an der Helios Klinik Wiesbaden verrät außerdem, was man tun kann, um negativen Gedanken zu entkommen.

Schlafforscher: Negative nächtliche Gedanken sind „unbegründet“

Nachts sorgt das Hormon Melatonin dafür, dass wir müde werden. Schläft man nicht, kommt es zu einem Stimmungstief. Auch wenn man aufwacht und das Wiedereinschlafen nicht gelinge, kämen laut Specht oft düstere Gedanken. Auch Träume würden die Stimmung negativ beeinflussen, denn dem Experten zufolge träumt man in etwa 70 Prozent der Fälle von schlechten Dingen und hat dabei negative Gefühle. In ihnen verarbeiten Menschen düstere Gefühle und Gedanken, die tagsüber beiseitegeschoben wurden. Außerdem sind nachts andere Hirnareale aktiv, die kreatives Denken fördern – weshalb man sich besonders lebhaft vorstellen könne, was alles schieflaufen mag.

Specht rät, solche negativen Gedanken gelassen zu nehmen: „Es ist doch total beruhigend, zu wissen, dass diese Gedanken eher biologische Ursachen haben. Denn das heißt ja auch: Sie sind eigentlich unbegründet in ihrem Inhalt.“ Sich diese Tatsache in Erinnerung zu rufen, könne das Dunkel ein wenig lichten.

Was tun gegen negative Gedanken?

Der Experte schlägt verschiedene Ansätze gegen negative nächtliche Gedankenspiralen vor. Zum einen könne man versuchen, mit positiven Gedanken zu kontern – das funktioniere besser als Schäfchenzählen. „Unser Gehirn ist wie ein Jongleur“, so Specht, „es kann nur sieben bis acht Bälle, also Gedanken, gleichzeitig in der Luft halten.“ Für jeden positiven Gedanken, den man einbringt, muss es also einen negativen ziehen lassen. Autogenes Training könne helfen, positives Denken zu üben, so der Experte.

Alternativ solle man lieber aufstehen, als sich lange im Bett zu wälzen. Denn das Gehirn dürfe das Bett nicht mit Grübeln assoziieren, sonst würde das Einschlafen nur schwieriger. Ist man einmal aufgestanden, solle man nicht aktiv sein, also zum Beispiel nicht arbeiten oder Hausarbeit erledigen.

Stattdessen könne man zum Beispiel lesen oder fernsehen – solange der Inhalt nicht spannend ist – oder zum Beispiel die düsteren Gedanken in einem Tagebuch festhalten. „Wenn man das Geschriebene am Tag darauf liest und merkt, dass es eigentlich übertriebener Quatsch ist, reagiert man beim nächsten Mal vielleicht gelassener“, so der Schlafforscher. Tees, CBD-Öle und Baldriantropfen hält er nicht für nötig – aber das Ritual der Zubereitung könne trotzdem bei der Entspannung helfen. Nur wenn man ohne ein bestimmtes Hilfsmittel nicht mehr einschlafen könne, sei Vorsicht geboten – das schränke die Freiheit der Psyche ein.

Anhaltende Schlafprobleme: Der Ursache auf den Grund gehen

Wer über drei Monate mehrmals die Woche nicht durchschlafen könne, sollte sich mit der Ursache beschäftigen – vor allem wenn sich dies auf den Tagesablauf und das Wohlbefinden auswirke. Laut Specht stecke dahinter oft Stress. Er rät, in einem Tagebuch die Ereignisse der Tage zu notieren, an denen man besonders schlecht schläft, um Muster zu erkennen. Ist die Ursache gefunden, sollte man prüfen, ob sie sich vermeiden lässt.

Falls nein, rät Specht: „den Stress vor dem Schlafen abzubauen, damit er einen nicht in den Träumen einholt“. Ein weiterer Schlafforscher, Jürgen Zulley , empfiehlt gegenüber dem Zeit-Magazin, schon einige Stunden vor dem Schlafengehen Abstand von Social Media und Mails zu nehmen und nicht mehr über Probleme zu reden, um möglichst entspannt ins Bett zu gehen. Und bei Schlafproblemen Kreuzworträtsel zu lösen, das beschäftige das Gehirn und lenke von negativen Gedanken ab.  

Verwendete Quellen: Zeit-Magazin

Anhaltende Schlafstörungen gehen oft mit psychischen Problemen einher. Betroffene können sich ärztlichen Rat einholen. Bei starker, akuter psychischer Belastung hilft der Notarzt (112), ein Krisendienst (116117) oder die nächste psychiatrische Klinik.

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