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„Struktureller Rassismus“: Aktivist:innen prangern koloniales Erbe deutscher Unis an

Koloniales Erbe
Foto: CC0 / Pixabay / Goodfreephotos_com

Deutsche Universitäten waren in den Kolonialismus des ehemaligen Kaiserreichs verstrickt. Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen zufolge ist dieses koloniale Erbe bis heute noch nicht gut genug aufgearbeitet.

Der deutsche Kolonialismus sei immer noch nicht ausreichend aufgearbeitet – darauf weisen Historiker:innen und Aktivist:innen in einem aktuellen ze.tt-Beitrag hin. Beispielsweise sei bisher kaum etwas über das koloniale Erbe deutscher Universitäten bekannt. 

Was deutsche Universitäten mit Kolonialismus zu tun haben

Auch Deutschland war eine Kolonialmacht. Das koloniale Erbe ist immer noch nicht aufgearbeitet.
Auch Deutschland war eine Kolonialmacht. Das koloniale Erbe ist immer noch nicht aufgearbeitet.
(Foto: CC0 / Pixabay / Tama66)

Auch Deutschland war eine Kolonialmacht – an der Fläche der kolonisierten Gebiete gemessen die drittgrößte nach Großbritannien und Frankreich. Zwischen 1884 und dem Ersten Weltkrieg beanspruchte das Deutsche Kaiserreich unter anderem Togo, Kamerun, „Deutsch-Südwestafrika“ und „Deutsch-Ostafrika“ sowie Gebiete in China und Ozeanien.

Doch dieser Abschnitt der deutschen Geschichte ist im historischen Bewusstsein vieler Deutscher kaum präsent. Der Hamburger Kolonialismus-Forscher Jürgen Zimmerer nennt als Grund gegenüber ze.tt die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Thema: die sogenannte „koloniale Amnesie“. Diese sei auch der Grund, warum das koloniale Erbe deutscher Universitäten bis heute kaum aufgearbeitet sei.

Dabei waren Hochschulen stark in das koloniale Projekt verstrickt. Sie lehrten und verbreiteten Rassentheorien und legitimierten so nicht nur Kolonialismus und Versklavung, sondern lieferten mitunter auch als Grundlage für die Institutionalisierung antisemitischer und rassistischer Ideologien während des Nationalsozialismus. So forschte beispielsweise der Mediziner Eugen Fischer am damaligen Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (1927–1945) der Freien Universität Berlin zu „Rassenanthropologie“ und „Rassenhygiene“. Seine Ansichten spiegelten sich in den 1935 verabschiedeten Nürnberger Rassengesetzen wider. 

Woran die Aufarbeitung noch scheitert

Studierende der Humboldt-Universität fordern eine konsequente Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe.
Studierende der Humboldt-Universität fordern eine konsequente Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe.
(Foto: CC0 / Pixabay / falco)

In Universitätsgebäuden, in denen früher Kolonialist:innen ausgebildet oder zur „Rassenhygiene“ geforscht wurde, studieren heute junge Menschen, die nichts über die koloniale Vergangenheit ihrer Universität wüssten, kritisiert Tania Mancheno, Wissenschaftlerin an der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“. Die Auseinandersetzung mit der Thematik gehe ihr zufolge nicht über den Fachbereich Geschichte hinaus. Wer sie einfordere, werde nicht ernstgenommen.

Das zeige sich daran, dass es an der Universität Hamburg keine Räume gäbe, „wo über Rassismus – und über diese Geschichte – gesprochen werden kann.“ Die Universität teilte ze.tt hingegen mit, dass sie im Gegenteil verschiedene Beschwerde- und Kontaktstellen zu Antidiskriminierung und zum Thema Rassismus eingerichtet habe und weitere rassismuskritische Arbeit unternehme. 

Auch an der Humboldt-Universität in Berlin fordern einige Studierende eine konsequente Auseinandersetzung mit Rassismus und Kolonialgeschichte. Naima Moiasse und hn. lyonga von der Black Student Union sehen es dazu als notwendig an, dass Universitäten „ihre Probleme mit strukturellem Rassismus anerkennen“ – rassistische Strukturen und Prozesse also, die in der Institution Universität verankert sind.

Diese zeigen sich laut Tania Mancheno unter anderem in aktuellen Machtdynamiken in der Wissensproduktion. Das Wissen rassifizierter Menschen werde noch immer systematisch unsichtbar gemacht. Eine vollständige Aufarbeitung sei unter diesen Umständen nicht möglich. 

Warum Aufarbeitung wichtig ist

An vielen Universitäten gibt es weitreichende Bestrebungen, das koloniale Erbe sichtbar zu machen. So richtete das thüringische Wissenschaftsministerium im vergangenen Jahr eine Koordinierungsstelle ein, an der die Universitäten Jena und Erfurt sowie weitere Einrichtungen und Initiativen die Aufarbeitung zusammen voranbringen wollen. Dieses Bestreben soll aber auch die Zivilgesellschaft miteinbeziehen. Laut Projektleiterin Christiane Bürger kann das Wissen um das koloniale Erbe nämlich dabei helfen, auch aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu verstehen und gemeinsam anzugehen. 

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