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„Unkontrolliertes Vorgehen“: Video zeigt fragwürdige Tiefseearbeiten

„Unkontrolliertes Vorgehen“: Video zeigt fragwürdige Tiefseearbeiten
Foto: CC0 / Unsplash - Paul-Alain Hunt, Screenshot: The Guardian

Ein von Wissenschaftler:innen geleaktes Video soll einen Weltmarktführer des Tiefseebergbaus bei der unerlaubten Entsorgung von abgebauten Sedimenten zeigen. Kritiker:innen sehen in dem Vorfall ein erneutes Warnsignal.

Die Firma „The Metals Company“ (TMC) geriet Anfang der Woche in die Kritik. Der Grund: Aufnahmen, die zeigen sollen, wie Sedimente unkontrolliert ins Meer abgelassen werden. Die Aufnahmen des börsennotierten Konzerns sind laut dem Guardian zwischen Hawaii und Mexiko entstanden und zeigen das firmeneigene Schiff „Hidden Gem„. Der Tiefseebergbau steht nicht erst seit den Aufnahmen in der Kritik. Weil Umweltorganisationen durch die Technik massive Schädigungen der maritimen Ökosysteme befürchten, fordert ein breites Bündnis ein Moratorium.

Auf die Anschuldigungen reagierte TMC mit der Erklärung, es hätte sich lediglich um ein „geringfügiges Ereignis“ gehandelt. Angeblich soll ein Behälter übergelaufen sein, aus dem während eines mehrstündigen Tests Meerwasser und kleine Mengen Sediment ausgetreten sind. In einer Pressemitteilung betonte das Unternehmen, bei den Sedimenten habe es sich nicht um giftiges Material gehandelt.

Die Äußerungen des Unternehmens stehen im Kontrast zu der Einschätzung seiner Kritiker:innen. „Was wir hier sehen, ist eine unerlaubte, unkontrollierte Entsorgung, die im traditionellen Bergbau in irgendeiner Form Konsequenzen nach sich ziehen würde. Und das Unternehmen sagt, es habe die Aufsichtsbehörde aus Höflichkeit informiert? Das ist bizarr„, moniert Catherine Coumans von MiningWatch Canada. Sie fügte hinzu, dass der Vorfall im Widerspruch zu den Zusicherungen der Unternehmen stehe, dass keine Sedimente in der Nähe der Meeresoberfläche freigesetzt würden.

Auf Twitter bezeichnete Louisa Casson, Global Project Leader von Greenpeace, den Vorfall als den letzten in einer „langen Liste von Gründen, warum wir den Tiefseebergbau stoppen müssen, bevor er 2023 beginnt“.

Tiefseebergbau: Risiko oder Chance?

Der Abbau von Bodenschätzen aus der Tiefsee ist in den letzten fünf Jahren zunehmend in den Blickpunkt gerückt. Dies liegt vor allem an der verstärkten Erprobung von Abbautechniken vor Ort sowie an der wachsenden Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen, einschließlich der für die Energiewende und damit die Klimapolitik benötigten Rohstoffe.

Die wichtigsten Rohstoffarten sind Manganknollen (polymetallische Knollen), kobalthaltige Eisen- und Mangankrusten sowie Massivsulfide und Erzschlämme. Die betreffenden Rohstoffvorkommen befinden sich in Tiefen von 2.000 bis 6.000 Metern, an den Hängen von Seebergen, auf mittelozeanischen Rücken, auf dem Tiefseeboden und auf dem Boden des Roten Meeres.

Kritiker:innen befürchten, dass die beim Abbau entstehenden Sedimentwolken die Meeresökosysteme ernsthaft schädigen könnten. Zum Beispiel, indem sie die Lichtdurchlässigkeit einschränken und potentiell giftige Stoffe wie Schwermetalle unkontrolliert im Ozean verteilen. Außerdem befürchten Expert:innen, dass der Tiefseebergbau Ökosysteme am Meeresboden zerstört. Sie sind für Arten wie Schwämme und Korallen notwendig. Hinzu komme der Stress für maritime Spezies, die durch den Tiefseebergbau Brutplätze verlieren oder ihr Echolot nicht mehr einsetzen können. Dieses wird durch Bohr- und Schiffslärm gestört, heißt es. „Wir wissen nicht, welche Folgen diese Probleme unter der Meeresoberfläche haben“, zitiert der Guardian Coumans von MiningWatch Canada.

Die Rohstoff-Reserven am Meeresgrund werden auf einen Wert von bis zu acht Billionen Dollar gerechnet. Investorenunterlagen von TMC (früher Deep Green Metals) deuten laut dem Guardian darauf hin, dass TMC durch den Tiefseebergbau in den nächsten 20 Jahren mit mehr als 30 Milliarden Dollar Gewinn rechnet.

Der Abbau von Rohstoffen im Ozean wird vom Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) der vereinten Nationen geregelt. Die regulierende Instanz ist die ISA (International Seabed Authority). Bisher hat die ISA 31 Verträge zur Erforschung für jeweils Mangan- und Sulphitvorkommen ausgestellt. Seit 2006 hat auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) eine Lizenz. Industrielle Abbaugenehmigungen wurden laut Umweltbundesamt aufgrund der fehlenden rechtlichen Grundlage noch keine ausgestellt. Seit 2017 werden Verhandlungen zu Regularien für einen möglichen Abbau geführt. Erste Abbaugenehmigungen werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren erwartet.

Google und Samsung unterstützen Moratorium

Wie umstritten die Technik ist, zeigt sich auch anhand des Widerstands aus der Wirtschaft dagegen: Aus Sorge vor Umweltschäden schlossen sich vor zwei jahren große Konzerne unter anderem Google, Samsung, Volvo und BMW einem Aufruf des World Wildlife Fund (WWF) an, der ein Moratorium für den Abbau auf dem Meeresboden forderte.

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