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Prof. Quaschning im Interview: Wir kaufen Energie, die Kriege mitfinanziert

Utopia Podcast Professor Volker Quaschning
Foto: Nikolas Fahlbusch / HTW Berlin

Spätestens seit der Explosion der Strom- und Gas-Preise stellen wir endlich wieder mehr Fragen zu schmutzigen und zu sauberen Energien. Zum Beispiel fragen wir angesichts des Konflikts um die Ukraine auch, ob wir Putins Russland als Lieferant von Öl und Gas noch hinnehmen können und wollen. Über all das sprechen wir heute im Utopia-Podcast mit Professor Volker Quaschning!

Wie schnell können wir die Stromversorgung in Deutschland auf erneuerbare Energien umbauen? Geben Sonne und Wind wirklich genug Energie her, um unseren Stromhunger zu stillen? Geht die Energiewende schnell genug voran – oder plätschert sie nur vor sich hin, und warum? Haben wir überhaupt genug Elektriker:innen und Ingenieur:innen, um die Energiewende auch umzusetzen?

Andreas aus der Utopia-Redaktion spricht darüber heute mit Volker Quaschning, Professor für das Fachgebiet “Regenerative Energiesysteme” an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin, zudem Autor von vielen Büchern, darunter „Erneuerbare Energien und Klimaschutz“ (unser Tipp, um Fachwissen aufzubauen, zu haben** im Buchladen bei euch um die Ecke sowie z.B. bei Buch7, Thalia, Amazon) und zuletzt „Energierevolution jetzt!“ mit vielen hochaktuellen Einsichten (zu haben** im lokalen Buchhandel oder z.B. bei Buch7, Thalia, Amazon).

Hier wichtige Fragen aus dem Interview in Textform, das vollständige Interview kannst du in der neuen Utopia-Podcast-Folge anhören:


Prof. Volker Quaschning im Utopia-Interview

Utopia.de: Auf Twitter haben sie unlängst geschrieben, sie seien wütend, weil die Groko jahrelang den schnellen Ausbau der Solar und Windenergie blockiert – und damit irgendwie auch Putins Aufrüstung mitfinanziert habe …

Prof. Volker Quaschning: Deutschland hat eine Energieversorgung, die zu über 70 Prozent auf Öl, Kohle und Gas basiert. Aber was haben wir in Deutschland denn noch selbst an Energieträgern? Wir haben die Braunkohle, die wir unter großen Umweltschäden fördern. Steinkohle haben wir auch noch, die ist aber zu teuer, wird also auch nicht mehr gefördert. Und Gas müssen wir komplett importieren.

Wir kaufen diese Energieträger deshalb auf den Weltmärkten ein. Und das zu großen Teilen in Russland. Da fließen dann natürlich auch Gelder in den Staatshaushalt. Und die tragen im Endeffekt auch zur Finanzierung der Kriege bei.

Das Problem gibt es schon seit Jahren und es betrifft ja nicht nur Russland, auch wenn wir jetzt Öl aus Saudi-Arabien kaufen oder aus anderen Ländern, dann ist es ja auch so, dass wir die Regime dort unterstützen.

Und der einzige Weg, das zu beenden, ist einfach: Auf erneuerbare Energien zu setzen, die aus Deutschland kommen.

Wie lang wird es denn so grob geschätzt dauern, bis uns das wirklich gelingt?

Prof. Volker Quaschning: Das Tempo, das die Groko vorgelegt hatte, lag so irgendwo in Richtung 100 Jahre. Das heißt, wenn wir Business as usual machen würden, dann würden wir gut hundert Jahre brauchen, um komplett von den fossilen Energieträgern loszukommen.

Jetzt haben wir eine neue Regierung, die hat einiges vorgelegt und möchte auch deutlich schneller sein. 15 Jahre sind bei der Stromversorgung im Gespräch, 25 Jahre, um komplett klimaneutral zu sein.

Das sind so die Zeiträume, die man mal veranschlagen muss. Wir hoffen, dass es aus Klimaschutzgründen 5 bis 10 Jahre schneller geht, aber viel mehr geht wahrscheinlich nicht.

„Für 20 Prozent haben wir 30 Jahre gebraucht. Jetzt müssen wir 80 Prozent im Expresstempo nachholen“

Warum so lange?

Prof. Volker Quaschning: Man muss sich ja nur anschauen, wie es bisher war. Wir haben derzeit 20 Prozent erneuerbare Energien, 80 Prozent fehlen noch.

Für diese 20 Prozent haben wir 30 Jahre gebraucht. Und jetzt müssen wir die anderen 80 Prozent im Expresstempo nachholen, weil die letzten Regierungen hier halt hier einfach getrödelt haben. Und das dauert eben, denn wir müssen das ja auch alles aufbauen und umrüsten. So 10 bis 15 Jahre werden wir wahrscheinlich schon brauchen, selbst wenn wir uns anstrengen.

Interview mit Prof. Volker Quaschning, HTW Berlin
Interview mit Prof. Volker Quaschning, HTW Berlin (Forto © Silke Reents)

Also werden wir wahrscheinlich auch im kommenden Winter noch mit russischem Gas heizen und mit fossilem Öl?

Prof. Volker Quaschning: Mit fossilem Öl werden wir auf alle Fälle weiterhin Auto fahren, denn wir kriegen ja nicht über Nacht die 47.000.000 Autos von der Straße. Selbst wenn wir jetzt, was dringend zu empfehlen ist, ein Zulassungsverbot für neue Verbrenner beschließen, dauert es 15 Jahre, bis diese aus Altersgründen aus dem Verkehr gezogen sind. Das heißt also, da wird weiter Öl fließen.

Wir haben außerdem zig Millionen Öl- und Gasheizungen. Auch die werden wir nicht über Nacht austauschen können. Aber auch hier müsse man darüber nachdenken, einen Baustopp für Öl und Gasheizungen zu beschließen. Doch bis die alten Heizungen dann nach 20 Jahren Lebensdauer alle ausgetauscht sind, dauert es halt einfach.

So lange brauchen wir noch Öl und Gas. Ob wir das weiterhin aus Russland brauchen, muss man schauen, der Weltmarkt ist ja groß. Aber gerade beim Gas sind unsere Transportwege und Abhängigkeiten zu Russland so groß, dass es momentan nur schwer vorstellbar ist, dass wir komplett ohne russisches Gas über den nächsten Winter kommen.

„Wir brauchen halt immer eine schreckliche Aktion oder ein schreckliches Ereignis, um ins Handeln zu kommen.“

Es ist bitter, die Frage in einen solchen Zusammenhang zu stellen, aber würden Sie sagen, wir verdanken es auch dem Ukraine-Konflikt, wenn jetzt bei der Energiewende mehr vorwärts geht?

Prof. Volker Quaschning: Na ja, auch, definitiv. Wir brauchen halt immer eine schreckliche Aktion oder ein schreckliches Ereignis, um ins Handeln zu kommen.

Sie sind ja auch Aktivist und haben im November 2018 zusammen mit verschiedenen anderen eine Klage gegen die deutsche Klimapolitik eingereicht. Im Frühjahr 2021 hat das Verfassungsgericht 2021 dann auch tatsächlich Teile des sogenannten Klimaschutzgesetzes für verfassungswidrig erklärt. Worum ging es denn eigentlich Klägern wie Ihnen genau?

Prof. Volker Quaschning: Also die Klage ging erstmal darum, wirklich Klimaschutz in Deutschland zu machen. Wir hatten ja 2015 das Pariser Klimaschutzabkommen und Deutschland hat sich völkerrechtlich verbindlich beschlossen, dass wir wirklich das Klima schützen, das heißt also, die 1,5 bis 2 Grad globale Erwärmung nicht überschreiten, was die Klimaforschung dringend empfiehlt.

Das wurde einstimmig vom Bundestag ratifiziert. Und dann wurden keine Maßnahmen in Deutschland beschlossen, mit denen das Ziel zu erreichen wäre. Das haben wir aus der Wissenschaft gesehen und gesagt: Kann ja nicht sein, dass die Klimaforschung sagt, wir sollten möglichst bei 1,5 Grad bleiben, und die Bundesregierung beschließt sogar, bei 1,5 Grad zu bleiben – aber sie tut nichts dafür.

Diesen Widerspruch wollten wir erstmal sichtbar machen und sagen: Wenn man Klimaschutz verspricht, was ja auch wirklich eine Überlebensfrage ist, dann muss man auch da entsprechende Maßnahmen einleiten und einhalten.

Der Klage wurde im Wesentlichen stattgegeben, und das ist eine Sache, die bestimmt 95 Prozent der Juristinnen und Juristen in Deutschland vorher für unmöglich gehalten hätten. Und das Spannende ist auch die Begründung: Das Verfassungsgericht hat ganz klar gesagt, wenn wir jetzt keinen Klimaschutz machen, weil wir dafür unsere Freiheiten einschränken müssten und das nicht wollen, dann werden die kommenden Generationen so massive Freiheitseinschränkungen haben, dass das in keinem Verhältnis mehr steht. Wir müssen daher, das ist juristisch relativ neu, einen „intertemporalen Ausgleich“ machen. Das heißt, wir müssen uns heute einschränken, sodass die Einschränkungen der künftigen Generationen nur einen ähnlichen Umfang haben wie unsere.

„Bei diesem Tempo werden wir erst in 100 Jahren klimaneutral“

Haben Sie den Eindruck, dass die Änderung der Regierung auch die Klimapolitik wirklich verändern wird?

Prof. Volker Quaschning: Also, es verändert sich schon was. Man erkennt zumindest mal den Willen der neuen Regierung, Klimaschutz zu machen.

Die alte Regierung hat keinen Klimaschutz gemacht, nicht mal sonderliches Interesse dafür an den Tag gelegt. Das hat man schon an der Personalpolitik gesehen, dass etwa Leute eingestellt wurden, die für Klima zwar zuständig waren, in Wirklichkeit aber weder Vorkenntnisse noch Interesse hatten. Das sieht man auch an den Gesetzen, die die letzten 15 Jahre gemacht wurden, und an den Zielen für den Ausbau erneuerbarer Energien, wo andere die Hände über den Kopf zusammengeschlagen haben und sagten, bei diesem Tempo werden wir erst in 100 Jahren klimaneutral. Doch das hat damals keinen gestört.

Die neue Bundesregierung zeigt ihren Willen also erstens schon mit der Personalpolitik, also dass sie Leute an Schaltstellen setzt, die durchaus Ahnung haben von Klimaschutz und auch Interesse haben, etwas durchzusetzen. Und zweitens, dass schon deutlich ambitioniertere Maßnahmen angekündigt sind.

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Sind die auch ambitioniert genug?

Prof. Volker Quaschning: Naja, im Vergleich zur alten Regierung ist bei der Beschleunigung der Energiewende der Faktor 3 bis 4 wahrscheinlich derzeit denkbar oder sogar angekündigt.

Um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten, bräuchten wir aber eher einen Faktor 6. Das hat sich die neue Regierung nicht getraut. Low hanging Fruits wie das Tempolimit hat man nicht durchgesetzt.

Man sieht also, ok, ja, die Regierung möchte schon mehr Klimaschutz machen, aber wenn es dann ans Eingemachte geht, versucht man doch, sich zu drücken. Man handelt auch jetzt immer noch nach dem Motto: Na ja, lasst uns Klimaschutz machen aber so, dass es irgendwie keiner merkt und keinem weh tut. Und das wird nicht das nötige Tempo zum Einhalten des Pariser Klimaschutzabkommens herbeiführen.

Ist es ein bisschen wie Medizin, nur wenn es wirklich bitter schmeckt, dann wird es auch eine Wirkung haben?

Prof. Volker Quaschning: Es muss ja nicht bitter schmecken, also wir müssen uns verändern, aber das heißt ja nicht, dass wir uns zurück in die Höhle in der Steinzeit müssen.

Aber wir wissen zum Beispiel: Den Flugverkehr werden wir in den nächsten 10 bis 15 Jahren nicht klimaneutral gestalten können. Da muss die Botschaft sein: Leute, ihr müsst weniger fliegen. Aber das wird momentan gar nicht angegangen.

Bei der Landwirtschaft, die einen großen Einfluss aufs Klima hat, wollen die Grünen ein bisschen was machen. Aber da müssten wir den Leuten erklären: Ihr müsst weniger Fleisch essen. Wenn der deutsche Fleischkonsum auf den Rest des Planeten übertragen wird, dann reicht die Erde nicht. Der Fleischkonsum, den wir hier an den Tag legen, der geht nur, weil viele andere Menschen auf diesem Planeten zu arm sind, sich solche Mengen an Fleisch zu kaufen. Das ist natürlich auf Dauer auch nicht nachhaltig, da müssen wir ran.

Ich hatte ja schon angesprochen, dass keine Verbrenner-Autos mehr auf die Straße kommen sollten. Aber auch das wird wohl in absehbarer Zeit nicht Thema werden, weil man sich nicht so wirklich traut.

Dabei ist ja nicht so, dass wir ohne Verbrenner-Auto nicht mehr mobil wären. Wir müssen eben anders mobil sein, mal Fahrrad fahren, mit Öffentlichen fahren, mit der Bahn. Wir haben dann Städte mit viel weniger Autos, wo Kinder wieder auf den Straßen spielen können. Es wird leiser …  das heißt, unser Leben wird ja sogar besser werden.

Und das muss man halt kommunizieren, die Leute mitnehmen, vielleicht kriegt man dann auch eine Mehrheit. Aber genau das zu kommunizieren, da hat man immer noch so ein bisschen Angst davor.


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