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Plastikatlas 2019: 6 Gründe, warum Deutschlands Umgang mit Plastik scheinheilig ist

Plastik, Plastikmüll, Müll, David Attenborough
Foto: CC0 Public Domain / Pixabay MariaGullestrup

Wir recyceln unseren Müll, trinken aus Edelstahl-Flaschen und haben die Plastiktüte verbannt. Schuld an dem ganzen Plastik im Meer sind also nicht wir, sondern vor allem die Länder des globalen Südens – diese Annahme ist zumindest weit verbreitet. Erschreckende Zahlen zeigen, wie groß Deutschlands Anteil am Plastikproblem tatsächlich ist.

Im Pazifik schwimmt ein 1,6 Millionen Quadratkilometer großer Müllstrudel, Plastik wurde schon am tiefsten Punkt der Erde, im Hochgebirge, der Arktis und der Antarktis gefunden. Auch in Fischen, Schildkröten und anderen Meerestieren sowie in Wasser und Meersalz steckt oft Plastik oder Mikroplastik.

Fest steht: Das meiste Plastik gelangt über zehn Flüsse in die Ozeane, die meisten davon liegen in Asien, Afrika oder Südamerika. Was können wir in Deutschland also dafür, wenn die Meere in Plastik ersticken? Jede Menge – wie der neue Plastikatlas 2019 der Heinrich-Böll-Stiftung und des Bund Umwelt und Naturschutz (BUND) zeigt. Sechs Gründe, warum unser Umgang mit Plastik scheinheilig ist:

1. Deutschland zählt zu den größten Kunststoffherstellern

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Deutschland produziert jede Menge Plastik – darunter Einwegplastikflaschen. (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay.de - mauriceangres)

Deutschland ist einer der größten Kunststoffproduzenten weltweit. Dem Plastikatlas zufolge wurden allein im Jahr 2017 14 Millionen Tonnen Kunststoffe in Deutschland hergestellt. Eine unfassbare Menge, wenn man bedenkt, wie leicht Plastik ist. Besonders erschreckend ist außerdem eine Berechnung zu Einwegflaschen: Laut dem Bericht würde die jährliche Einwegflaschen-Produktion 13 Mal bis zum Mond reichen.

2. Trauriger Spitzenreiter in der EU

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Das Problem ist nicht nur die Industrie: Im EU-Vergleich verbrauchen Konsumenten in Deutschland mit am meisten Plastik – der Plastikatlas spricht von rund 38 Kilogramm Plastikmüll pro Person im Jahr 2016. Nur in Luxemburg, Irland und Estland sei es noch mehr Müll gewesen. 2018 ist der Anteil an Kunststoffverpackungen in Deutschland sogar noch einmal angestiegen.

3. Doch kein Recycling-Weltmeister

Müll Recycling
Wir recyceln weniger Kunststoffe als gedacht. (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay - blickpixel)

Ein weiteres Problem: Deutschland produziert viel Plastik und verwendet viel Plastik – aber recycelt nur einen kleinen Bruchteil davon. Offiziell ist die Recycling-Quote zwar relativ hoch: Laut dem Plastik-Atlas lag sie 2016 bei 45 Prozent. Diese Zahl ist jedoch irreführend, denn sie bezieht sich nur auf den Müll, der bei Recyclinganlagen abgegeben wurde. Tatsächlich recycelt und zu Rezyklat verarbeitet wurden nur noch 15,6 Prozent des Plastikmülls.

„Von den 2017 angefallenen 5,2 Millionen Tonnen Kunststoffabfällen wurden gerade mal 810 000 Tonnen wiederverwertet“, heißt es in dem Bericht. Deutschlands Ruf als „Recycling-Weltmeister“ ist also nicht verdient.

4. Deutschland verlagert das Plastikproblem

Plastik, Plastikmüll, Müll, David Attenborough
Deutschland zählt zu den größten Plastikmüll-Exporteuren der Welt. (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay MariaGullestrup)

Deutschland produziert und verbraucht mehr Plastikmüll als es selbst bewältigen kann – deswegen schicken wir jede Menge Kunststoffabfälle ins Ausland. Deutschland zählt nach den USA und Japan zu den größten Plastikmüll-Exporteuren der Welt. Unser Kunststoff geht zurzeit vor allem nach Malaysia, Thailand und Vietnam.

Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND erklärt: „Der Skandal dabei ist: Plastik gilt bereits als recycelt, wenn es ins Ausland exportiert wird. Nach dem Prinzip ‚Aus dem Augen aus dem Sinn‘ exportieren wir und andere Industriestaaten unseren Plastikabfall in Drittländer und verlagern das Problem somit nur räumlich.“

In den asiatischen Ländern landet laut dem Plastikatlas vor allem der kaum verwertbare Müll. Dort fehlt oftmals die Infrastruktur, um das Plastik zu entsorgen oder weiterzuverarbeiten – was sogar tödliche Folgen für die Menschen vor Ort haben kann.

5. Der Giftmüll bleibt

Wenn wir Plastik nicht recyceln oder exportieren, wird es verbrannt. Laut dem Plastikatlas betrifft das mehr als die Hälfte aller Plastikprodukte. Das Problem: Damit sind wir den Müll noch nicht komplett los.

Je nach Art der Verbrennung entstehen zahlreiche Giftstoffe, die von der Umwelt kaum abgebaut werden können. Die Stoffe werden herausgefiltert, in Salzlösung verflüssigt und so in Bergwerken gelagert – dazu zählen Dioxione, Blei und Furane. Ein Endlager in Bleicherode (Thüringen) soll in zehn Jahren voll sein, heißt es im Plastikatlas.

6. Deutschland in der Hand der Plastiklobby

Laut dem Plastikatlas haben die führenden Kunststoffkonzerne ihren Hauptsitz in einigen wenigen Ländern – unter anderem Deutschland. Die Produktion selbst finde aber in mehr als 200 verschiedenen Ländern statt. Jeder Konzern beschäftige Lobbyarbeiter-Teams, die seinen Einfluss auf Politik und Regierungen vergrößern sollen. Deutsche Konzerne setzen sich also weltweit dafür ein, dass sich Plastik gut verkaufen lässt. Dass wir uns zugleich in Europa über ein Verbot von Plastikstrohhalmen oder Wattestäbchen aus Kunststoff freuen, erscheint da geradezu zynisch.

Wir müssen weg von Plastik

Die einzige Lösung: Weniger Plastik (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay)

Der Plastikatlas 2019 zeigt: Wir sind weit davon entfernt, die Verantwortung für das Plastikmüll-Problem von uns schieben zu können. Deutschland produziert und verbraucht extrem viel Plastik, recycelt aber nur wenig und schickt schlecht verwertbaren Müll ins Ausland. Damit sich das ändert, braucht es politische Maßnahmen, die weiter gehen als das aktuelle EU-Einwegplastik-Verbot. Es liegt aber auch an jedem einzelnen Konsumenten, seinen Plastikverbrauch kritisch zu hinterfragen und zu reduzieren. Das kannst du selber tun:

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