Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Städte dürfen Fahrverbote für Diesel-Autos verhängen, um Grenzwerte einzuhalten. Im Sommer könnten erste Verbote folgen.
Bereits vergangenen Donnerstag befasste sich das Bundesverwaltungsgericht damit, ob Städte prinzipiell Fahrverbote aussprechen dürfen oder nicht. Das auf den heutigen Tag verschobene Urteil stellt jetzt klar: Fahrverbote sind laut Vorsitzendem Richter grundsätzlich zulässig.
Damit gab das Gericht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) recht, die die Städte Stuttgart und Düsseldorf darauf verklagt hatte, ihre Pläne zur Luftreinhaltung zu verbessern. Kommunen dürfen in Zukunft eigenmächtig Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge erlassen – ohne eine einheitliche bundesweite Regelung und ohne Vorlage beim Europäischen Bundesgerichtshof. Allerdings müssten die Städte prüfen, ob ihre Luftreinhaltepläne verhältnismäßig seien.
Die Folgen des Urteils: Wo und wann drohen Diesel-Fahrverbote?
Die Luftqualität in vielen deutschen Städten ist zu schlecht – schon seit Monaten wird deswegen über mögliche Diesel-Fahrverbote diskutiert. Doch bisher fehlte eine eindeutige gesetzliche Grundlage nach deutschem Gesetz, um ein Fahrverbot anzuordnen. Das heutige Urteil räumt mit diesen Unklarheiten auf. Grundsätzlich sind damit Fahrverbote für alte Diesel-Fahrzeuge rechtmäßig.
Die Fahrverbote könnten für ältere Diesel-Motoren gelten, die die Abgasnorm 6 nicht erfüllen. Das Gericht selbst ordnet allerdings keine Fahrverbote an. Dies müssen die zuständigen Behörden schnellstmöglich selbst übernehmen. Dazu muss zunächst ein sogenannter „Luftreinhalteplan“ aufgestellt werden. Der muss dann umgesetzt werden – Fahrverbote dürften die Folge sein. Experten rechnen damit, dass einige Städte in den Sommermonaten entsprechende Fakten schaffen.
Welche Fahrzeuge betroffen sind und in welchen Städten die ersten Fahrverbote erteilt werden, ist noch nicht absehbar. Laut Süddeutscher Zeitung (SZ) sieht die Entscheidung der Richter Übergangsfristen vor. So seien etwa in Stuttgart Fahrverbote nicht vor dem 1. September möglich. Zudem solle es Ausnahmeregelungen gegen, etwa für Handwerker. Eine finanzielle Ausgleichspflicht gebe es nicht.
Diesel-Fahrverbot – Was steckt dahinter?
Die Luftverschmutzung ist in Deutschland ist vor allem in Großstädten hoch. Die Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub werden an vielbefahrenen Straßen häufiger überschritten, als eingehalten. Sogar die EU-Kommission hat bereits eine Rüge ausgesprochen, weil in Deutschland die Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft nicht eingehalten werden.
Betroffen sind 28 Gebiete, vor allem Ballungsräume wie München, Köln, Berlin und Hamburg. Jedes Jahr sterben in Europa etwa 400.000 Menschen vorzeitig an Erkrankungen, die durch die Luftverschmutzung verursacht werden.
- Dazu trägt der Stickoxid-Gehalt in der Luft bei. Er stammt zu ca. 40 Prozent aus dem Straßenverkehr, etwa 80 Prozent davon kommt allein von Diesel-Fahrzeugen (mehr zu den Schadstoffen).
- Schon seit 2010 gibt es in ganz Europa Grenzwerte für Stickoxid: im Mittel 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter.
- Die Grenzwerte werden aber stark überschritten: So wurde am Stuttgarter Neckartor 2016 im Durchschnitt 82 Mikrogramm gemessen.
Da ein Großteil der Stickoxide von Diesel-PKWs ausgestoßen werden, halten Umweltschützer ein Verbot von Diesel-Autos in den Innenstädten für sinnvoll. Die Deutsche Umwelthilfe klagte deshalb in mehreren Städten. Ein Urteil gab es beispielsweise in Stuttgart:
- Das Stuttgarter Verwaltungsgericht gab der Deutschen Umwelthilfe Recht und verlangte „schnellstmögliche Maßnahmen“ für eine bessere Luftreinhaltung.
- Dabei betonten die Richter in ihrem Urteil, dass ein Nachrüstplan zu den betroffenen Diesel-PKWs nicht ausreicht. Die Bundesregierung und die Autohersteller hatten sich auf eine Software-Nachrüstung geeinigt.
Der Deutschen Umwelthilfe geht das nicht weit genug. Sie fordert eine technische Nachrüstung: „Die Hersteller müssen alle Fahrzeuge technisch mit einer auch im Winter funktionierenden Abgasreinigung auf Harnstoffbasis nachrüsten“, sagen die Umweltschützer. Sonst seien Fahrverbote für alle Dieselfahrzeuge notwendig, die Grenzwerte überschreiten. Halten Diesel-Autos also nur auf dem Prüfstand Grenzwerte ein, nicht aber in der Praxis, sollte ihnen ein Fahrverbot drohen.
Welchen Diesel-Autos droht ein Fahrverbot?
Betroffen von den möglichen Fahrverboten sollen offenbar alle Diesel-Fahrzeuge sein, die nicht die Euro 6-Norm erfüllen, also Euro 5 und schlechter.
Allerdings: Auch normale Euro-6-Dieselfahrzeuge stoßen etwa sechsmal so viele Stickoxide aus wie erlaubt, erst die Norm Euro 6d Temp / Euro 6d wird das ändern. Fraglich in der Diskussion um Fahrverbote war bislang immer die Messung der Abgase: Denn viele Diesel-Fahrzeuge haben erkannt, wenn sie auf dem Prüfstand stehen. Dann schalteten sie die Abgasreinigung ein und hielten alle Grenzwerte ein. Im Alltag war die Abgasreinigung aber ausgeschaltet, sodass mehr Abgase als erlaubt in die Luft gegeben wurden.
Fahrverbot? Euro 4, Euro 5 und Euro 6
- Derzeit dürfen alle Autos mit einer grünen Plakette in die Innenstädte fahren, das bedeutet mit den Abgasnormen Euro 4, Euro 5 und Euro 6.
- Die meisten Diesel mit Euro 6 könnten laut Autoindustrie nach einem Software-Update die Grenzwerte einhalten. Ob das stimmt, müssen Tests erst noch belegen. Dann würde ihnen kein Fahrverbot drohen.
- Einige Diesel-Fahrzeuge mit der Euronorm 5 können auf die Euro 6 umgerüstet werden. Auch hier droht dann kein Fahrverbot. BMW und Audi haben die Umrüstung bereits angekündigt.
- Für die meisten Euro-4-Diesel geht das aber nicht ohne einen hohen Kostenaufwand. Auch noch ältere Diesel können nicht ohne hohe Kosten zu sauberen Diesel-Fahrzeugen umgerüstet werden.
Grenzwerte überschritten: Diese Städte sind betroffen
In Stuttgart, München und Düsseldorf haben die Richter bereits entschieden: Können bis 2018 die Grenzwerte für Stickoxide nicht eingehalten werden, droht ein Diesel-Fahrverbot. In weiteren 13 Städten laufen Klagen der Deutschen Umwelthilfe:
- Aachen
- Berlin
- Bonn
- Darmstadt
- Essen
- Frankfurt
- Gelsenkirchen
- Köln
- Limburg
- Mainz
- Offenbach
- Reutlingen
- Wiesbaden
In einigen dieser Städte gibt es bereits rechtskräftige Urteile der Verwaltungsgerichte. Sie verpflichten die zuständigen Behörden, bestehende Luftreinhaltepläne zu verbessern und mit neuen Maßnahmen die Grenzwerte einzuhalten. Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert aber, dass trotz dieser Gerichtsentscheidungen keine entsprechenden Maßnahmen beschlossen wurden.
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