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Kalorien zählen: Hilfreiche Strategie oder ungesunder Zwang?

Kalorien zählen
Foto: CC0 / Pixabay / Shutterbug75

Kalorien zu zählen gilt nach wie vor als hilfreiche Abnehmstrategie. Wie die Technik genau funktioniert, welche Vor- und Nachteile sie birgt und was die Wissenschaft dazu sagt, erfährst du hier.

Um abzunehmen müssen wir weniger Kalorien zu uns nehmen, als wir verbrauchen. Darin sind sich die meisten Wissenschaftler:innen einig. Für eine erfolgreiche Diät scheint es deshalb naheliegend zu sein, täglich Kalorien zu zählen. Besonders verlockend ist diese Strategie, da sie keine Lebensmittel ausschließt: So können wir auch täglich Chips, Schokolade, Softdrinks und Fertiggerichte konsumieren. Solange die Kalorienbilanz stimmt, schadet das nicht. Oder doch?

Kalorien zählen: Die Grundlagen

Die Einheit „Kilokalorien“ nutzen wir, um zu beschreiben, wie viel Energie unser Körper aus Lebensmitteln aufnimmt oder bei Aktivitäten verbraucht. Das sind nicht nur körperliche Tätigkeiten: Unser Organismus benötigt auch Energie, um unsere Organe am Laufen zu halten und aufgenommene Nahrung zu verdauen und zu verstoffwechseln. Wenn wir Kalorien aufnehmen, stammen diese aus einer Gruppe der drei Makronährstoffe: Fette, Proteine und Kohlenhydrate.

Nehmen wir über einen längeren Zeitraum weniger Kalorien zu uns, als wir verbrauchen, verlieren wir an Gewicht. Das erreichen wir, indem wir weniger essen und/oder körperlich aktiver sind. Nehmen wir langfristig täglich mehr Kalorien zu uns, als wir verbrauchen, speichert unser Körper die überschüssige Energie – vor allem als Fettzellen. Dann nehmen wir zu.

Um Kalorien zu zählen, kannst du mittlerweile auf eine Vielzahl an Tools zurückgreifen. So gibt es zahlreiche Apps, in die du genau eintragen kannst, was du wann am Tag gegessen hast. Besonders bekannt sind zum Beispiel Lifesum oder MyFitnessPal. Auf Online-Plattformen kannst du zudem recherchieren, wie viele Kalorien ein Produkt hat (zum Beispiel auf fddb.de). Apps und Fitnessuhren verraten dir, wie viele Kalorien du an einem Tag verbrannt hast. So kannst du besonders deinen Kalorienverbrauch ohne viel Aufwand im Blick behalten.

Kalorienzählen: Kalorie gleich Kalorie?

Je nachdem, aus welchen Lebensmitteln Kalorien stammen, haben sie unterschiedliche Auswirkungen auf unseren Körper.
Je nachdem, aus welchen Lebensmitteln Kalorien stammen, haben sie unterschiedliche Auswirkungen auf unseren Körper. (Foto: CC0 / Pixabay / Shutterbug75)

Das Problem: Der reine Fokus auf die Kalorienanzahl reicht in der Regel nicht aus. Das gilt insbesondere, wenn du nicht nur abnehmen, sondern dich auch gesund ernähren möchtest. Der Grundsatz „Kalorie ist gleich Kalorie“ geht nicht auf: So macht es einen Unterschied, ob du 100 Kilokalorien in Form eines Apfels, eines Donuts, einer Handvoll Nüsse oder eines Softdrinks zu dir nimmst:

  • 100 Kilokalorien aus Donut und Softdrink sind sogenannte „leere Kalorien“. Sie enthalten jede Menge Zucker (also schnell verdauliche Kohlenhydrate), aber keine oder nur wenige Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe. Deshalb sind sie auch nicht sehr sättigend.
  • Äpfel und Nüsse hingegen enthalten wichtige Mikronährstoffe und sind frei von Zusatzstoffen. Besonders die Nüsse machen dich dank der enthaltenen Ballaststoffe, gesunden Fettsäuren und des Eiweißgehaltes zudem schneller satt als zuckerhaltige Snacks.

Das heißt natürlich nicht, dass Süßigkeiten in Maßen nicht hin und wieder Teil unserer Ernährung sein können. Die Annahme, dass man auch mit Chips, Tiefkühlpizza und Schokoriegeln abnehmen kann, wenn man nur auf die Kalorien achtet, wird jedoch in der Regel nicht aufgehen. Das bestätigt ein Fachartikel aus dem Jahr 2014. Die Autor:innen rufen aus verschiedenen Gründen dazu auf eher darauf zu achten, WAS und nicht nur WIE VIEL wir essen:

  • Einige Personen meiden beim Kalorienzählen eher fett- und kalorienhaltige Nahrungsmittel. Dazu zählen jedoch auch gesunde Lebensmittel wie Nüsse, Samen oder pflanzliche Öle, die Übergewicht sogar vorbeugen können.
  • Herkömmliche Fertiggerichte, die hohe Mengen an Zucker und Stärke enthalten, begünstigen hingegen Heißhunger und damit Übergewicht – auch, wenn wir sie im Rahmen einer kalorienreduzierten Ernährung zu uns nehmen. Dies liegt nach Angabe der Forschenden daran, dass sie viele schnell verdauliche Kohlenhydrate beinhalten. Diese könnten eventuell die Ausschüttung bestimmter Hormone begünstigen, die für einen gesteigerten Appetit sorgen. Dann verursachen sie schnell nach ein paar Tagen Kaloriendefizit den sogenannten Jo-Jo-Effekt.
  • Zudem verbrennen wir nicht jeden Tag die gleiche Anzahl an Kalorien. Auch Apps und Fitnessuhren geben dafür nur Richtwerte vor. Es ist daher nicht sinnvoll, täglich die gleiche Kalorienanzahl zu sich nehmen zu wollen. Wieviel Energie unser Körper an einem bestimmten Tag braucht, gibt er uns vielmehr durch das Hunger- und Sättigungsgefühl zu verstehen.
  • Wenn wir Kalorien zählen, um abzunehmen, besteht das Risiko, dass wir zu wenig Kalorien konsumieren. Wir nehmen dann vielleicht kurzfristig ab, fühlen uns aber auch müde und antriebslos. Zudem fährt unser Stoffwechsel herunter. Das führt dazu, dass unser Körper Energie schneller in Form von Fettzellen einlagert. Kommt dann eine Heißhungerattacke, nehmen wir sogar noch schneller zu als vor der Diät. Das ist der Jo-Jo-Effekt.

Kalorienzählen: Das sind die Vorteile

Kalorien zählen kann uns dabei helfen, unsere Essgewohnheiten genauer kennen zu lernen.
Kalorien zählen kann uns dabei helfen, unsere Essgewohnheiten genauer kennen zu lernen. (Foto: CC0 / Pixabay / Einladung_zum_Essen)

Auch in der Wissenschaft ist Kalorien zählen ein kontroverses Thema: So betont die Ärztezeitung, dass bei Übergewicht Abnehmen vor allem durch eine negative Kalorienbilanz gelingt. Woraus diese Kalorien bestehen, sei zweitrangig. Auch einige Ernährungswissenschaftler:innen nennen Vorteile, die das Kalorienzählen mit sich bringt:

  • So kann es uns dabei helfen, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wieviel Energie bestimmte Lebensmittel beinhalten. Grade konventionelle Snacks, die wir oft unbewusst essen, sind sehr kalorienreich. Da sie aber kaum sättigen, spüren wir davon nicht viel. Das trifft auch auf Softdrinks zu.
  • Durch das Kalorienzählen achtest du stärker darauf, was, wann und wie du isst. Vielleicht entdeckst du beispielsweise, dass du mittags immer ein starkes Heißhungergefühl entwickelst, weil du morgens nicht genug isst.
  • In Zusammenhang mit einer gesunden Ernährung kann Kalorienzählen tatsächlich dazu führen, dass wir abnehmen. Dabei können wir die Technik auch nutzen, um zu garantieren, dass kein zu starkes Kaloriendefizit entsteht. So vermeiden wir, dass unser Stoffwechsel herunterfährt und Heißhungerattacken entstehen.

Beachte: Wie viele Kalorien du pro Tag verbauchst, hängt von deinem Alter, deinem Geschlecht und deinem täglichen Aktivitätslevel ab. Deshalb lassen sich keine pauschalen Angaben über den Kalorienverbrauch treffen. Mit Kalorienbedarfsrechnern, wie zum Beispiel auf der Website der TK, kannst du einen Orientierungswert ausrechnen. Gleiches gilt für dein ideales Kaloriendefizit. Auch dieses hängt von einer Reihe individueller Faktoren ab. Um sicherzugehen, lässt du dich dafür am besten von Ernährungswissenschaftler:innen persönlich beraten.

Wenn Kalorien zählen zum Zwang wird

Wenn es nicht mehr ohne geht, wird Kalorien zählen problematisch.
Wenn es nicht mehr ohne geht, wird Kalorien zählen problematisch. (Foto: CC0 / Pixabay / stevepb)

Wenn wir anfangen, Kalorien zu zählen, setzen wir uns besonders stark mit unserem Essen auseinander. Eventuell wiegen wir sogar alles ab, was wir zu uns nehmen. Das kann ein ungesundes Essverhalten fördern. So bestätigen verschiedene Studien (von 2017, 2018 und 2019) einen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Fitnesstrackern, Apps zum Kalorienzählen und dem permanenten Wiegen von Lebensmitteln und einem gestörten Essverhalten.

Besonders Menschen, die schon einmal an einer Essstörung gelitten haben, sollten die Strategie deshalb meiden oder nur unter ärztlicher oder therapeutischer Aufsicht durchführen.

Aber auch für alle anderen Personen kann Kalorienzählen gefährlich werden: Wir können leicht die Freude am Essen verlieren, wenn wir nicht mehr die Mahlzeit an sich, sondern nur noch ihre Kalorienzahl sehen. Wenn du dieses Verhalten an dir bemerkst, solltest du Abstand von der Diättechnik nehmen. Das gilt zum Beispiel auch, wenn du unruhig wirst, weil du bei Gerichten in Kantinen oder Restaurants nicht die genaue Kalorienanzahl weißt.

Lege dann Fitnesstracker, App und Waage beiseite und versuche, wieder intuitiver zu essen. So findest du zu deinem ursprünglichen Hunger- und Sättigungsgefühl zurück und entwickelst wieder Freude am Essen. Tipps dafür findest du hier: Intuitiv essen: Wie du beim Essen achtsamer wirst.

Fazit: Der Hype um die Kalorie

Kalorien zu zählen ist nicht grundsätzlich gut oder schlecht. Je nachdem, wie du es umsetzt, kann es dich bei einer gesunden Ernährungsweise unterstützen oder aber Heißhungerattacken, Übergewicht und sogar Essstörungen begünstigen.

Denke immer daran: Es geht nicht nur darum, wie viel, sondern was du isst. Und auch die Kalorienanzahl an sich ist immer nur ein ungefährer Schätzwert und nicht in Stein gemeißelt. Wenn du dich dazu entschließt, Kalorien zu zählen, solltest du deshalb dein Hungergefühl nicht vernachlässigen – genauso wenig wie deine mentale Gesundheit.

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