„Fresh handmade cosmetics“, frische handgemachte Kosmetik – das ist der Slogan der Kosmetikmarke Lush. Was steckt dahinter und wie gut ist die trendige Kosmetik wirklich? Wir haben uns Lush genauer angesehen.
Durchdringende Duftwolken, bunte Farben, Kosmetik präsentiert wie Gemüse auf dem Wochenmarkt: Lush weiß, wie man Läden auffällig gestaltet. Mit den Marketingversprechen rund um die Lush-Kosmetik ist es ähnlich: Ohne Tierversuche, ohne Verpackung, fair gehandelt, vegetarisch, frisch und handgemacht – das bleibt im Kopf. Kann die Marke halten, was sie verspricht?
Der Artikel in der Übersicht:
- Warum Lush keine Naturkosmetik ist
- Frische, handgemachte Kosmetik?
- Ist das Bio?
- Lush-Inhaltsstoffe
- Lush und das Palmöl
- „Ethischer Handel“?
- Lush-Kosmetik: vegetarisch und tierversuchsfrei
- Vorreiter beim Thema Unverpackt
- Lush als Arbeitgeber
Lush ist keine Naturkosmetik
Auch wenn mitunter der Eindruck entstehen mag: Lush ist keine Naturkosmetik-Marke.
Das heißt erstens: Es gibt keinen festgelegten Anteil an Inhaltsstoffen natürlichen oder gar biologischen Ursprungs. Im Gegensatz zu Naturkosmetik-Herstellern verwendet Lush auch synthetische Inhaltsstoffe.
Und zweitens: Der Kosmetikhersteller lässt seine Versprechen von keinem unabhängigen Zertifizierer überprüfen. Statt auf Siegel und Zertifizierungen setzt Lush auf eigene Richtlinien und Standards.
Zertifizierte Naturkosmetikhersteller müssen strenge Anforderungen erfüllen und werden regelmäßig kontrolliert – Siegel wie etwa BDIH, Natrue oder Cosmos garantieren, dass sich die Hersteller an festgelegte Nachhaltigkeitsstandards halten und die Verbraucher:innen sich auf die Qualität verlassen können.
Naturkosmetik ist Lush-Kosmetik also nicht – aber ist sie vielleicht trotzdem besser als herkömmliche Produkte?
Frische, handgemachte Kosmetik?
„All unsere Produkte werden frisch und von Hand hergestellt“,
verspricht Lush. Nach eigenen Angaben werden die Produkte „in Räumen hergestellt, die mehr an große Küchen als an Produktionshallen erinnern.“
Das Unternehmen arbeite mit frischen Zutaten und verarbeite nach eigener Aussage bevorzugt ganze Früchte und Gemüse. Die Kosmetika sind deshalb teils weniger lange haltbar als üblich, einige nur ein paar Wochen.
Allerdings setzt Lush nicht nur frische Zutaten ein: Neben pflanzlichen Inhaltsstoffen verwendet das Unternehmen auch „sichere synthetische Inhaltsstoffe“. Nicht alle dieser Stoffe gelten tatsächlich gemeinhin als sicher; einige stehen im Verdacht, gesundheitsgefährdend zu sein (s. unten). In Naturkosmetik sind sie größtenteils nicht zugelassen.
Lush: Ist das bio?
Lush wirbt mit hochwertigen, frischen Inhaltsstoffen und schreibt: „Wir kaufen nach Möglichkeit immer Bio-Rohstoffe.“ Auf Nachfrage sagt man uns, dass derzeit etwa 66 Prozent aller Inhaltsstoffe für den europäischen Markt natürlichen Ursprungs seien (zwischen Juli 2020 und Juni 2021). Dieser Prozentsatz variiere aber mit dem Sortiment. Davon wiederum stammten nur 19 Prozent aus biologischem Anbau.
In der Inhaltsstoffliste auf den Produkten bzw. im Onlineshop ist jeweils gekennzeichnet, welche Zutaten aus Bio-Anbau oder aus fairem Handel stammen.
Lush-Inhaltsstoffe: transparente Darstellung, problematische Stoffe
Lush ist der Überzeugung, „dass Kunden das Recht haben, genau zu erfahren, was in den Produkten steckt, die sie kaufen. Entsprechend sind die Inhaltsstoffe auf allen Produkten in mengenmäßig absteigender Reihenfolge aufgeführt.“ Die Angabe der Inhaltsstoffe in dieser Form ist nach der EU-Kosmetikverordnung vorgeschrieben (INCI) – ein besonderer Service ist das also erstmal nicht.
Allerdings ist die Angabe der Inhaltsstoffe auf den Produkten und im Onlineshop tatsächlich außergewöhnlich transparent, übersichtlich und leicht verständlich. Viele Zutaten sind dort nicht nur mit INCI-Bezeichnung vermerkt, sondern auch auf deutsch erklärt, und es wird farblich zwischen „natürlichen“ (grün) und „sicheren synthetischen“ (schwarz) Inhaltsstoffen unterschieden.
Allerdings: Die Verwendung einiger dieser synthetischen Inhaltsstoffe, etwa Parabene und Sodium Lauryl Sulfate, versucht Lush in ausschweifenden Erklärungen zu rechtfertigen; sie fußen aber vor allem in der Kritik an bestehenden Studien.
Sind die Produkte nun sicherer als die anderer Marken? Möglich. Allerdings: Zertifizierte Naturkosmetik-Hersteller zeigen längst, dass der Einsatz dieser umstrittenen Stoffe gar nicht notwendig ist, um effektive und sichere Pflegeprodukte herzustellen.
Mehr dazu: Die schlimmsten Inhaltsstoffe in Kosmetik
Synthetische Konservierungsstoffe und bedenkliche Duftstoffe
82 Prozent der Lush-Kosmetika sind laut Unternehmen frei von synthetischen Konservierungsstoffen. Das heißt im Umkehrschluss: Rund ein Fünftel der Kosmetika enthält noch synthetische Konservierungsstoffe.
Obwohl die Stoffe inzwischen weithin in der Kritik stehen, weil sie als hormonell wirksam gelten, verwendet Lush nach wie vor Parabene zur Konservierung. Die beiden eingesetzten Parabenverbindungen Methylparaben und Propylparaben werden unter anderem mit einer verfrühten Pubertät bei Jugendlichen in Verbindung gebracht. Der Lush-Onlineshop listet derzeit über 70 Produkte, die Methylparaben enthalten und rund 60 Produkte mit Propylparaben.
Neben umstrittenen Parabenen und Sodium Lauryl Sulfaten setzt Lush auch PEG/PEG-Derivate ein, welche im Verdacht stehen, die Haut durchlässiger für Schadstoffe zu machen.
Viele Produkte enthalten zudem Duftstoffe, die als potenziell allergieauslösend gelten, etwa den hoch allergenen Duftstoff Lilial (auf der Zutatenliste „Butylphenyl Methylpropional“). Öko-Test wertet Produkte, die Lilial enthalten, regelmäßig ab, weil der Duftstoff im Verdacht steht, die Fruchtbarkeit zu stören. Nach eigenen Angaben hat Lush nun darauf reagiert: Ab März 2022 sollen alle Produkte frei von Lilial sein.
Öko-Test kritisiert zudem die Verwendung des bedenklichen Duftstoffs Isoeugenol. Auch einige der Farbstoffe, die den Lush-Produkten ihre bunten Farben geben, gelten als problematisch.
In zertifizierter Naturkosmetik ist keiner dieser Inhaltsstoffe zugelassen.
Lush und das Palmöl
Sehr transparent geht Lush mit dem Thema Palmöl um. Nach eigenen Angaben setzt das Unternehmen heute kein reines Palmöl mehr ein. Aber: „Auch wenn wir kein Palmöl mehr direkt in unseren Produkten verwenden, enthalten einige unserer sicheren synthetischen Inhaltsstoffe Abkömmlinge von Palmöl, weil wir bislang einfach keine passenden Alternativen finden konnten“, heißt es auf einer Palmöl-Themenseite. Dort listet der Kosmetikhersteller auf, welche Inhaltsstoffe heute noch auf Palmöl basieren.
Mit dem Problem ist Lush nicht alleine: Auch Hersteller von Naturkosmetik und Öko-Reinigungsmitteln haben Schwierigkeiten, die Verwendung von Palmöl ganz auszuschließen: Viele Inhaltsstoffe, die sie zukaufen, sind heute (noch) gar nicht in ökologischer oder palmölfreier Qualität verfügbar. Und nicht immer ist es überhaupt möglich, herauszufinden, auf welcher Basis bestimmte Stoffe produziert wurden – auch, weil sich das immer wieder ändern kann.
„Ethischer Handel“ – ohne Zertifizierung
Lush bezieht nach eigenen Angaben Inhaltsstoffe aus „ethischem“ Handel und gibt an, möglichst viele Zutaten für die Kosmetika direkt von den Produzenten zu kaufen.
Das Unternehmen berücksichtige dabei eigene ethische und ökologische Standards und unterstütze Produzenten vor Ort. Das Lush-„Ethical Buying Team“ kontrolliere vor Ort auch unangekündigt die Produktionsbedingungen.
Der Anteil fair gehandelter Inhaltsstoffe ist allerdings gering: „Zwischen Juli 2020 und Juni 2021 waren insgesamt 9 Prozent unserer natürlichen Rohstoffe für den europäischen Markt aus fairem Handel“, schreibt uns eine Unternehmenssprecherin. Hinzu kämen einige fair gehandelte, aber nicht zertifizierte Zutaten.
„Ein Logo zu verwenden, das zeigt, dass jemand anders unsere Lieferketten überprüft hat, kann sinnvoll sein, aber wir überprüfen das lieber selbst“,
schreibt das Unternehmen auf seiner Website. Auch auf Nachfrage erklärt man uns, man wolle direkte Kommunikation mit den Herstellern, und die Zertifizierungsgebühren seien außerdem für viele kleine Zulieferer zu hoch. Für die Auswahl aller Lieferanten gelte aber die unternehmenseigene Einkaufsrichtlinie.
Damit kann Lush in der Theorie zwar durchaus die volle Kontrolle über seine Lieferkette haben und alles richtig machen – allerdings ist von außen auch kaum nachzuprüfen, wie „ethisch“ die Handelsbeziehungen tatsächlich sind.
Lush-Kosmetik: vegetarisch und tierversuchsfrei
Auf Ethik legt Lush auch in einem anderen Bereich Wert: Alle Lush-Produkte sind vegetarisch und aktuell 95 Prozent des regulären Sortiments sogar vegan.
Zudem ist der gesamte Produktionsprozess frei von Tierversuchen. Der Kosmetikhersteller verwendet ausschließlich Rohstoffe von Unternehmen, die nicht in Tierversuche involviert sind oder ihre Produkte an andere, in Tierversuche involvierte Unternehmen verkaufen.
„Es ist dabei unerheblich, ob ein Lieferant […] Produkte für andere Zwecke als den Kosmetikbereich, beispielsweise für die Verwendung in der Pharmazie, an Tieren hat testen lassen“,
schreibt uns ein Sprecher.
Zwar sind Tierversuche für Kosmetik in der EU schon seit 2013 verboten. Allerdings geht Lush mit dem Kooperationsverbot mit Unternehmen, die in Tierversuche involviert sind, einen Schritt weiter als die gesetzlichen Vorgaben. Zudem fördert das Unternehmen die Erforschung und Etablierung von tierversuchsfreien Testmethoden.
Mehr dazu: So erkennst du Kosmetik ohne Tierversuche
Vorreiter beim Thema Unverpackt
Auch wenn an anderer Stelle Kritik angebracht sein mag: Im Umgang mit Verpackungen macht Lush viel richtig.
Als eines der ersten Kosmetikunternehmen bietet Lush schon seit den 90ern Shampoos und Badekugeln in fester Form ganz ohne Verpackung an, inzwischen ist das Angebot an unverpackten Produkten riesig. Die festen Pflegeprodukte werden in den Lush-Läden lose angeboten, Seifenstücke kann man sich teils in der gewünschten Größe abschneiden lassen. Nach dem Kauf nimmt man die Waren in Recycling-Papiertütchen mit nach Hause.
Das Unternehmen entwickelt regelmäßig neue feste Produkte ohne Verpackung: Mittlerweile gibt es etwa auch Gesichtsöl, Lippenstift und Parfüm in fester Form.
Viele der verpackten Cremes, Lotions und Masken werden in kleinen schwarzen Platiktöpfchen angeboten – diese bestehen aus recyceltem PP, werden von Lush zurückgenommen und in einem geschlossenen Kreislauf wieder zu neuen Behältern recycelt.
Mehr lesen: Kosmetik nachfüllen statt wegwerfen: Diese Hersteller setzen auf Refill-Systeme
Arbeitsbedingungen bei Lush in der Kritik
Weniger vorbildlich sollen die Arbeitsbedingungen bei Lush sein: Ehemalige oder aktuelle Angestellte werfen Lush immer wieder vor, die Mitarbeiter:innen in den Läden auszubeuten, sie unter Druck zu setzen und zu aufdringlichen Verkaufsstrategien zu drängen. Auch Sexismus-Vorwürfe wurden bereits laut.
Lush kontert: Man habe einen Retail-Support eingerichtet, bei dem sich Mitarbeiter:innen melden können, wenn es Probleme gibt oder sie sich unwohl fühlen. Niemand werde gezwungen bei Kampagnen mitzumachen.
Ein weiterer Vorwurf: Angestellte, die ihre Verkaufsziele nicht erreichten oder die Unternehmenspolitik kritisierten, sollen angeblich gekündigt worden sein. Einige sprachen von Angst vor Überwachung durch den Arbeitgeber. Das berichtete unter anderem die Taz im August 2019.
Die Taz sprach außerdem mit zwei Personen, die in der deutschen Lush-Produktionsstätte in Düsseldorf arbeiten – ihre Aussagen veröffentlichte die Tageszeitung im Februar 2020. Die Arbeiter:innen berichteten, die Luft in der Fabrik sei wegen der ätherischen Öle, Glitzerpartikel und anderer Kosmetikzutaten staubig, was zu brennenden Nasenlöchern führe. Ein Gutachten, das der Taz vorliegt, zeigte, dass die Filteranlage im Werk keine Frischluft nutzt – sondern Luft aus einem Lagerraum, in dem Chemikalien lagern. Auch von Ohnmachtsanfällen, Pusteln und Ausschlägen berichtet die Tageszeitung.
Weitere berichtete Probleme in der Lush-Produktionsstätte: unpassende Schutzkleidung, keine ausreichende Sicherheitseinweisung und zu wenig Aufklärung über Arbeitnehmer:innenrechte. Lush selbst veröffentlicht die Sicherheitsmaßnahmen in der Düsseldorfer Fabrik online.
Fazit: Gutes Konzept – aber es geht besser
Grundsätzlich hat Lush ein interessantes Konzept: Verpackungen zu minimieren und Recycling-Materialien zu benutzen, auf Tierversuche zu verzichten, Palmöl zu reduzieren und überwiegend natürliche Inhaltsstoffe einzusetzen – all das sind begrüßenswerte und zukunftsweisende Schritte. Die Lush-Produkte sind damit nachhaltiger als viele andere auf dem Markt.
Dennoch sollte man sich nicht vom grünen Image täuschen lassen: Lush ist keine Naturkosmetik, setzt einige umstrittene Inhaltsstoffe ein und will seine Versprechungen nicht von unabhängigen Zertifizierungsstellen überprüfen lassen. Der Umgang mit den Mitarbeiter:innen und die Verkaufsstrategien scheinen zumindest fragwürdig.
Naturkosmetik-Firmen gehen da, zumindest was Inhaltsstoffe und Überprüfbarkeit angeht, heute schon einen Schritt weiter. Wir empfehlen daher, am besten zertifizierte Naturkosmetik zu verwenden – und dabei auf unnötige Produkte und Verpackungen zu verzichten.
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