Wasser filtern: Wie sinnvoll sind Wasserfilter von Brita & Co.? Von Victoria Scherff Kategorien: Ernährung Stand: 23. Juni 2022, 16:40 Uhr Fotos: Africa Studio, STUDIO GRAND WEB / stock.adobe.com Unser Trinkwasser ist von sehr guter Qualität: Leitungswasser gehört zu den am besten kontrollierten Lebensmitteln in Deutschland. Dennoch kaufen viele Menschen Wasser in Flaschen oder filtern ihr Leitungswasser. Auf welche Weise kann man Wasser filtern – und sind Wasserfilter überhaupt sinnvoll? Jede:r zwöfte Deutsche denkt, dass man Leitungswasser nicht bedenkenlos trinken kann. Jeder sechste ist von der Trinkwasserqualität nicht überzeugt. Die häufigsten Bedenken: Nitrat im Grundwasser, Blei in den Trinkwasserrohren, Rückstände von Hormonen oder von Pestiziden. Wasser filtern: Leitungswasser von sehr guter Qualität Dabei regelt die Trinkwasserverordnung, dass die Wasserwerke mögliche Schadstoffe aus dem Wasser herausfiltern und strenge Kontrollen durchführen müssen, bevor das Wasser durch unsere Leitungen und letztlich aus dem Hahn fließt. Trinkwasser gehört somit zu den am besten und strengsten kontrollierten Lebensmitteln in Deutschland. Im Trinkwasser befinden sich zwar bestimmte Mengen an Medikamentenrückständen – diese sind laut der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VBZ NRW) jedoch so gering, dass keine Gesundheitsgefahr besteht. Überhöhte Nitratwerte im Trinkwasser seien ebenfalls sehr selten. Stiftung Warentest konnte 2016 bei einem Test keinerlei Rückstände von Hormonen oder Pestiziden im Leitungswasser feststellen. Mehr zum Thema „Leitungswasser in Deutschland“ liest du hier: Die Trinkwasserverordnung garantiert also einwandfreies Wasser – jedoch nur bis zu unserem Hausanschluss. Einige kritische Stoffe wie Blei oder Kupfer können aus alten Rohrleitungen unter Umständen in das Trinkwasser gelangen. Bleirohre sind zwar selten, aber in Altbauten, die vor 1973 gebaut wurden, noch teilweise vorhanden. Sollte man also vorsichtshalber das Leitungswasser filtern? Hersteller von Wasserfiltern werben damit, das Leitungswasser von Schadstoffen, Kalk und Bakterien zu befreien. Wir haben uns drei Arten der Wasseraufbereitung genauer angesehen. Wasserfilter Aktivkohlefilter: Hohe Verkeimungsgefahr Filter mit Aktivkohle – gibt es als Tischfilter in Kannenform oder als Einbaufilter am Wasserhahn oder unter der Spüle – sind die wohl bekanntesten Wasserfilter (zum Beispiel von Brita). Sie können einige Stoffe wie Pflanzenbehandlungsmittel oder Medikamente aus dem Leitungswasser filtern. Andere Stoffe wie Blei, Nitrat oder Kalk bleiben jedoch im Leitungswasser. Und es gibt einige Kritikpunkte: Aktivkohle ist ein optimaler Nährboden für Mikroorganismen – ist der Filter länger nicht in Benutzung oder steht das Wasser im Behälter, können sich Keime darin vermehren. Bei Tests wurden im gefilterten Wasser schon Keimzahlen gemessen, welche die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung „um mehr als das Hundertfache überschritten“, berichtet das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Eine hohe Verkeimung von Wasserfiltern stellte 2018 auch eine Untersuchung der NDR-Sendung „Markt“ fest. Ist der Filter bereits verbraucht? Das können Verbraucher bei Tischfiltern wie Brita-Filtern nicht gut überprüfen. Ist der Filter jedoch erschöpft, kann es zu einem „Durchbruch“ kommen: Die gesammelten Stoffe werden dann konzentriert wieder ins Wasser abgegeben. Auch Stiftung Warentest kam 2022 zu einem ernüchternden Ergebnis: Keiner der acht getesteten Tischfilter (zwischen circa 13 bis 22 Euro) war empfehlenswert. Sie enttäuschten vor allem in ihrer Hauptfunktion: der Enthärtung des Leitungswassers. Nur kurzzeitig konnten sie das harte Wasser entkalken. Drei Produkte verkeimten bei Benutzung leicht und der teuerste Filter im Test gab deutliche Mengen eines Schadstoffes ab. Die Filter entpuppten sich somit eher als regelrechte Keimschleudern. Schon im Vorgängertest der Prüfer:innen von 2015 lautete das Fazit: „Frisch aus dem Hahn gezapftes Leitungswasser ist nicht nur günstiger als mit einem Tischfilter gefiltertes, sondern zum Teil auch sicherer.“ Dies gilt auch nach den Tests in 2022. Tisch-Wasserfilter wie die von Hersteller Brita sind beliebt. (Foto "On My Kitchen" von hatch.m unter CC BY 2.0 ) Wasser filtern mit Ionenaustauscher: Ebenfalls Verkeimungsgefahr Eine weitere Möglichkeit der Wasserfilterung bieten Ionenaustauscher. Bei diesem Prinzip werden Ionen gleicher Ladung ausgetauscht. So können zum Beispiel im harten Wasser positive Calcium- oder Magnesium-Ionen (Kalk) durch positiv geladene Natrium-Ionen ersetzt werden. Auch Blei und Nitrat können mit diesem Prinzip durch Natrium bzw. Chlorid-Ionen ersetzt und somit herausgefiltert werden. Ionenaustauscher-Anlagen können zentral angebracht werden und somit das Trinkwasser eines ganzen Hauses enthärten oder auch als Patronen in Tisch-Wasserfiltern zum Einsatz kommen. Ähnlich wie beim Aktivkohlefilter ist hier die Verkeimungsgefahr der Geräte hoch. Da die Anzeigen laut Verbraucherzentrale Hamburg nicht zuverlässig seien, wüssten Verbraucher nicht genau, wann der Austauscher wirklich voll ist, d.h. gewechselt werden muss. Ist dies jedoch der Fall, kann er die zurückgehaltenen Ionen plötzlich konzentriert ans Wasser abgeben. Die Verbraucherzentralen warnen daher in diesem Zusammenhang: „Ein Filter wiegt in falscher Sicherheit. Die Gefahr, unbemerkt eine geballte Ladung der Stoffe aufzunehmen ist groß, wenn der Filter voll ist. Auch Abkochen beseitigt Blei und Nitrat nicht.“ Hinzu kommt, dass die Filterpatronen nicht recyclebar sind und somit unnötigen Müll produzieren und Material verschwenden. Wasser filtern mit Membran-/Umkehrosmose-Verfahren: Reiner geht’s kaum Superreines Wasser erhält man mit dem Umkehrosmose-Verfahren. Mit Hilfe elektrischer Pumpen wird das Wasser bei diesem Verfahren durch eine in nur eine Richtung durchlässige Membran gepresst. Größere Stoffe wie Nitrat, Phosphat, Schwermetalle, chemische Stoffe zur Pflanzenbehandlung und Schädlingsbekämpfung, aber auch wichtige Mineralstoffe wie Calcium und Magnesium werden herausgefiltert. Dieses reine Wasser wird etwa in Laboratorien oder in der Raumfahrt genutzt – ist jedoch durch den Mineralienmangel wenig als Lebensmittel geeignet und kann auf lange Sicht zur Unterversorgung mit Mineralien führen (siehe Verbraucherzentralen). Negativ ist auch der große Aufwand: Um einen Liter gefiltertes Wasser zu gewinnen, müssen etwa drei Liter Leitungswasser gefiltert werden – außerdem ist die Membran ebenfalls anfällig für Verkeimung. Wasser aus der Leitung filtern oder nicht? (Foto: © verdateo - Fotolia.com) Statt zum Wasserfilter lieber zu Flaschenwasser greifen? Wer nun denkt, dass man mit abgefülltem Wasser in Flaschen auf der sicheren Seite ist, der liegt leider falsch. So ist Wasser aus Plastikflaschen häufig hormonell belastet, mögliche Ursachen dafür sind entweder die Wasserquelle, die Abfüllanlage oder das Plastikmaterial selbst. Wir haben mit einem Ökotoxikologen über die mögliche gesundheitliche Gefahr von Wasser in Plastikflaschen gesprochen. Stiftung Warentest kam 2016 in einer Untersuchung ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Leitungswasser gesünder ist als Mineralwasser. Demnach ist Wasserflaschenschleppen fast überall in Deutschland unnötig. Alle 28 Leitungswasser-Proben aus 13 Bundesländern entsprachen den strengen Vorgaben der Trinkwasserverordnung. Es wurden – entgegen der Vermutungen vieler Verbraucher:innen – weder Hormon-Rückstände noch Spuren vom Pestizid Glyphosat gefunden. Für Leitungswasser gelten zudem „deutlich mehr Vorschriften als für Mineralwasser: etwa Grenzwerte für Pestizide und Uran“, schreibt Stiftung Warentest. Und: „Mineralstoffe im Mineralwasser sind ein Mythos.“ 2019 und 2020 sowie 2022 schnitten Mineralwasser bei Stiftung Warentest und Öko-Test mit durchwachsenem Ergebnis ab. Einige der Produkte waren „sehr gut“ oder „gut“, es gab jedoch auch Ausreißer nach unten, die zum Beispiel Uran, Nitrat oder Pestizide aufwiesen. Wasser filtern oder kaufen ist unnötig: Leitungswasser schlägt Mineralwasser (Foto: © Utopia) Fazit: Wasserfilter sind eine „überflüssige Investition“ Fassen wir zusammen: Alle der vorgestellten Wasserfilter können schnell verkeimen, zudem filtern sie teils lebenswichtige Mineralstoffe heraus. Das macht Wasserfilter zu einer fragwürdigen Investition – denn eigentlich sollen sie doch die Wasserqualität verbessern und nicht verschlechtern. Auch die Verbraucherzentrale NRW kommt zu dem Schluss, dass Wasserfilter im Haushalt eine „meist überflüssige Investition“ sind. Sie würden den Verbraucher:innen zwar ein gutes Gefühl vermitteln, der Nutzen hingegen bliebe meist aus, sagt die Stiftung Warentest. Wer sich trotzdem Gedanken über die Qualität des eigenen Leitungswassers macht und über die Anschaffung eines teuren Filtersystems nachdenkt, sollte das Wasser vorher im Trinkwasserlabor untersuchen lassen. Bei den Berliner Wasserbetrieben beispielsweise kostet eine Blei-Analyse nur rund 16 Euro; Haushalte, in denen Schwangere und Säuglinge wohnen, bezahlen bei den Berliner Wasserbetrieben nichts. Wer Säuglinge zu Hause hat, sollte auch bei neuen Kupferrohren vorsichtig sein. Noch ungefähr ein halbes Jahr lang geben sie erhöhte Mengen Kupfer in das Wasser ab, was für Säuglinge gesundheitsschädlich sein kann. Übrigens ist jede:r Hausbesitzer:in verpflichtet, seinen Mieter:innen einwandfreies – also bleifreies – Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Wende dich also im Zweifelsfall an den/die Eigentümer:in. Einen Leitungswasser-Test kannst du auch selbst bei einem privaten Labor durchführen lassen, denen du eine Probe deines Wassers schickst. Solche Wassertests mit verschiedenen Schwerpunkten gibt es zum Beispiel auf wassertest-online.de** (ab ca. 40,- Euro). Mehr zum Testen von Leitungswasser liest du auch hier: Leitungswasser schlägt Filterwasser Wenn es trotz alledem ein Wasserfilter sein soll oder du bereits einen verwendest: Wasser im Tischfilter täglich wechseln, unbedingt die Kartusche regelmäßig austauschen, den Filter oft reinigen und ihn am besten im Kühlschrank aufbewahren. Eingebaute Anlagen sollten regelmäßig vom Profi gecheckt werden. Fazit: Leitungswasser ist ein gut kontrolliertes und gesundes Lebensmittel, daher ist die zusätzliche Filterung meist überflüssig – bei nachlässiger Pflege kann sich die Wasserqualität durch die Filter sogar verschlechtern. Das Wasser aus der Leitung liefert uns Mineralstoffe wie Calcium und Magnesium – und das zu einem unschlagbaren Preis. Tipps bei hartem Wasser: Lass das Wasser etwas laufen und zapfe es dann erst ab, somit schmeckt es am besten. Für Waschmaschinen kein Problem: Die meisten Waschmittel enthalten Enthärter. Wasserkocher und Kaffeemaschinen hin und wieder mit verdünntem Essig oder Zitronensäure entkalken, statt täglich Wasser zu filtern. Fliesen und Armaturen mit Essigwasser entkalken. Zu schätzen wissen: Hartes Wasser liefert lebenswichtiges Calcium und Magnesium. Ein Spritzer Zitrone hilft gegen Film auf dem Tee. Weiterlesen auf Utopia.de: Wasser in Plastikflaschen: Wie groß ist das Gesundheitsrisiko? Kann man Leitungswasser in Deutschland bedenkenlos trinken? Wasser trinken: So viel ist gesund ** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos. War dieser Artikel interessant? 620 121 Vielen Dank für deine Stimme! Verwandte Themen: Kaufberatung Wasser HOL DIR DEN UTOPIA NEWSLETTER Leave this field empty if you're human: