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Die wichtigsten Mikroplastik-Siegel: Das steckt hinter Flustix, Edeka, Aldi, dm und Rossmann

Mikroplastik-Siegel
Fotos: nd3000 / stock.adobe.com; Edeka, Rossman, flustix

Mikroplastik-Siegel sollen Verbraucher*innen eine Orientierung beim Einkaufen geben. Schon recht verbreitet sind Siegel auf mikroplastikfreien Drogerieartikeln bei Rossmann und Edeka, doch es gibt auch Plastikfrei-Siegel wie Flustix – und Naturkosmetik ist per se plastikfrei, oder? Utopia klärt die Details.

Wer die Umwelt schützen will, kauft ein Produkt ohne Mikroplastik. Speziell Rossmann, dm, Aldi und Edeka haben in den letzten Jahren auf immer mehr Drogerieartikeln ihrer Eigenmarken ein Mikroplastik-Siegel aufgedruckt. Neben den Unternehmen zeichnen auch Flustix und Naturkosmetik-Siegel Produkte ohne Mikroplastik aus.

Doch was sagen all diese Siegel wirklich aus?
Schon einiges – aber es gibt wichtige Unterschiede in den Details.

Was sagen Mikroplastik-Siegel aus?

Es gibt viele Diskussionen darüber, was genau zu Mikroplastik zählt und was nicht. Das zeigt sich auch bei den Mikroplastik-Siegeln:

  • Das Flustix-Siegel verbietet alle Arten von Kunststoff,
  • das Siegel von Edeka und Netto orientiert sich an der Definition vom BUND und
  • Rossmann definiert selbst, was Mikroplastik ist.
  • Was sie alle gemeinsam haben: Sie schließen feste, halbfeste und flüssige synthetische Polymere aus.

So weit, so gut. Doch das Fraunhofer-Institut erklärt, dass solche synthetischen Polymere zwar den Großteil, aber nicht alle Arten von Mikroplastik beinhalten. Der Grund: „Biobasierte Polymere könnten aber sehr wohl zum Einsatz kommen, unabhängig davon, ob sie eine leichte Bioabbaubarkeit besitzen“. Den Experten zufolge kann bestimmtes Bioplastik Jahrzehnte brauchen, bis es sich zersetzt hat (mehr zu Biokunststoff).

Der NaBu fordert deshalb, auch „biobasierte, schlecht abzubauende Polymere“ (Biokunststoffe) zu verbieten. Ähnlich argumentiert auch die Deutsche Umwelthilfe: Sie schreibt: „Bioplastik löst keine Abfallprobleme“ und warnt vor „Greenwashing durch Biokunststoffe“. Ein Verbot von Bioplastik gibt es bisher aber nur beim Mikroplastik-Siegel von Flustix.

Mikroplastik-Siegel von Flustix

flustix plastikfrei – Produktinhalt ohne Mikroplastik
flustix plastikfrei – Produktinhalt ohne Mikroplastik (Siegel © flustix)

Das Siegel flustix plastikfrei mit dem Zusatz „Produktinhalt ohne Mikroplastik“ ist das erste europaweite Mikroplastik-Siegel. Es zeichnet Produkte aus, die weder festes noch flüssiges Mikroplastik enthalten und schließt fast alle Arten von Kunststoffen aus. Die Prüfung sowie die Vergabe des Siegels übernehmen unabhängige Prüfinstitute. Außerdem gibt es regelmäßig unabhängige Nachprüfungen.

Die Zertifizierung erfolgt mit  akkreditierten Partnern auf Basis der bisher einzigen international angesehenen und befolgten Mikroplastikdefinition von ECHA (inkl. ISO/TR 21960:2020 Plastics – Environmental aspects – State of knowledge and methodologies). Diese bezieht sich auf feste, wasserunlösliche Kunststoffpartikel mit einer Größe von maximal 5 mm, bezogen auf die längste Dimension oder des Durchmessers der Kunststoffpartikel. Darunter fallen für flustix auch sogenanntes Bioplastik oder Biokunststoffe, gewonnen aus nachwachsenden Ressourcen. Flüssige und wasserlösliche Kunststoffe finden derzeit keine Berücksichtigung; in Anlehnung an die ECHA-Definition. Der Grund: Durch die aktuelle Analysetechnik sind die Bestandteile qualitativ und quantitativ nicht „analytisch verbindlich darstellbar“. Deshalb kann hier keine rechtsverbindliche Aussage getroffen werden.

  • Vergeben von: RAL gGmbH für Flustix GmbH
  • Prüfung: durch unabhängige Dritte (Prüflabor Wessling)
  • Kategorie: alle Produkte (bis auf wasserlösliche und flüssige Kunststoffe), z.B. Kosmetika, Körperpflegeartikel, Waschmittel, Reinigungsmittel bis zu Lebensmitteln
  • Beispiel-Produkte: Shea Butter von Balmyou, Reinigungstabs von Baula
  • Verbreitung: gering

Utopia-Fazit: Das Siegel flustix plastikfrei – Produktinhalt ohne Mikroplastik ist aus unserer Sicht das derzeit einzige Mikroplastik-Siegel, das tatsächlich alle Arten von Plastik ausschließt. Außerdem gibt es eine unabhängige Siegelvergabe und Prüfungen durch unabhängige Institute. Der einzige Haken: Das Siegel gibt es bisher nur auf sehr wenigen Produkten.

Mikroplastikfrei: Label von Edeka / Netto

Mikroplastikfrei-Label bei Edeka/Netto
Mikroplastikfrei-Label bei Edeka/Netto (Label © Edeka/Netto)

Auf rund 300 Produkten von Edeka- und Netto-Eigenmarken finden Kunden das Label „Mikroplastikfrei“. Bis Ende 2020 wollen die beiden Supermarktketten ihre gesamten Eigenmarken im Kosmetikbereich mikroplastikfrei machen. Damit wäre es das häufigste Mikroplastik-Siegel in Deutschland.

Edeka und Netto orientieren sich an der Mikroplastik-Definition des BUND. Sie umfasst synthetische Polymere (Kunststoffe) mit einer Größe von bis zu 5 Millimetern in fester Form, sowie in flüssigem und halbfestem Zustand.

Allerdings vergeben Edeka und Netto das Mikroplastik-Siegel selbst, ohne dass es unabhängige, regelmäßige Nachprüfungen gibt. Biobasierte Polymere sind zudem erlaubt – auch wenn sie biologisch nur schwer abbaubar sind. Eine bessere Ökobilanz als Mikroplastik auf Erdölbasis hat Bioplastik auch nicht, so die Deutsche Umwelthilfe.

  • Vergeben von: Edeka / Netto
  • Prüfung: Selbstzertifizierung
  • Kategorie: Hygiene-, Pflege- und Reinigungsprodukte
  • Beispiel-Produkte: Hautcreme von Elkos, Cremebäder von Pure & Basic
  • Verbreitung: hoch

Utopia-Fazit: Edeka und Netto tun etwas gegen Mikroplastik in ihren Produkten – gut und richtig! Ein unabhängiges Siegel ist „Mikroplastikfrei“ aber nicht. Es mangelt an unabhängigen Prüfungen und regelmäßigen Kontrollen durch Prüfinstitute. Auch bezieht sich das Siegel nur auf Mikroplastik auf Erdölbasis. Das ist zwar der Großteil, aber eben nicht alles.

Aldi-Siegel „frei von Mikroplastik“

Inzwischen verbannen auch Aldi Nord und Aldi Süd immer häufiger Mikroplastik aus ihren Produkten. Gemeint sind feste und flüssige synthetische Kunststoffe, die nicht biologisch abbaubar sind. Sie stecken zum Beispiel als Peeling in Pflegeprodukten. Die beiden Discounter haben inzwischen mehr als 180 Kosmetik- und Pflegeprodukte sowie Wasch- und Reinigungsmittel in ihrem Sortiment, die frei von Mikroplastik nach dieser Definition sind. Das entspricht etwa 60 Prozent der Kosmetikartikel. Bis 2022 wollen die beiden Unternehmen vollständig auf Mikroplastik in Kosmetikartikeln verzichten.

  • Vergeben von: Aldi
  • Prüfung: Selbstzertifizierung
  • Kategorie: Kosmetik- und Pflegeprodukte sowie Wasch- und Reinigungsmittel
  • Beispiel-Produkte: Biocura Body Milk, Ombia Pfirsich Duschgel, Tandil Vollwaschmittel
  • Verbreitung: hoch

Utopia-Fazit: Aldi – der größte Discounter und Lebensmittelhändler Deutschlands – verbannt Mikroplastik in Kosmetikartikeln. Das finden wir sehr gut. Allerdings kontrolliert niemand unabhängig das selbst erfundene Siegel, und unklar bleibt, welche Ersatzstoffe Aldi verwendet. Denn auch viele Biokunststoffe sind nicht oder nur schwer abbaubar, worauf unter anderem Öko-Test hinweist. Den Plastikverbrauch will Aldi außerdem senken, indem der Discounter Plastik-Obsttüten nicht mehr kostenlos anbietet. Kritiker werfen dem Unternehmen aber vor, dass dies wegen des geringen Effekts schon fast Greenwashing sei.

Aldi-Siegel „frei von Mikroplastik“
Aldi-Siegel „frei von Mikroplastik“ (Foto: Utopia)

Rossmann-Label „Rezeptur ohne Mikroplastik“

Rezeptur ohne Mikroplastik
Rezeptur ohne Mikroplastik (Label © Rossmann)

Die Drogeriekette Rossmann hat eine eigene Definition (die ROSSMANN-Definition), welche Stoffe sie zu Mikroplastik zählt und welche nicht.

Rossmann kündigte an, bis Ende 2019 rund 500 Produkte der Eigenmarke ISANA und rund 30 Produkte der Eigenmarke Babydream mit dem Mikroplastik-Label „Rezeptur OHNE Mikroplastik“ auszustatten. Eine unabhängige Siegelvergabe und regelmäßige Prüfungen durch Dritte fehlen aber.

  • Vergeben von: Rossmann
  • Prüfung: Selbstzertifizierung
  • Kategorie: Hygiene- und Pflegeprodukte
  • Beispiel-Produkte: ISANA Straffende Body Lotion, ISANA Cremedusche Orchidee & Vanille
  • Verbreitung: hoch

Utopia-Fazit: Rossmann hat schon früh festes Mikroplastik aus seinen Eigenmarken verbannt und nimmt sich jetzt auch halbfestes und flüssiges Mikroplastik vor. Das finden wir gut. Allerdings definiert Rossmann „Mikroplastik“ selbst. Genau genommen sind auch die Rossmann-Produkte nur frei von Erdöl-Mikroplastik und nicht von Biokunststoffen. Umstrittene Polymilchsäure (PLA) aus gentechnisch verändertem Mais, das sich in Gewässern erst nach vielen Jahren bis Jahrzehnten zersetzt, ist beispielsweise erlaubt.

dm-Siegel „Ohne Mikroplastik“

Inzwischen hat auch die Drogeriekette dm ein eigenes Mikroplastik-Siegel auf viele Eigenmarken gedruckt. Dabei bezieht sich dm nach eigenen Angaben auf die Mikroplastik-Beschreibung des Umweltbundesamtes: Demnach sind keine „festen, wasserunlöslichen Kunststoff-Mikropartikel, die fünf Millimeter und kleiner sind“, in den Produkten enthalten. Doch es gibt noch ein weiteres Kriterium. Denn oft enthalten Kosmetikprodukte auch wasserlösliche synthetische Polymere. Diese will dm in Zukunft aus den Rezepturen verbannen. Sind weder feste noch freie, rein synthetische Polymere in einem Produkt, erhält es das dm-Mikroplastik-Siegel. Über 80 Produkte aus den Reihen Balea und Balea MEN tragen bereits dieses Siegel, erklärt das Unternehmen.

Seit 2014 will dm schon bei allen (!) abwaschbaren Körper- und Zahnpflegeprodukten der Eigenmarken auf Mikroplastik verzichtet haben. Unabhängige Prüfungen und Kontrollen gibt es aber nicht. Die Kund*innen müssen dem Hersteller vertrauen.

dm-Siegel „Ohne Mikroplastik“
dm-Siegel „Ohne Mikroplastik“ (Label: © dm)
  • Vergeben von: dm
  • Prüfung: Selbstzertifizierung
  • Kategorie: Pflegeprodukte
  • Beispiel-Produkte: Balea MEN Duschgel fresh, Balea Teebaumöl Fußcreme, Shampoo Wondeful Repair, Balea Lippenpflege Intensiv
  • Verbreitung: hoch

Utopia-Fazit: dm hat bei vielen Rezepturen synthetisches Mikroplastik durch andere Stoffe ersetzt. Das ist ein richtiger Schritt in die Zukunft. Kund*innen sollten aber trotzdem kritisch bleiben, da die Ersatzstoffe oft nicht so gut sind, wie das Siegel suggeriert. Im Shampoo Wonderful Repair steckt zum Beispiel das biobasierte Polymer Polyquaternium. Codecheck rät dazu, den Stoff zu vermeiden und Greenpeace weist darauf hin, dass er biologisch schwer abbaubar ist. Abgesehen von den Umwelteigenschaften ist der Shampoo-Inhaltsstoff laut Codecheck auch „schlecht für die Haut“. Im mikroplastikfreien Lippenpflegestift von Balea steckt außerdem Palmöl (mehr zur Palmöl-Problematik). Diese Beispiele zeigen: Das Mikroplastik-Siegel zeigt Kund*innen zwar „bessere“ Produkte, doch Naturkosmetik ist immer noch die bessere Wahl. Hier sind beide genannten Stoffe nicht erlaubt.

Naturkosmetik-Siegel: nicht perfekt, aber gut

Wer auf Naturkosmetik setzt, kann viele Kunststoffe vermeiden, daher ist jedes Siegel für zertifizierte Naturkosmetik immer auch eine Art Mikroplastik-Siegel.

Doch perfekt sind auch Naturkosmetik-Siegel nicht nicht. Zum einen unterscheiden sich die Kriterien und Kontrollen der Naturkosmetik-Siegel stark voneinander, sodass sich zuweilen ein Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe (Anleitung: INCI-Liste lesen) und den Siegel-Guide lohnt.

Die Verbraucherzentrale erklärt außerdem: „Zertifizierte Naturkosmetik mit entsprechenden Siegeln ist frei von Mikroplastik auf Erdölbasis und anderen erdölbasierten Kunststoffen. Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wie Polymilchsäure (INCI: Polylactic Acid) sind in Naturkosmetik leider nicht verboten, obwohl auch diese unter Umweltbedingungen schwer abbaubar sind“.

Aber: Es gibt in der Regel nur wenige zertifizierte Naturkosmetikprodukte, die Inhaltsstoffe wie Polymilchsäure/PLA enthalten. So bleiben Naturkosmetik-Siegel wie BDIH, NaTrue, EcoCert  gute Hinweise auf Produkte ohne Mikroplastik. Im Zweifel kannst du unklare Inhaltsstoffe googeln oder dir den Stoff über die App Codecheck erklären lassen.

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