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Die ultimative Waffe gegen den Klimawandel? Geo-Engineering in der Kritik

Wolken-Radar
Foto: CC0 / Unsplash.com - Echo Grid

Geo-Engineering bedeutet, in großem Stil in die Klima-Kreisläufe der Erde einzugreifen. Einige sehen Geo-Engineering als ultimative Waffe gegen den Klimawandel, andere fürchten die Risiken. Die Politik tut beides. Was du dazu wissen solltest.

Die dringlichste Frage zurzeit lautet: Wie können wir die Klimaerwärmung verlangsamen? Die Zeit drängt, und Geo-Engineering verspricht schnelle Abkühlung. Es ist allerdings nur mit tiefen Eingriffen in die natürlichen Prozesse zu haben, muss einige dieser Prozesse sogar grundlegend verändern, um zu funktionieren. Nach vielen Jahrzehnten der Industrialisierung und des Konsums, die das Weltklima erwärmt haben, wäre Geo-Engineering der nächste große Eingriff des Menschen in seine Umwelt. Zahlreiche Ideen sind bereits im Umlauf. Nicht nur die Kosten sind hoch, auch die Chancen – und die Risiken.

Deswegen geht es zurzeit nicht nur darum, neue Geo-Engineering-Technologien zu entwickeln, sondern auch darum, deren mögliche Folgen abzuwägen. Schnell wird klar: Ohne exzellente Vorbereitung ist ein Eingriff ins Klima undenkbar. Wie diese Eingriffe aussehen könnten, stellen wir hier vor. Und fragen uns dabei: Können, dürfen, sollen diese Technologien zur Lösung des Klimaproblems beitragen?

Inhalt des Artikels:

  1. Geo-Engineering – ein Überblick
  2. Solar Radiation Management (SRM)
  3. Carbon Dioxide Removal (CDR)
  4. Geo-Engineering: Wie hoch sind Chancen und Risiken?

1. Geo-Engineering – ein Überblick

CO2-Emissionen
Geoengineering versucht, die Folgen des Klimawandels rückgängig zu machen. (Foto: CC0 / Pixabay / Pixource)

Geo-Engineering steht als Überbegriff für großangelegte, menschengemachte Veränderungen, die an unterschiedlichen Stellschrauben unseres Klimasystems ansetzen. Im Mittelpunkt stehen dabei biochemische und geochemische Kreisläufe, die sich auf die globale Durchschnittstemperatur der Erde auswirken. Während Biochemie sich auf chemische Vorgänge in Lebewesen bezieht (beispielsweise auf Bäume, die CO2 aufnehmen), beschreibt Geochemie entsprechende Prozesse im Boden oder in der Erdatmosphäre.

Wenn von Geo-Engineering die Rede ist, stehen zurzeit besonders zwei Technologiezweige im Vordergrund. Sie drehen an unterschiedlichen Schrauben: Solar Radiation Management (SRM, etwa: Lenkung von Sonnenstrahlen) soll einen Teil der Sonneneinstrahlung, der normalerweise auf der Erde ankommt, via Reflexion zurück ins All schicken. Carbon Dioxide Removal (CDR, Kohlenstoffdioxid-Entfernung) dagegen versucht, möglichst viel CO2 aus der Atmosphäre entfernen, genau so, wie es Bäume und Pflanzen bisher auf natürlichem Wege tun.

Weil CO2 ein Treibhausgas ist, das unter Sonneneinstrahlung dafür sorgt, dass sich die Erde erwärmt, versprechen beide Methoden eine Wirkung: Beim Solar Radiation Management kommt weniger Sonne in den Schichten der Atmosphäre an, in denen sich das CO2 befindet, sodass es weniger bestrahlt wird. Dadurch fällt der Treibhauseffekt geringer aus, was sich wieder positiv auf die Durchschnittstemperatur der Erde auswirkt. Gelingt es der Wissenschaft dagegen, einen Teil des Treibhausgases per Carbon Dioxide Removal (CDR) zu entfernen, spielt die Sonneneinstrahlung keine so wichtige Rolle, schließlich würden die schädlichen Treibhausgase dabei direkt beseitigt.

In der Wissenschaft diskutiert man über die Vor- und Nachteile der beiden sehr unterschiedlichen Technologien. Beide Methoden haben Anhänger und Gegner, und beide Felder werden von ernstzunehmenden Wissenschaftlern beforscht. Und, nicht zu vergessen, immer bereitwilliger von Wirtschaft und Politik finanziert, je dringlicher das Klimaproblem wird.

2. Solar Radiation Management (SRM): Die Sonne zurückschicken

Wolken
Reflektierende Partikel sollen in den Wolken ausgebracht werden, um das Sonnenlicht zurückzustrahlen. (Foto: CC0 / Unsplash.com / Alex Machado)

Die Idee hinter SRM – die Sonnenstrahlen zurückzuschicken oder abzulenken, bevor sie Schaden anrichten können – ist simpel. Aber wie könnte sie umgesetzt werden? Tatsächlich denken einige Forscher an große Spiegel, die so im All (!) installiert werden müssten, dass sie das Sonnenlicht von der Erdoberfläche und unserer Atmosphäre weglenken.

Statt gigantischer Weltraumspiegel könnte man aber auch auf etwas zurückgreifen, das nicht nur naheliegender ist, sondern ohnehin schon in der Luft schwebt: Wolken. Auch sie reflektieren Sonnenlicht. Das Marine Cloud Brightening Project (MCBP) beschäftigt sich beispielsweise damit, das sogenannte Albedo, die Rückstrahlkraft der Erde und ihrer Atmosphäre, zu erhöhen. Kleine reflektierende Partikel, mit denen man Wolken anreichert, können dazu beitragen. Ingenieure und Wissenschaftler aus England und den USA bilden derzeit den Kern des MCBP. Sie sind optimistisch, dass ihre Methode Erfolg haben könnte, wenn auch nicht naiv. Aus technischer Sicht geht man derzeit davon aus, dass die Methode in etwa 15 Jahren einsatzbereit sein könnte und eine mehr oder weniger sofortige Wirkung auf die globale Durchschnittstemperatur entfalten würde.

Technik könnte in 15 Jahren einsatzbereit sein

Ein Naturphänomen bewies schon 1991, dass das möglich ist: die Explosion des Pinatubo in den Philippinen. Der Vulkan beförderte damals 20 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre. Was danach geschah? Die lokale Temperatur sank um 0,5 °C, und das über einen Zeitraum von 1,5 Jahren! Die Schwefeldioxid-Wolke, die der Vulkan ausgestoßen hatte, war so mächtig, dass die ortsübliche Portion Sonne nicht mehr durch die Stratosphäre drang.

Um diesen natürlichen Abkühlungseffekt zu reproduzieren, überlegen Forscher, die nützlichen reflektierenden Partikel von besonders hoch fliegenden Flugzeugen aus verteilen zu lassen, um sie dort zu positionieren, wo sie am besten wirken. Ein Team der Harvard University experimentiert dabei mit Calciumcarbonat, das sich weniger schnell erwärmt und geringere Wechselwirkungen mit der Ozonschicht aufweist.

Natürlich steht die Methode auch unter Kritik: Gegner bemängeln, dass das Kernproblem, nämlich der CO2-Ausstoß, damit nicht angegangen werde. Auch der CO2-Belastung der Meere würde so nicht Einhalt geboten, was deren Übersäuerung vorantreibt. Unklar sind auch die Risiken der Technik: Die Wirkung einer plötzlichen Abkühlung der Atmosphäre auf die Ökosysteme rund um den Planeten ist weitgehend unklar. Das ist nicht nur für Tiere und Pflanzen kritisch, sondern auch für uns, die wir von funktionierenden Ökosystemen abhängig sind, nicht zuletzt, um unsere Ernährung zu sichern. Mit unerwünschten ökologischen Auswirkungen könnten gleichzeitig schwer kalkulierbare Aufgaben für die Lokal- und Weltpolitik erwachsen.

3. Carbon Dioxide Removal (CDM): Kohlenstoff aus der Luft holen

Nadelwälder sorgen eher für eine Bodenversauerung.
Eine Möglichkeit, CO2 aus der Luft zu holen, ist eine großflächige Aufforstung. (Foto: CC0 / Pixabay / felix_w)

Wäre es nicht schön, man könnte nach Belieben Auto fahren und hätte dabei auch noch das Gefühl, der Welt etwas Gutes zu tun? Nun, das wird auch dann nicht passieren, wenn Carbon-Dioxide-Removal-Technologien weiter Fortschritte machen. Es ist immer noch besser, CO2 gar nicht erst zu produzieren, als es hinterher unter großem Aufwand wieder einfangen zu müssen. Der globale CO2-Haushalt könnte dennoch von der Einmischung durch Carbon Dioxide Removal profitieren. Ein veränderter CO2-Kreislauf soll Kohlenstoffdioxid nahezu unschädlich machen und dem Klimawandel so etwas entgegensetzen: Ist das CO2 erst einmal aus der Luft gefiltert, kann es nämlich mit Wasserstoff kombiniert zu Treibstoff verarbeitet werden.

Eine Gruppe kanadischer Ingenieure und Wissenschaftler setzt sich damit in Squamish, nördlich von Vancouver, auseinander und zieht immer mehr Aufmerksamkeit auf sich. Die Regierung von British Columbia unterstützt das Projekt mittlerweile, außerdem Bill Gates und sogar die Ölindustrie. Für die Umwandlung des CO2 in Treibstoff ist wiederum Energie nötig, diese soll aus erneuerbaren Energien wie Sonnenlicht oder Windkraft gewonnen werden. Das Gemisch soll in Form von Pellets zu transportfähigem Treibstoff werden und damit den Kreislauf aus Kraftstoffverbrauch und Kraftstofferzeugung nahezu schließen. Heute ist man in Squamish bereits in der Lage, eine Tonne CO2 am Tag zu ‘verwandeln’; ein Großprojekt in Texas möchte das bald übertreffen und 500.000 Tonnen CO2 am Tag umsetzen. Investor ist Occidental Petroleum.

Um CO2 klimawirksam zu binden, wäre eine gigantische Aufforstung nötig

Carbon Dioxide Removal ist die deutlich teurere Variante des Geo-Engineering, einige Forscher stufen es dafür aber als sicherer ein. Durch die CO2-Reduzierung würde der Treibhauseffekt gesenkt, die Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche bliebe aber unverändert, weshalb zumindest keine negativen Effekte auf Flora und Fauna zu erwarten sind.

Um CO2 einzufangen, ist theoretisch auch keine futuristische Spitzentechnologie vonnöten, wie sie in Squamish entwickelt wird. Der natürlichste Weg, um mehr CO2 zu binden, wäre die Aufforstung. Der Weltklimarat IPCC führt allerdings ins Feld, dass die gewünschte Wirkung nur erzielt werden kann, wenn für eine solche Aufforstung einige Millionen Quadratkilometer (!) Fläche genutzt werden, die heute der Landwirtschaft dienen. Das dürfte allerdings nicht ohne Konflikte möglich sein.

Eine weitere Methode, dem CO2 aus der Luft Herr zu werden, heißt BECCS (Bio-energy with carbon capture and storage, etwa: Bioenergie und CO2-Speicherung). Dabei werden Bäume, die von Natur aus CO2 gespeichert haben, verbrannt, wodurch Strom erzeugt oder Biotreibstoffe gewonnen werden. Das CO2, das durch die Verbrennung freigesetzt wird, soll gespeichert werden, bevor es in die Atmosphäre gelangen kann. Damit wird das CO2, das zuvor im Baum gespeichert war, der Atmosphäre dauerhaft entzogen und kann so keinen Schaden anrichten.

Ungeklärt ist aber, was mit dem gespeicherten CO2 passieren soll: Ähnlich wie mit Atommüll, der weder verwittert noch sich verteilen soll, wirft diese Idee Fragen nach der Verteilung auf. Nicht jedes Land hätte die Möglichkeit, unendlich viel CO2 einzulagern.

4. Geo-Engineering: Wie hoch sind Chancen und Risiken?

Windraeder
Wenn der Mensch sich in die Natur einmischt, können die Änderungen spürbar sein. (Foto: CC0 / Unsplash / Jason Blackeye)

Dass der Mensch in seine natürliche Umgebung eingreift und diese manipuliert, ist nichts Neues, sondern eine Konstante in der Menschheitsgeschichte. Bisher allerdings waren die Folgen, wie die Erwärmung des Klimas, eher unbeabsichtigt und zeigten sich erst nach Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten. Die Anwendung von Geo-Engineering dagegen wäre ein schnellerer, gezielter Eingriff in die natürlichen Zusammenhänge. Noch dazu ein Eingriff, den man bisher nur sehr begrenzt ausprobieren kann, und dessen Folgen nur schwer einzuschätzen sind.

Gegner, Kritiker und Wissenschaftler warnen vor allem zwei Aspekten: Vor Auswirkungen, die weder lokal begrenzt sind noch genau berechnet werden können. Und davor, dass der plötzliche Ausfall einer erfolgreichen Geo-Engineering-Technologie, wäre sie erst einmal im Einsatz, drastische Folgen hätte: Es würde sofort wieder wärmer, ohne dass sich Ökosysteme und menschliche Zivilisation darauf vorbereiten könnten. Die Folgen kann man nur erahnen, und das eher ungern.

Darüber hinaus steht zur Debatte, ob Menschen zu leichtsinnig mit ihrem CO2-Ausstoß umgehen könnten, wenn sie sich in dem Glauben wiegen, dass es ja scheinbar eine technische Lösung für das Klimaproblem gibt. Auch hier wird spürbar, wie viel bedacht werden muss: Entscheidungsträger müssten an einem Strang ziehen, ganze Gesellschaften müssten informiert und aufgeklärt werden. Und das überall.

Geo-Engineering als Baustein im Kampf gegen den Klimawandel

Das Ziel, die globale Erwärmung nicht über 1,5 °C ansteigen zu lassen, scheint immer schwerer zu erreichen. Vor diesem Hintergrund hat der Weltklimarat IPCC im Jahr 2014 zum ersten Mal angemerkt, dass das umstrittene Thema Geo-Engineering – insbesondere Carbon Dioxide Removal – ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Klimawandel sein könnte. Die Diskussion über Modellierung und Anwendung sorgt für reichlich Gesprächsstoff in NGOs, Wissenschaft und Politik.

Ein Forscher wie Olaf Corry, der sich mit internationaler Politik im Klimawandel, Umwelt-Management und Risiko-Kalkulation beschäftigt, betont, wie viele Aspekte bei Geo-Engineering zu bedenken sind: Interessenvertreter wie Gesellschaft, Politik, Wirtschaftszweige und beteiligte Firmenvertreter müssten sich auf bestimmte Maßnahmen einigen. Darauf, wer die Kosten trägt. Welche Zieltemperatur global erreicht werden soll. Corry stellt sich weiter die Frage nach den Risiken. Wer würde die Verantwortung für Konsequenzen tragen, wenn eine Technik nicht hält, was sie verspricht? Wenn sie gar negative Folgen hat? Die Aufgabe ist gewaltig.Olaf Corry rät dazu, sich vor allem auf die technische Seite des Themas zu konzentrieren, um die Folgen einer Anwendung so genau wie möglich vorhersehen zu können.

Auch wenn Ausgestaltung, Risiken und Folgen heute noch kaum abschätzbar sind und diese Unsicherheit zu Recht auf Kritik stößt: Daran, dass Geoengineering in der einen oder anderen Form kommen wird, kann kaum Zweifel bestehen. Wir können nur hoffen, dass die Risiken vorher so weit wie möglich minimiert werden.

Die Bewältigung des Klimawandel ist die wichtigste Aufgabe des 21. Jahrhunderts. Und es sollte uns die Möglichkeit, dass das Klima in Zukunft per Geoengineering beeinflusst wird, auf keinen Fall davon abhalten, heute schon im Rahmen unserer Möglichkeiten gegen die Klimakrise zu kämpfen: Klimaschutz: 15 Tipps gegen den Klimawandel, die jeder kann.

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