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Heizen mit Wasserstoff „wie Duschen mit Champagner“

Verbände kritisieren: Wasserstoff ist fürs Heizen eine Scheinlösung
Foto: © Bernd Weißbrod/dpa

In einem offenen Brief warnen Umweltschutzorganisationen eindringlich davor, Wasserstoff zum Heizen einzusetzen. Der Brief fordert die deutschen Bürgermeister:innen auf, bei der kommunalen Wärmeplanung auf klimafreundlichere Alternativen zu setzen.

Die deutschen Kommunen müssen eine sogenannte kommunale Wärmeplanung aufstellen. Sie ist gekoppelt an das Gebäudeenergiegesetz und seit Januar 2024 Pflicht. Die Städte müssen also einen Plan entwickeln, wie, wo und wann es in Zukunft Wärmenetze geben soll, welche die Haushalte mit Heizwärme versorgen. Dafür haben größere Orte bis Sommer 2026 Zeit, kleinere bis 2028. Wichtig ist das, weil viele Hausbesitzer:innen Sicherheit brauchen, ob sie ihre Gas- oder Ölheizung austauschen müssen – oder sich sowieso früher oder später ans Fernwärmenetz anschließen lassen können.

Genau wie beim Gebäudeenergiegesetz spielen auch beim Aus- und Aufbau der Wärmenetze die erneuerbaren Energien eine entscheidende Rolle. Die Heizwärme in neuen Wärmenetzen muss laut Gesetz ab 2025 zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien erzeugt werden, ab 2045 müssen es 100 Prozent sein.

„Wasserstoff stellt eine Kostenfalle dar“

Grundsätzlich gilt bei der kommunalen Wärmeplanung „Technologieoffenheit“. Ob Fernwärme etwa aus der Verbrennung von Biomasse, aus Geothermie, Abwärme oder Wasserstoff entsteht, ist rein rechtlich erst einmal egal.

Diesen Umstand nutzen vor allem Gasversorger, um für den Ausbau von Wasserstoffnetzen zum Heizen zu werben, kritisiert ein breiter Zusammenschluss von Umwelt- und Klimaschutzorganisationen. Sie wenden sich in einem offenen Brief an die rund 10.000 Kommunen in Deutschland. Der Aufruf: „Wasserstoff nicht verheizen!“

„Wasserstoff ist ineffizient, voraussichtlich kaum verfügbar und wird dementsprechend mittel- und langfristig teuer bleiben. Wasserstoff in der kommunalen Wärmeplanung stellt somit eine Kostenfalle für Kommunen und ihre Bürger:innen dar. Außerdem gefährdet Wasserstoff in der Wärmeplanung die nationalen Klimaziele.“

Gemeinsamer Aufruf: Achtung, Kostenfalle Wasserstoff!

Die Unterzeichner:innen – darunter Greenpeace, der BUND, das Umweltinstitut, die Deutsche Umwelthilfe und der WWF – berufen sich auf eine Vielzahl an Studien. Laut denen sind „Wasserstoffheizungen für den dezentralen Einsatz in der Gebäudewärme nicht geeignet […], da diese vier- bis sechsmal so viel Energie zum Heizen verbrauchen wie handelsübliche Wärmepumpen.“

Würde Wasserstoff zum Beheizen von Haushalten eingesetzt, drohten den Bürger:innen damit hohe Kosten. Der Brief zitiert die Ökonomin und Energieexpertin Claudia Kemfert: „Heizen mit Wasserstoff ist wie Duschen mit Champagner.“

Wasserstoff für den Klimaschutz eine Scheinlösung

Zudem warnt das Schreiben vor „erheblichen Unsicherheiten“, was den Aufbau von Wasserstoffnetzen angeht. Das untermauert eine neue Recherche des Netzwerks Correctiv, welche zeigt, dass es mit der „Wasserstofffähigkeit“ der deutschen Kraftwerke und Infrastruktur noch nicht so weit her ist, wie oft suggeriert wird.

Wärmenetze dürften, folgern Greenpeace & Co. in ihrem Aufruf, nicht hauptsächlich auf Wasserstoff basieren. Denn: Wo damit geplant wird, die entsprechende Infrastruktur aber bislang nicht steht, laufen fossile Anlagen unter Umständen noch lange Zeit weiter – und gefährden die Klimaziele. Darauf setzt die Gasindustrie, die so womöglich noch jahrzehntelang Gas verkaufen und anschließend an Wasserstoff verdienen kann.

Der Gasindustrie geht es also um die Sicherung ihres Geschäftsmodells. Demgegenüber steht der Klimaschutz und die Interessen der Verbraucher:innen sowie der lokalen Energieversorger, da diese das wirtschaftliche Risiko fehlgeleiteter Wasserstoffplanungen tragen.

Gemeinsamer Aufruf: Achtung, Kostenfalle Wasserstoff!

„Schützen Sie Ihre Bürger:innen“

Die Umweltverbände und Aktivist:innen wenden sich direkt an die Bürgermeister:innen der deutschen Kommunen: „Unsere Bitte an Sie: Schützen Sie Ihre Bürger:innen vor Ort und setzen Sie auf tatsächlich klimaschützende und sozialverträgliche Technologien!“

Während Wasserstoff für die Industrie sinnvoll sein könne, sei er fürs Heizen eine Scheinlösung; allenfalls mittels erneuerbarer Energien erzeugter grüner Wasserstoff könne zur Abdeckung der Spitzenlast dienen, „wenn keine bessere Option verfügbar ist“. Ähnlich haben sich bereits in der Vergangenheit zahlreiche Verbände und Fachleute geäußert.

Auch gegen den breiten Einsatz von Biomasse und Biogas spricht sich der aktuelle offene Brief aus, denn auch diese Optionen sind weder klimaneutral noch nachhaltig. Bleiben also Geothermie, Wind und Solar – die echten Erneuerbaren.

Verwendete Quellen: Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Offener Brief: Gemeinsamer Aufruf: Achtung, Kostenfalle Wasserstoff!, Correctiv, Zeit Online

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