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„In dieser krassen Form noch nicht erlebt“: Aktivisten schleusen sich in Mastbetrieb ein

Foto: Screenshot Aninova

Zwei Aktivisten geben sich als Mitarbeiter in einem deutschen Hähnchenmastbetrieb aus. Ihre Aufnahmen spielten sie der Tierrechtsorganisation Aninova zu. Das Videomaterial zeigt illegale Tötungsmethoden. Inzwischen ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft.

Inhaltswarnung: In diesem Artikel geht es um Tierleid, das explizit beschrieben wird.

Es sind Aufnahmen aus einem konventionellen deutschen Hähnchenmastbetrieb, die sich in das Gedächtnis einbrennen: Eine Frau hält ein junges Tier in ihren Händen, es zappelt, bis die Zange zum Einsatz kommt. Mit ihr schlägt sie dem Tier auf den Nacken. Hat die Frau die Zange nicht parat, bricht sie den Hähnchen an einem Eimerbügel das Genick – oder packt die Tiere am Hals und wirbelt sie umher, bis sie angeblich sterben.

„So kann man es machen, oder wie?“, wird die Mitarbeiterin gefragt. „Dürfen wir aber nicht“, gibt sie zu.

Die Aufnahmen der sogenannten Nottötungen kranker oder geschwächter Tiere stammen von zwei Undercover-Aktivisten, die sich als Mitarbeiter in einen thüringischen Hähnchenmastbetrieb einschleusten. Er war für die niedersächsische Sprehe-Gruppe – zu der auch die Frischgeflügelfirma Astenhof gehört – tätig. Laut Taz entstand das Videomaterial im Frühjahr 2019 sowie im Juni 2023. Demnach spielten die beiden Aktivisten ihre Clips der Tierrechtsorganisation Aninova zu, die das Leid der Tiere nun öffentlich gemacht hat.

Der Organisation zufolge werden jedes Jahr rund zehn Millionen Tiere in dem Betrieb gemästet. Dabei kommt es offenbar nicht nur zu illegalen Tötungsmethoden. Auch der Einsatz von Antibiotika, so legen es die Aufnahmen nahe, ist problematisch.

Aninova: „Das ist schon gewaltig“

In einer Sequenz fragt der als Mitarbeiter getarnte Aktivist, ob es erlaubt sei, den Tieren diese Medikamente zu verabreichen. Die Angestellte verneint. Eigentlich müsste sie dafür einen Lehrgang absolvieren, erklärt die Frau. Der zuständige Tierarzt wüsste, dass der Betrieb die Antibiotika selbst ansetzt.

Jan Peifer von Aninova erklärt gegenüber der Taz, dass er schockiert über die Aufnahmen sei. „Das ist schon gewaltig. In dieser krassen Form habe ich das noch nicht erlebt.“ Für Peifer steht fest: Die Mitarbeiter:innen „wussten genau, dass das falsch ist.“ Es sei ihnen egal gewesen.

Einer der Undercover-Aktivisten erklärt im veröffentlichten Aninova-Video, dass die Beschäftigten vermutlich abstumpfen müssen, um diese Art der Arbeit erledigen zu können.

Ein Mastbetrieb, der von der Initiative Tierwohl zertifiziert wurde

Verbraucher:innen, so beschreibt es die Tierrechtsorganisation, werde dennoch eine ordnungsgemäße Haltung der Hähnchen vorgegaukelt. Schließlich sei der Betrieb, in dem die Tierquälerei stattgefunden haben soll, von der Initiative Tierwohl zertifiziert. Mit ihrem Logo werden Fleischprodukte beworben.

Hähnchen aus dem thüringischen Mastbetrieb landeten unter anderem bei Penny und Rewe. In Reaktion auf die Aninova-Vorwürfe beziehe man inzwischen kein Fleisch mehr von dort, erklärten die Supermärkte gegenüber der Taz. Demnach soll auch die Initiative Tierwohl den Mastbetrieb für Lieferungen gesperrt haben. Es ist nicht das erste Mal, dass einer der von ihr zertifizierten Betriebe in der Kritik steht.

Die Frischgeflügelfirma Astenhof, die das Fleisch aus dem problematischen Mastbetrieb bezog, beteuerte gegenüber der Taz, dass das „Wohlergehen der Tiere“ zur „Unternehmenskultur“ gehöre. Und, dass die im Video erkennbaren Mitarbeiter:innen, die „tierschutzwidrige Nottötungen ohne Betäubung vorgenommen haben“, nicht mehr in besagtem Betrieb beschäftigt seien.

Astenhof reagiert auf die Vorwürfe

Gleichzeitig wirft Astenhof den zwei Undercover-Aktivisten vor, Tierleid mitverursacht zu haben, da nach den ersten Beobachtungen 2019 nicht umgehend die Betriebsleitung sowie das Veterinäramt informiert wurden. Laut Peifer habe der Aktivist seine Aufnahmen aus Angst vor „juristischen Konsequenzen“ so lange zurückgehalten.

Wie die Taz schreibt, hat die Tierrechtsorganisation Aninova Mitte August Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Gera gestellt – wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Die Anzeige wird durch ein veterinärmedizinisches Gutachten gestützt. Auch die Verantwortlichkeit des zuständigen Tierarztes gilt es dem Bericht zufolge zu prüfen. Nun ermitteln die Staatsanwaltschaft und Polizei.

Quellen: Aninova, Taz

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