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Klimageld bis 4000 Euro brutto: SPD-Plan gegen Inflation stößt auf Widerstand

Bundesbürger:innen mit einem Einkommen bis 4000 Euro brutto im Monat sollen nach dem Willen von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) künftig ein „soziales Klimageld“ erhalten.
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Preise für Energie und Lebensmittel steigen, ein Ende ist aktuell nicht in Sicht. Sozialminister Hubertus Heil (SPD) prescht nun mit konkreten Entlastungsvorschlägen vor – und erntet gemischte Reaktionen.

Bundesbürger:innen mit einem Einkommen bis 4000 Euro brutto im Monat sollen nach dem Willen von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) künftig ein „soziales Klimageld“ erhalten. Die Auszahlung soll möglichst ab 2023 einmal pro Jahr erfolgen und steigende Energiepreise ausgleichen, wie Heil in den Zeitungen der Funke Mediengruppe ankündigte. Zudem plant Heil höhere Regelsätze für Menschen mit Grundsicherung. Bis zu 50 Euro mehr im Monat könne es für sie im Zuge des auch ab Anfang kommenden Jahres geplanten Bürgergelds geben.

Die Grünen, die Gewerkschaft Verdi und der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßten die Pläne. Die FDP reagierte skeptisch bis ablehnend. CDU/CSU lehnen die Vorschläge rundheraus ab.

„Soziales Klimageld“

Heil sagte, für alle Gering- und Mittelverdiener sei eine Antwort auf die Preissteigerungen über die aktuellen Entlastungspakete hinaus nötig – etwa für Beschäftigte, Rentner:innen, Studierende und Auszubildende. Bereits in ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP „angesichts höherer CO2-Preiskomponenten“ ein Klimageld als „sozialen Kompensationsmechanismus“ angekündigt. Solche Auszahlungen sollen finanzielle Belastungen durch höhere Preise für das Klimagas CO2 im Zuge der Energiewende ausgleichen.

„Für mich als Sozialminister ist wichtig, dass wir dieses Klimageld sozial gestaffelt ausgestalten“, sagte Heil. Vielverdiener:innen sollten nichts, Bedürftige am meisten bekommen. „Es soll Menschen zugutekommen, die als Alleinstehende weniger als 4000 Euro brutto und als Verheiratete zusammen weniger als 8000 Euro brutto im Monat verdienen.“ Staffelung und Umfang seien noch offen.

Die Federführung liege zwar eher bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminisrer Robert Habeck (Grüne). Aber er wolle das Klimageld aus seiner Verantwortung als Sozialminister einbringen. Der Vorstoß sei auch eine Reaktion auf die zurückliegenden Wahlniederlagen der SPD in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, berichtete das ARD-Hauptstadtstudio unter Berufung auf SPD-Kreise.

Ampel-Koalition unterschiedlicher Meinung

FDP-Chef Lindner sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, Heils Vorstoß zeige, die SPD habe die Umverteilungspolitik nicht verlernt. „Da Schulden und Steuererhöhungen ausgeschlossen sind, bin ich auf die Finanzierungsideen gespannt.“ Viel näher als neue Töpfe liege eine Reform der Lohn- und Einkommensteuer.

FDP-Fraktionsvize Johannes Vogel wandte sich in der Bild am Sonntag gegen eine Einkommensgrenze beim Klimageld: Zwar müssten die Einnahmen aus dem CO2-Preis als Klimadividende oder Klimageld dauerhaft zurückgegeben werden. „Das sollten wir aber möglichst unbürokratisch tun, etwa mit einer Pro-Kopf-Prämie.“ Grünen-Chefin Ricarda Lang begrüßte Heils Vorschläge in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Koalition werde über die Ausgestaltung beraten.

Auszahl-Mechanismus auch für Unterstützung in Krisen

Die Fraktionen von Grünen und SPD wiesen darauf hin, dass die Ampelpartner bereits im Koalitionsausschuss vom 23. März die Entwicklung eines Auszahlverfahrens für das Klimageld vereinbart hätten. Tatsächlich beschloss die Ampel damals die Erstellung eines unbürokratischen Wegs für Direktzahlungen „möglichst noch in diesem Jahr“ über die Steuer-ID. SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt sagte deshalb der dpa mit Blick auf Lindners Einwand: „Statt nur zu lamentieren, was angeblich alles nicht geht, sollte er sich jetzt an die Arbeit machen.“

Der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte der dpa: „Das Klimageld ist ein zentrales Instrument, um Klimaschutz sozial zu machen, indem die Einnahmen des CO2-Preises direkt wieder an die Menschen ausgezahlt werden.“ Zudem könne so ein Mechanismus dann auch genutzt werden, um Menschen zusätzlich in Krisensituationen unkompliziert Geld zur Entlastung zukommen zu lassen.

Klimageld als Etikettenschwindel?

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, wandte sich in den Sendern RTL/ntv dagegen, das ohnehin geplante Klimageld als eine Reaktion auf die hohe Inflation zu „verkaufen“. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, nannte Heils Vorschlag beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) einen „super Ansatz“. Verdi-Chef Frank Werneke begrüßte den Vorstoß – doch müssten sämtliche Einnahmen aus der CO2-Bepreisung komplett zurückgegeben werden.

Heftige Kritik kam von der Union. „Zwar ist Entlastung richtig, doch haben wir inzwischen einen wahren Flickenteppich an Maßnahmen“, sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner, der dpa. „Wer blickt da noch durch?“ Das Klimageld sei zudem zu bürokratisch.

Bis zu 50 Euro mehr Grundsicherung

Heil schlug ferner höhere Sätze in der Grundsicherung im Zuge der geplanten Reform des heutigen Hartz-IV-Systems vor. „Mein Vorschlag ist, dass wir etwa bei Familienhaushalten die unteren 30 statt der unteren 20 Prozent der Einkommen als Grundlage nehmen.“ Das bedeutet, dass bei der Berechnung von mehr Bedarf ausgegangen würde. „Damit können wir erreichen, dass die Regelsätze im Bürgergeld pro Person und Monat in etwa um 40 bis 50 Euro höher sein werden als in der Grundsicherung.“

FDP-Sozialexperte Pascal Kober sagte dazu der dpa: Statt Regelsatzdiskussionen müssen die Zuverdienstmöglichkeiten für Grundsicherungsempfänger gerechter ausgestaltet werden. FDP-Fraktionschef Christian Dürr warnte in der Bild am Sonntag vor „falschen Anreizen“. Für die Grünen geht der Grundsicherungsvorstoß „in die richtige Richtung“, wie Audretsch deutlich machte.

Schätzung der Kosten

Die Höhe eines „sozialen Klimagelds“ ist laut Heil noch offen, ebenso wie Höhe und genaue Kosten dafür sowie für ein höheres Bürgergeld. „Wir reden schon von zweistelligen Milliardenbeträgen“, so Heil. Das Klimageld finanziere sich aus den Einnahmen des CO2-Preises, das Bürgergeld aus Steuern. Unabhängig davon ist die bereits beschlossene Energiepreispauschale von 300 Euro.

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