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Lidl, Hugo Boss, Aldi und C&A verklagt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat gegen verschiedene deutsche Textilhändler Strafanzeige beim Generalbundesanwalt eingereicht – darunter Lidl, Hugo Boss, Aldi und C&A.
Foto: Utopia/ VR, Public Domain CC0 – Pixabay/ Hans

Die Modeindustrie ist für Ausbeutung berüchtigt. Eine Klage einer Menschenrechtsorganisation könnte nun ein ganz neues Ausmaß aufdecken: Ketten wie Lidl, Hugo Boss und C&A werden der „Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ beschuldigt.

Die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat gegen verschiedene deutsche Textilhändler Strafanzeige beim Generalbundesanwalt eingereicht. Insgesamt werden fünf Konzerne beschuldigt, „Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form der Versklavung durch Zwangsarbeit“ geleistet zu haben – darunter der Discounter Lidl. Dem Spiegel zufolge bezieht sich die Anzeige auch auf Hugo Boss, Aldi und C&A.

Was wird den Firmen konkret vorgeworfen? Laut der ECCHR sollen alle in den vergangenen Jahren direkte oder indirekte Lieferbeziehungen zu Textilfirmen in Xinjiang unterhalten haben, für die es Hinweise auf den Einsatz von Zwangsarbeiter:innen gebe.

Xinjiang ist eine Region in China, in der zahlreiche ethnische Minderheiten leben – unter anderem Uigur:innen. Diese werden von der chinesischen Regierung seit Jahren brutal unterdrückt; viele westliche Länder ordnen die Verfolgung der Minderheit als „Genozid“ ein. In Xinjiang soll derzeit mindestens eine Million Menschen in Umerziehungslagern festgehalten und über staatlich organisierte Arbeitsprogramme zur Arbeit gezwungen werden.

Unter anderem sollen sie Menschen zur Zwangsarbeit im Textilsektor genötigt werden, der in Xinjiang stark vertreten ist: Laut der Tagesschau stammt ein großer Teil der weltweit verarbeiteten Baumwolle aus dieser Region.

Lidl, Hugo Boss, Aldi und C&A: Das sagen die Textilhändler zu den Vorwürfen

Etwa 100 Seiten soll die Anzeige dick sein, die ECCHR gegen Ketten wie Lidl, Hugo Boss, Aldi und C&A verfasst hat. Der Text liegt unter anderem der Süddeutschen Zeitung vor und wirft den Unternehmen vor, dass diese direkt oder indirekt die mutmaßliche Zwangsarbeit der uigurischen Minderheit begünstigen oder von ihr profitieren. Laut ECCHR lassen oder ließen die angezeigten Unternehmen bis vor kurzem in Xinjiang produzieren, so stehe es zumindest in den von ihnen veröffentlichten Zuliefererlisten. Dabei müsse ihnen das Risiko des Einsatzes von Zwangsarbeiter:innen bekannt sein.

Dies zu belegen, ist allerdings sehr schwierig. Laut der SZ sei noch offen, ob die Generalbundesanwaltschaft ermitteln wird und ob es überhaupt eine Grundlage für eine strafrechtliche Untersuchung gibt.

Die verklagten Unternehmen haben die Vorwürfe zurückgewiesen.

  • Lidl hat zwar nachweislich mit drei Textilunternehmen aus dem Süden Xinjiangs zusammengearbeitet, von denen mindestens zwei ehemalige Insassen der Umerziehungslager beschäftigt haben. Gegenüber der SZ erklärte der Discounter aber, dass man mit zwei Firmen seit „über einem Jahr nicht mehr“ zusammenarbeite, mit dem dritten Unternehmen seit Ende Juni nicht mehr. Die USA hatten bereits im Januar ein Importverbot für Baumwolle wegen Risikos für Zwangsarbeit erlassen.
  • Aldi will schon länger keine Lieferbeziehungen mehr mit Firmen aus der Region unterhalten, berichtet der Spiegel.
  • Auch C&A gab an, keine Kleidung von Herstellern mit Sitz in der Provinz Xinjiang zu kaufen. Im Nachhaltigkeitsbericht des Konzerns wird aber davon gesprochen, dass die Produktion in der Region „in der Zwischenzeit“ verboten wurde. Fabriklieferanten seien dazu „angehalten“ worden, den Bezug von Baumwolle und anderen Fasern aus der Gegend einzustellen.
  • Aus der Stellungnahme von Hugo Boss gegenüber dem ECCHR soll nicht hervorgehen, ob die Kette noch Mode in Xinjiang produzieren lässt. Wie Spiegel berichtet, hatte der Konzern zuvor auf der chinesischen Plattform Weibo kurzfristig angekündigt, weiterhin Baumwolle aus der Region zu beziehen, sich anschließend aber von der Aussage distanziert.

Auch GOTS-Produkte könnten betroffen sein

Nicht nur die oben genannten Firmen könnten Produkte aus in Zwangsarbeit produzierter Baumwolle verkaufen. Wie viele Ketten das Material verwenden oder in der Gegend ihre Waren produzieren lassen, ist derzeit unbekannt. Denn: Die wenigsten Textilunternehmen veröffentlichen ihre Lieferketten.

Ebenso unklar ist, ob der Skandal nur Fast-Fashion-Marken betrifft. Der Spiegel bezieht sich auf eine ECCHR-Studie, derzufolge es auch in Xinjiang Betriebe gibt, die nach GOTS-Standard zertifiziert sind. Der Global Organic Textile Standard ist eines der bekanntesten Siegel für ökologische Kleidung und soll eigentlich garantieren, dass die Produkte zu mindestens 70 Prozent aus biologisch erzeugten Naturfasern bestehen. Das Siegel berücksichtigt auch soziale Standards: So müssen eigentlich die Mindestkriterien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eingehalten werden.

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