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Studie: Wie der Mensch die Erdachse verschoben hat

Studie: Wie der Mensch die Erdachse verschoben hat
Foto: CC0 Public Domain / unsplash - Greg Rosenke

Der Mensch beeinflusst laut einer neuen Studie den Anstieg des Meeresspiegels und sogar die Verschiebung der Erdachse. Die Autor:innen der Studie berichten, wie das möglich wurde und was die Entnahme von Grundwasser damit zu tun hat.

Wissenschaftler:innen der Seoul University in Südkorea fanden heraus, wie der Mensch die Rotationsachse der Erde beeinflusst. Mitte Juni veröffentlichte das Team ihre Ergebnisse in einer Studie. Die Forscher:innen um den Geophysiker Ki-Weon Seo stellten fest, dass die Entnahme und Nutzung von Grundwasser aus der Erde zu einem Anstieg des Meeresspiegels führt – und dadurch zur Erdachsenverschiebung.

Grundlage für die Studie bilden Schätzungen von Klimamodellen, die die Grundwasserentnahme zwischen 1993 und 2010 untersuchte.

Verschiebung des Nordpols um 80 Zentimeter festgestellt

In den Jahren von 1993 bis 2010 verschob sich laut der Studie der geografische Nordpol um 4,36 Zentimeter pro Jahr – insgesamt also um fast 80 Zentimeter.

Zudem schätzen die Wissenschaftler:innen den Nettoverlust an Grundwasser auf 2,15 Billionen Tonnen. Dieses Wasser gelang ins Meer und ließ den Meeresspiegel um 6,24 Millimeter ansteigen. Direkte Messdaten lagen dazu bislang nicht vor, die Erkenntnisse aus dieser Studie lieferten laut dem Forschungsteam jetzt aber die nötigen Informationen, um die bisherigen Modelle unabhängig zu bestätigen. 

Erdachse nicht konstant

Eine Veränderung der Rotationsachse der Erde kann durch jede Masse, die sich auf der Erdoberfläche bewegt, erzeugt werden, erklärte Seo laut dem Fachblatt Nature. Besonders große Massen, die sich auf der Erdoberfläche bewegen oder sich innerhalb der Erde befinden, können kleine Veränderungen in der Rotationsachse bewirken, so der Geophysiker.

Vor der Bestätigung der Zahlen gingen die Forscher:innen davon aus, dass das Schmelzen der Gletscher und Eisflächen in den Polargebieten die Verschiebung der Erdachse verursache.

Aber das Team um Seo wertete Daten zur Eisschmelze sowie anderen Faktoren aus und stellte fest, dass ein wichtiger Beitrag zur Verschiebung der Erdachse fehle. Nur durch die Einbeziehung des vermuteten Grundwasserverlusts konnte das Team die Daten erklären, offenbarte der Studienautor laut Nature.

Seo sei einerseits erleichtert, „die ungeklärte Ursache für die Rotationspoldrift gefunden zu haben“, wie die Wissenschafts-Organisation AGU ihn zitiert. Andererseits zeigte er sich besorgt darüber, „dass das Pumpen von Grundwasser eine weitere Ursache für den Anstieg des Meeresspiegels ist.“

Deutsches Geoforschungszentrum: Berechnung der Verschiebung sei "absolut plausibel und korrekt"

Auch Professor Harald Schuh vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam bestätigte die Ergebnisse. Er gab auf Nachfrage von n-tv an, die Berechnung der Verschiebung sei „absolut plausibel und korrekt„. Auf Menschen oder die habe die Verschiebung habe keine Auswirkungen.

Genauso beeinflussen Schuh zufolge weitere womöglich langfristige Positionsänderungen des Nordpols, zum Beispiel durch Gletscherschmelze oder immer noch andauernde Anhebung der Kontinente nach der Eiszeit, Mensch und Natur nicht. 

Außerdem gebe es natürliche Polschwankungen zwischen zehn und zwölf Metern innerhalb eines Jahres, die aufgrund der Form der Erde und der Lage der Erdachse entstehen, so der Professor. Die aktuelle Lage des Nordpols lasse sich mittlerweile auf unter einen Zentimeter genau erkennen, wodurch auch kontinuierliche Polbewegungen sichtbar werden, so der Experte des GFZ.

Ständige Polmessungen wichtig

Besonders für Navigationssysteme, wie das GPS, sind ständige Polmessungen von großer Bedeutung, erklärt Schuh gegenüber n-tv. Satelliten umkreisen auf ihren Bahnen die Erde. Die Verschiebung der Erdachse „darunter muss daher berücksichtigt werden, sonst begeht man eben einen Fehler von über zehn Meter„, sagt der Professor bezüglich der Polmessungen. 

Die Ermittlung der Polschwankungen erfolgt zurzeit mit sogenannten Geodätischen Weltraumverfahren. Zwei Methoden werden laut Schuh dafür verwendet. Zum einen können die Schwankungen durch Satelliten, die die Erde umkreisen, gemessen werden.

Zum anderen können sogenannte Quasare, extrem helle Mittelpunkte von Galaxien genutzt werden. Diese sind so weit von der Erde entfernt, dass sie Festpunkte am Himmel darstellen und somit Messungen möglich machen. Die Messungen in Deutschland führen unter anderem das GFZ sowie das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie in Frankfurt am Main durch. 

Grundwasserverlust aus mittleren Breiten hat hohen Einfluss auf Nordpol

Laut den Studienautor:innen hat die Umverteilung des Grundwassers aus den mittleren Breiten einen besonders hohen Einfluss auf den Nordpol. Demnach war der Grundwasserverlust in weiten Bereichen des Westens Nordamerikas und im Nordwesten Indiens am größten – beides Gebiete, die in den mittleren Breiten liegen. 

Der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zufolge liegen in Deutschland keine genauen Zahlen zur Entwicklung der Grundwasservorräte vor. Ein allgemeiner Trend lasse sich demnach dennoch erkennen: die häufigen Niederschlagsjahre und immer wärmeren und trockeneren Sommer sollen sich negativ auf das Grundwasser in Deutschland ausgewirkt haben.

Verwendete Quellen: Die Studie im „Geophysical Research Letter“, Nature, AGU, n-tv, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

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