„Meine Ökobilanz fällt doch insgesamt gar nicht ins Gewicht“ – kommen dir Aussagen wie diese bekannt vor? Solche vermeintlichen Argumente gegen Nachhaltigkeit begegnen uns regelmäßig. Höchste Zeit, dir eine Argumentationshilfe an die Hand zu geben, wie du diese Ausreden entkräftest.
Nachhaltigkeit ist inzwischen in der gesellschaftlichen Debatte angekommen – endlich. Doch je mehr Menschen nachhaltiger leben, desto mehr Widerstand regt sich. Dieser kleidet sich gerne in vermeintliche Argumente gegen Nachhaltigkeit.
Argumente gegen Nachhaltigkeit, die so nicht stimmen
Wir haben drei der häufigsten Ausreden gegen eine nachhaltige Lebensweise gesammelt und zeigen, warum sie nicht zutreffen. Für die nächste Diskussion mit Freund:innen und Familie bist du damit bestens gewappnet.
1. „Ich alleine kann die Klimakrise doch sowieso nicht aufhalten.“
So gerne wir schlicht entgegnen würden: „Doch!“ – die Argumentation bei dieser Aussage ist etwas komplizierter, verteilt sich die Verantwortung doch auf viele Schultern. Es stimmt, du allein kannst die Welt nicht retten, aber umgekehrt kannst allein du der (Um-)Welt viel Schaden zufügen: Jedes Stück Billigfleisch aus dem Discounter verursacht Tierleid. Jedes Stück Plastikmüll kann den Tod eines Tieres bedeuten, wenn dieses das Plastik verschluckt. Und jeder Kilometer, den du in einem Verbrennerauto zurücklegst, belastet die Luft mit Abgasen.
Du hast vielleicht (noch) nicht immer die Möglichkeit, alle Umweltbelastungen zu vermeiden, aber manchmal eben doch. Und du kannst dich dafür einsetzen, dass Politik und Wirtschaft auch in den übrigen Fällen die nötigen Rahmenbedingungen (wie bezahlbaren und gut ausgebauten ÖPNV) schaffen.
Oder möchtest du später auf dein Leben zurückblicken und feststellen, dass du noch nicht einmal versucht hast, ein umweltverträgliches Leben zu führen? Und dass du gewartet hast, bis andere den ersten Schritt gehen? Mit dieser Einstellung kannst du nur schwer feststellen, ob es anderen nicht genauso geht wie dir.
Die gute Nachricht ist: Du bist gar nicht allein. Umwelt- und Klimaschutz sind längst in der Gesellschaft angekommen, auch wenn politische Entscheidungen meist länger dauern. Auch immer mehr Unternehmen arbeiten daran, nachhaltiger zu werden. Warum? Weil immer mehr Menschen nachhaltig(er) leben und diese Handlungsweise auch von Unternehmen einfordern. Wenn du also mit gutem Beispiel vorangehst, erhöht das den Druck auf Unternehmen und Politik, nachzuziehen. Und gemeinsam lässt sich dann eine ganze Menge bewirken.
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2. „Wir in Deutschland tragen doch global gesehen gar nicht viel zum Klimawandel bei, soll doch China erst mal anfangen.“
Dieses Pseudo-Argument gegen Nachhaltigkeit ist gleich aus zwei Gründen falsch: Erstens hat Deutschland lange Zeit sehr viel mehr zur Klimaerwärmung beigetragen als China, zweitens leben wir in Deutschland bereits jetzt „auf Pump“.
Wer trägt die historische Verantwortung für die Klimakrise? Carbonbrief zeigt in einem Video im kumulierten Zeitverlauf, welche Staaten seit der industriellen Revolution für den größten Anteil an den CO2-Emissionen in Bezug auf fossile Energien, Landnutzung und Forstwirtschaft verantwortlich sind. Darin sieht man eindeutig, dass Deutschland bei weitem kein so kleiner Player ist, wie viele Menschen hierzulande gerne behaupten.
Die USA führt das Ranking von 1850 bis 2021 mit deutlichem Abstand an, Deutschland gehörte seit 1866 konstant zu den weltweit zehn größten CO2-Emittenten. 1903 überholte die Bundesrepublik China und war bis 2004 sogar in den „Top 5“. Erst 1982 überstiegen die historischen Emissionen Chinas wieder die Deutschlands. Und auch im vergangenen Jahr stießen mit den USA, China, Russland, Brasilien und Indonesien global nur fünf Nationen mehr CO2 aus als Deutschland.
Historisch trägt Deutschland eine hohe CO2-Last, aber wie sieht es heutzutage aus?
Seit die neue Bundesregierung im Amt ist, hat man den Eindruck, dass Deutschland in Sachen Klimaschutz einiges unternimmt; etwa den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien oder das geplante vorgezogene Ende des Kohlestroms. China dagegen setzt aufgrund eines erhöhten Energiebedarfs (neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energiequellen) weiter auf den Kohleabbau.
Da China aktuell das Land mit den höchsten CO2-Emissionen der Welt ist (insgesamt gerechnet, nicht pro Kopf!), muss natürlich auch dort ein Umdenken stattfinden. Doch wir können uns nicht damit herausreden, dass die Chines:innen einen großen CO2-Fußabdruck haben, uns dahinter wegducken und auf dem bisher Erreichten ausruhen.
Denn unser Konsumverhalten hier in Deutschland hat einen Einfluss auf die Umweltverschmutzung und Treibhausgasemissionen in China. China produziert sehr viele Billigwaren für Deutschland, Europa und den Rest der Welt. Solange wir diese Waren kaufen und die Nachfrage hoch bleibt, wird sich auch das Angebot nicht maßgeblich ändern.
Aber unsere Nachfrage muss sich ändern, denn auch in Deutschland tritt der Earth Overshoot Day jedes Jahr früher ein. In diesem Jahr fiel er bereits auf den 4. Mai. Das bedeutet: Ab diesem Zeitpunkt leben die Deutschen auf Pump. Die Bundesrepublik hat bereits so viele Ressourcen verbraucht, wie sie einem Land ihrer Größe für ein Jahr zustehen.
Die Grafik zeigt deutlich: Würden alle so verschwenderisch leben wie wir in Deutschland, bräuchten wir ganze drei Erden statt der einen, die uns zur Verfügung steht. Ja, auch für China ist der Wert zu hoch, mit 2,4 jedoch niedriger als in Deutschland.
Es ist anmaßend, Menschen in anderen Ländern zu kritisieren, wenn diese einen Lebensstil anstreben, den wir seit langem genießen, aber nicht zu ändern bereit sind. Für unseren Wohlstand tragen seit Jahren Menschen und Natur in anderen Ländern die sozialen und ökologischen Kosten.
3. „Nicht jede:r kann sich Nachhaltigkeit leisten.“
Angesichts der teils stark gestiegenen Lebensmittelpreise taucht dieses Argument derzeit besonders häufig auf. Denn: Nicht jeder Mensch kann sich den täglichen Einkauf im Bio-Markt oder im Unverpackt-Laden leisten. Doch nachhaltig handeln und einkaufen bedeutet ja nicht nur, mit dem Lastenfahrrad zum Hofladen zu radeln. Wer nachhaltig lebt, kann in vielen Bereichen sogar Geld sparen:
- Dinge wie Rasenmäher oder Spielzeug leihen statt kaufen und Second-Hand-Mode kaufen.
- Leitungswasser trinken statt Wasser in Flaschen zu kaufen.
- Lebensmittel saisonal kaufen (dabei hilft dir jeden Monat der Utopia-Saisonkalender) und nichts wegwerfen.
- Selber kochen statt überteuerte Fertiggerichte zu kaufen.
- So oft es geht Fahrradfahren statt mit dem Auto.
- Kleidung, Möbel, Elektronik usw. Secondhand kaufen
Fakt ist: Ärmere Menschen können es sich weder leisten, besonders nachhaltig noch besonders un-nachhaltig zu leben. Denn nicht nur Bio-Lebensmittel und Naturkosmetik sind teuer, sondern auch Flugreisen und neue Konsumgüter.
Eine erfolgreiche Klimapolitik darf deshalb nicht zur Folge haben, dass alles teurer wird, sondern muss dafür sorgen, dass klimafreundliche Alternativen bezahlbar werden. Wir sollten die Klimakrise und die soziale Ungleichheit nicht gegeneinander ausspielen, sondern Lösungen für beide finden.
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