Innovative Unternehmensformen wie die B Corp und das Purpose-Unternehmen erleben gerade einen regelrechten Boom. Doch wie gelingt der Spagat zwischen Gewinn, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit?
Nicht nur B Corps: Wenn Unternehmen die Welt verbessern wollen, werden sie oft belächelt – Gewinne machen, konkurrenzfähig sein und Gutes tun – das passt auf den ersten Blick nicht zusammen. Dabei ist sogar in den OECD-Leitsätzen festgehalten, dass Unternehmen „einen Beitrag zum wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Fortschritt im Hinblick auf die angestrebte nachhaltige Entwicklung leisten“ sollen.
Tatsächlich haben viele Firmen diese Ziele in ihrer Corporate Social Responsibility (freiwillige Selbstverpflichtung) festgeschrieben. Seit 2017 sind bestimmte Unternehmen sogar verpflichtet, regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen.
Doch an der Umsetzung einer nachhaltigen Unternehmensführung scheitert es oft: Die Ausbeutung von Mensch und Natur zum Zwecke der Gewinnmaximierung ist nach wie vor gängige Praxis vieler Unternehmen. Doch es geht auch anders: Einige Unternehmer:innen wollen nicht nur Gewinne erzielen, sondern gleichzeitig auch nachhaltig handeln. Oft entscheiden sie sich bewusst für eine bestimmte Unternehmensform abseits von GmbH und AG.
B Corp – Benefit Corporations
Die Benefit Corporation ist eine offizielle Unternehmensform in den USA, die um 2011 entstanden ist. Dort ist das Modell in über 30 Bundesstaaten zugelassen und verpflichtet Unternehmen zu einem guten Umgang mit der Umwelt, den Mitarbeiter:innen und der Gesellschaft. Wie genau dies aussieht, ist aber nicht geregelt. Viele Unternehmen entscheiden sich für das Modell Benefit Corporation vor allem aus dem Grund, dass sie die Marke „Benefit Corporation“ als Marketinginstrument verwenden können, so eine Studie der University of Maryland. Eine weltweit bekannte Benefit Corporation ist die Crowdfunding-Plattform Kickstarter.
Die wichtigsten Merkmale:
Benefit Corporations werden steuerlich gleichbehandelt wie herkömmliche Unternehmen. Sie unterscheiden sich aber in ihrer unternehmerischen Zielsetzung und Ausrichtung. Denn Benefit Corporations bauen auf 3 Säulen: Ziel (Purpose), Verantwortung (Accountability) und Transparenz (Transparency).
- Ziel: Das Unternehmen wirtschaftet (auch) zum Wohle der Gesellschaft und der Umwelt. Es kann sich daher auch andere Ziele setzen als die Profitmaximierung.
- Verantwortung: Ein verantwortungsvolles Unternehmenswachstum geht einher mit einem verantwortungsvollem Umgang mit der Natur und Gesellschaft.
- Transparenz: Einmal im Jahr veröffentlicht das Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht.
B Corps werden nicht vom Staat auf ihre Gemeinnützigkeit oder Nachhaltigkeit hin kontrolliert. Dies obliegt (wie bei den meisten anderen Unternehmen) den Anteilseignern. Sie wählen den Vorstand des Unternehmens, können auf der Hauptversammlung Fragen stellen und Anträge einbringen und so die Nachhaltigkeit des Unternehmens einfordern. Dies ist aber kein Alleinstellungsmerkmal der Benefit Corporations, sondern trifft auch auf alle Aktiengesellschaften (Unternehmensform AG) zu. Inzwischen haben sich auch in anderen Ländern Unternehmensformen herausgebildet, die Benefit Corporations als Vorbild haben, etwa in Italien und Kolumbien.
B Corps und B Corporations
In Deutschland gibt es keine Benefit Corporations, stattdessen aber B Corporations (B Corp). Diese sind allerdings nicht gleichzusetzen mit der Benefit Corporation aus den USA, obwohl der Buchstabe „B“ auch hier für „Benefit“ steht. B Corp ist vielmehr ein weltweites Zertifikat für nachhaltige Unternehmen, sozusagen das Fairtrade-Siegel für eine Firma.
In Deutschland sorgt die Zertifizierung des B Lab Europe seit 2020 dafür, dass Unternehmen ihre Versprechen in Sachen Nachhaltigkeit auch einhalten – erst dann können sie sich B Corp nennen. Als gemeinnützige Organisation richtet sich B Lab demnach nach eigenen Angaben vor allem an „verantwortungsbewusste Unternehmer*innen aus allen Branchen, Gründer*innen und deren Riege an Mitarbeiter*innen aber auch an Vertreter*innen aus gleichgesinnten Organisationen, Medien, Wissenschaft und Politik“.
Es hat soziale und ökologische Ansprüche, die in einem Kriterienkatalog mit 200 Fragen überprüft werden. Mindestens 80 Fragen müssen positiv beantwortet sein, um das Zertifikat zu erhalten. Für jedes Unternehmen, das zur B Corporation werden möchte, gibt es eine eingehende Prüfung: Hat das Unternehmen durch negative Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht und wer steckt genau hinter der Firma? Arbeitet sie tatsächlich nachhaltig?
In Deutschland sind nur wenige Unternehmen B Corps. Bekannte Beispiele sind die Google-Alternative Ecosia, Telefonanbieter Goood und die Triodos-Bank. Auch Fairphone aus den Niederlanden ist eine B Corporation. Die vollständige Liste kannst du dir auf bcorporation.de ansehen.
Charakteristisch für B Corps sind ein hoher Grad an Gemeinwohlorientierung sowie eine positive Wirkung auf Mitarbeiter:innen, Kund:innen, Gesellschaft und Umwelt. Sie arbeiten auch gewinnorientiert, aber dies ist nicht das einzige Ziel. Alle drei Jahre müssen die Unternehmen den Fragenkatalog mit den 200 Kriterien erneut beantworten, die Ergebnisse werden später veröffentlicht. Außerdem müssen die Unternehmen Belege einreichen.
Sind B Corps immer die besseren Unternehmen?
Unternehmen mit dem Siegel „B Corps“ verpflichten sich zwar, sozial und ökologisch zu handeln. Doch sie sind nicht zwangsläufig die besseren Unternehmen. Beispielsweise schmücken sich die umstrittenen weltgrößten Lebensmittelkonzerne Unilever und Danone mit B Corps als Tochterfirmen. Die B Corps selbst können zwar gute Absichten verfolgen, doch Kund:innen unterstützen mit dem Kauf in manchen Fällen einen dahinterstehenden Weltkonzern, den sie womöglich nicht fördern wollen.
Purpose-Unternehmen gehören sich selbst
Was zunächst etwas ungewöhnlich klingt, ist gut durchdacht: Warum sollen Investor:innen über die Zukunft eines Unternehmens entscheiden und nicht der/die Geschäftsführer:in? Bei einem Purpose-Unternehmen dürfen Investor:innen nicht mitbestimmen, stattdessen liegen die Stimmrechte bei den Unternehmern. Sie haben eine treuhänderische Funktion und können die Firma nicht verkaufen oder vererben. Bei ihrem Ausscheiden geben sie sie an die nächsten (treuhänderischen) Geschäftsführer weiter. Die Firma gehört also sich selbst. So sollen egoistische Gewinnabsichten verhindert und stattdessen übergeordnete Ziele für das Unternehmen formuliert werden.
Typisch sind soziale und ökologische Ziele, und eine Gemeinwohlorientierung. Oft steht nicht mehr die Gewinnmaximierung im Vordergrund, sondern zum Beispiel die Lösung von Umweltproblemen. Welche Ziele sich das Unternehmen gibt und inwiefern diese auch umgesetzt sind, variiert aber von Firma zu Firma. Eine richtige Rechtsform sind Purpose-Unternehmen aber nicht, sondern meist eine GmbH in Verbindung mit einer Stiftung.
So funktioniert das System „Purpose-Unternehmen“
- Im Gesellschaftsvertrag des Unternehmens sind diese Regeln verankert und können nur mit 100 Prozent der Stimmrechte geändert werden.
- Der/die Geschäftsführer:in könnte nun theoretisch die Regeln ändern, da er/sie ja die Stimmrechte besitzt. Damit dies aber nicht möglich ist, erhält eine eigens gegründete Stiftung ein Prozent der Stimmrechte.
- In der Stiftungssatzung ist wiederum festgeschrieben, dass die Purpose-Regeln nicht geändert werden dürfen.
Sind Purpose-Unternehmen immer gut?
Der Kerngedanke von Purpose-Unternehmen, dass Firmengründer:innen ihre Stimmrechte behalten und alle Gewinne im Unternehmen bleiben, findet sich bei zahlreichen Firmen. Und das oft, ohne dass sich die Unternehmen der Nachhaltigkeit verschrieben haben. Amazon, Google und weitere Tech-Größen des Silicon Valleys – hier halten die Gründer:innen den größten Teil der Stimmrechte und haben oft nur Dividendenrechte an der Börse verkauft. Die Frage ist bei Purpose-Unternehmen also vor allem, welches Ziel sie verfolgen.
Ein Positiv-Beispiel ist der Onlineshop Waschbär für Naturmode und Bio-Produkte. Er gehört zur Triaz-Gruppe, die seit 2017 ein Purpose-Unternehmen ist. Der ehemalige Waschbär-Inhaber Ernst Schütz erklärt den Schritt so: „Wirtschaft hat für mich keinen Selbstzweck. Wenn wir die Gesellschaft betrachten, ist Wirtschaft der Teil, den sie braucht, um zu sein“. Und seine Nachfolgerin Katharina Hupfer fügt hinzu, dass soziale Themen in der gesamten Wirtschaftskette deshalb so wichtig seien. Die Vision ist eine Wirtschaft, die den Menschen dient.
Auch die alternative Suchmaschine Ecosia ist diesen Schritt gegangen: Geschäftsanteile dürfen nicht mit Gewinn verkauft werden und auch nicht unternehmensfremden Personen gehören. Gewinnentnahmen aus dem Unternehmen sind nicht zulässig. „Die meisten traditionellen Unternehmer würden diese Beschränkungen als verheerend bezeichnen. Aber Ecosia ist kein gewöhnliches Unternehmen. Wir sind nicht an einer Gewinnmaximierung interessiert, sondern daran, eine maximale Anzahl an Bäumen zu pflanzen“, schrieb Gründer Christian Kroll hier.
gGmbH: gemeinnützige Unternehmen
Die gGmbH unterscheidet sich im Wesen von einer klassischen GmbH, indem sie ihre Gewinne für gemeinnützige Zwecke einsetzt. Dies impliziert bereits, dass nicht die Profitmaximierung im Vordergrund steht, sondern die Gemeinnützigkeit. Sie zeigt sich meist auf vielen Ebenen, wie der Branche, dem Personal und der Arbeitsweise. Beispielsweise ist der IT-Refurbisher AfB eine gGmbH: Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, gebrauchte IT-Produkte wiederaufzubereiten und weiterzuverkaufen. So werden Ressourcen gespart und die Recyclingquote erhöht. Außerdem haben bei AfB 45 Prozent der Mitarbeiter:innen ein Handicap. Das Unternehmen leistet einen wichtigen Beitrag zur Inklusion.
Um den Status der Gemeinnützigkeit zu erhalten, erfolgt eine Überprüfung durch das Finanzamt. Denn eine gGmbH ist von der Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer befreit. Die Gewinne dürfen nur ausgeschüttet werden, wenn der Gesellschafter selbst gemeinnützig ist. Auch zu mildtätigen und kirchlichen Zwecken kann eine GmbH die Gemeinnützigkeit anerkannt bekommen.
Ist eine gGmbH immer gut?
Eine gGmbH ist grundsätzlich selbstlos und gemeinwohlorientiert. Allerdings gibt es keine genauen Vorgaben, wie nachhaltig und ökologisch die gGmbH handeln muss. Außerdem sind viele gGmbHs auf sehr spezifische Bereiche fokussiert. Viele Caritas-Verbände sind zum Beispiel als gGmbH organisiert und auch einige (städtische) Krankenhäuser. In erster Linie liegt der Fokus auf sozialen Kriterien und weniger auf Umwelt- und Ressourcenmanagement. Denn darüber sagt das erste „g“ in gGmbH nichts aus.
Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie
Das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie ist ein Gegenmodell zum Kapitalismus. Nachhaltigkeit und Solidarität stehen im Mittelpunkt eines Unternehmens und nicht mehr ausschließlich die Profitorientierung. Aber die Gemeinwohl-Ökonomie (GwÖ) verfolgt einen viel weitreichenderen Ansatz, als etwa Benefit Corporations und B Corps. Ihnen geht es darum, das Wirtschaftssystem grundlegend zu ändern. Dies ist übrigens kein neues Phänomen, sondern knüpft an dem ursprünglichen Ökonomie-Gedanken an. Dieser ist auch im Grundgesetz verankert („Eigentum verpflichtet“) und in der Bayrischen Verfassung: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl“ (Artikel 151).
Das übergeordnete Ziel ist daher nicht die Steigerung des Bruttosozialprodukts, sondern der Gemeinwohl-Bilanz. Sie enthält eine Vielzahl an Ausprägungen, zum Beispiel Ökologie, politische Partizipation und Gerechtigkeit. Wichtig dabei: Die Unternehmen müssen deutlich besser sein als es die gesetzlichen Anforderungen verlangen und einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen: sozial, ökologisch, gesellschaftlich und politisch. Firmen mit dem Testat „Bilanzierendes Unternehmen“ der Gemeinwohl-Ökonomie müssen unter anderem einen Gemeinwohl-Bericht vorlegen und regelmäßige Prüfungen durchlaufen.
GwÖ-Unternehmen sind zum Beispiel die Sparda-Bank in München, die Tageszeitung „taz“, der Trinkflaschenproduzent Soulbottles, der Ökostrom-Anbieter Polarstern und der Outdoorartikel-Hersteller Vaude (zum Beispiel Schlafsäcke).
Genossenschaften: Eine demokratische Unternehmensform
Genossenschaften sind keine neue Erfindung. Doch einige Menschen haben sie neu erfunden, indem sie den Grundgedanken aufgenommen und für einen partizipativen Ansatz verwendet haben: Klassischerweise handelt es sich bei Genossenschaften um Berufsgenossenschaften, also Zusammenschlüsse, die wirtschaftliche Interessen vertreten. So gibt es etwa die Fischereigenossenschaft, die ihre Interessen gegenüber Großkonzernen und der Politik vertritt. Der Gedanke dahinter: Nur wenn wir uns zusammentun, können wir unsere Interessen durchsetzen. Diesen Gedanken gibt es auch bei Bürgergenossenschaften. Weil diese in der Regel mehr Mitglieder haben, handeln sie oft noch gemeinwohlorientierter und demokratischer.
Aus dieser Haltung heraus lässt sich auch ein Unternehmen aufbauen: Die Bürgerwerke sind ein Ökostrom-Anbieter, der aus über 90 Energiegenossenschaften besteht. Sie besitzen rund 400 Kraftwerke in ganz Deutschland. Die Idee: Möglichst viele Bürger:innen tun sich zu einer Genossenschaft zusammen und bauen gemeinsam die Erneuerbaren Energien aus. Dadurch profitieren die Bürger:innen selbst von den Erlösen, können demokratisch Entscheidungen über neue Anlagen mittreffen und so an der Energiewende mitwirken.
Sind Genossenschaften immer nachhaltig?
Das Beispiel der Fischereigenossenschaft zeigt, dass alleine die Form „Genossenschaft“ noch nichts über die Gemeinnützigkeit und Nachhaltigkeit aussagt. Der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften hält Genossenschaften zwar per se für nachhaltig (da sie an einer langfristigen Erhaltung des Unternehmens interessiert sind), doch dieses Verständnis von Nachhaltigkeit vernachlässigt soziale und ökologische Kriterien. Genossenschaften sind zunächst lediglich eine Möglichkeit, Interessen zu bündeln – diese können nachhaltig und gemeinnützig sein, müssen es aber nicht.
Nachhaltige Unternehmen: Mehr als nur eine Frage der Unternehmensform
Ob ein Unternehmen nachhaltig und gemeinwohlorientiert wirtschaftet, ist keine Frage der Unternehmensform. Es gibt sogar Aktiengesellschaften wie die Memo AG (Memolife-Shop), die sich einem nachhaltigen Wirtschaften verschrieben hat. Auch der kleine Bio-Laden mit Gemüse aus der Region kann nachhaltig arbeiten, ohne dass er etwa B Corp zertifiziert ist. Doch bestimmte Unternehmensformen können für Verbraucher:innen ein erster Hinweis auf Nachhaltigkeit und/oder Gemeinwohlorientierung sein. Sie sind oft die „besseren“ Unternehmen – insbesondere, wenn es sich um gGmbH und GwÖ handelt. Trotzdem lohnt es sich auch hier, einen genaueren Blick auf das Geschäftsmodell zu werfen.
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English version available: What Is a Certified B Corporation? B Corp Explained
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