Grillenpasta, Larvenburger und Würmer-Riegel: Insekten zu essen galt vor ein paar Jahren plötzlich als das nächste große Ding. Was ist eigentlich aus diesem Trend geworden – und welche Rolle spielen essbare Insekten in Zukunft? Hier gibt’s unsere Sneak Peek.
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Würdest du Insekten essen oder hast sogar schon mal Mehlwürmer, Heuschrecken oder Grillen probiert? In einer Befragung von YouGov aus dem Jahr 2021 haben 13 Prozent der Befragten in Deutschland die erste Frage mit „Ja“ beantwortet. Ziemlich wenig vor dem Hintergrund, dass Entomophagie (wie der Verzehr essbarer Insekten im Fachjargon heißt) nicht nur ein kulinarisches Abenteuer ist, sondern auch einige gesundheitliche und ökologische Benefits mit sich bringt und häufig als Proteinquelle der Zukunft betitelt wird. Handelt es sich beim Insekten-Essen also überhaupt (noch) um einen ernstzunehmenden Trend? Und falls ja: Wie stehen die Chancen, dass wir irgendwann zu Mittag Insekten statt Hühnchen essen?
Insekten sind gesund und nachhaltig
Insekten haben eine bessere Umwandlungsquote als Rinder, Schweine, Hühner und Co., sie verwerten also Ressourcen effizienter. Darum brauchen sie weniger Wasser, Fläche sowie Futter und produzieren deutlich geringere Mengen Treibhausgase. Im Vergleich mit anderen tierischen Proteinquellen sind sie also deutlich klimafreundlicher.
Gleichzeitig enthalten sie höhere Protein-Anteile (nämlich bis zu 77 Prozent – im Vergleich zu rund 25 Prozent bei Hähnchenfleisch) sowie zahlreiche Mikronährstoffe wie Eisen, Zink und B-Vitamine. Im Vergleich zu Fleisch sind Insekten aber nicht nur proteinreicher und fettärmer, sondern enthalten auch (ähnlich wie Fisch und Algen) wertvolle Omega-3-Fettsäuren. Eine Kombi, die nicht nur dem Planeten, sondern auch der eigenen Gesundheit guttun könnte – vorausgesetzt Insekten werden tatsächlich zur Proteinquelle der Zukunft.
Meilensteine beim Thema Insekten essen
Genau diese Vision hat die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) bereits 2013 in einer Veröffentlichung übersichtlich beschrieben. Was damals allerdings in Europa fehlte: Eine rechtliche Zulassung für Insekten als Lebensmittel. Diese kam schließlich 2018 im Rahmen der Novel Food Verordnung. Noch im gleichen Jahr schaffte es der erste Burger aus Buffalowürmern des Startups „Bugfoundation“ in das Sortiment von Rewe und wurde medienwirksam gelauncht. Auch als Zutat für Riegel und Pasta bis hin zu Schokolade hielten Insekten immer häufiger Einzug in (Online-)Shops. Oder anders ausgedrückt: Dem nationalen Siegeszug der Entomophagie schien nichts mehr im Weg zu stehen.
Das zeigte sich auch am gesteigerten Interesse an essbaren Insekten von Unternehmen aus der Fleischindustrie. Beispielsweise wurde Bugfoundation 2021 von der Kupfer Innovative Food GmbH übernommen. Ihr Vorstand Max Kupfer erklärt die Motivation dazu wie folgt: „Unserer festen Überzeugung nach werden Insektenproteine als Teil alternativer Proteinquellen ihren festen Platz in der Ernährung der Zukunft finden.“ Doch ist diese Prophezeiung bislang eingetreten? Wie viele Menschen in Deutschland und Europa tatsächlich heute schon Insekten essen und wie sich deren Anzahl entwickelt, ist nicht leicht zu beantworten.
Prognose: Umsätze mit essbaren Insekten steigen an
Offizielle Zahlen über den Absatz von Insekten-Produkten im deutschen Lebensmitteleinzelhandel gibt es nicht. Warum ist das so? Prof. Florian Schweigert beschäftigt sich unter anderem mit dem Thema Insekten (bzw. wie die Welternährung mit deren Hilfe gesichert werden kann) und erklärt es so: „Es ist extrem schwierig Zahlen zu bekommen, weil es mit Blick auf Insekten-Lebensmittel keine langfristigen Strukturen im Markt gibt. Vielmehr befindet er sich im Fluss.“ Dennoch ist sich Schweigert sicher, dass die wachsende Anzahl an Unternehmen und steigenden Produktionen zeigen, dass der Trend zum Insekten-Essen besteht und sich weiterentwickeln wird.
Das vermutet auch eine Prognose, welche von der Heinrich Böll Stiftung im englischsprachigen Fleischatlas 2021 veröffentlicht wurde. Demnach wird der Markt für Insektenprotein allein in Europa und Nordamerika im Jahr 2030 auf bis zu 8 Milliarden US-Dollar gewachsen sein und somit neben zahlreichen Start-Ups vor allem auch immer attraktiver für große Lebensmittelunternehmen. Aber auch in näherer Zukunft sowie global gesehen erwartet das Autor:innenteam des Fleischatlas rasante Steigerungen der Umsätze mit Heuschrecken und Co. So rechnen die Expert:innen bis 2023 mit einer Verdopplung der weltweiten Umsätze mit essbaren Insekten im Vergleich zu 2019.
Oder doch lieber Clean Meat statt Insekten?
Warum möchten aber nur 13 Prozent der Menschen in Deutschland tatsächlich Insekten essen? Daniel Anthes ist Wirtschaftsgeograph und bezeichnet sich selbst als Nachhaltigkeits-Ninja. Als Senior Associate ist er zudem für das Zukunftsinstitut für nachhaltige Ernährungsthemen tätig. „Prinzipiell sind Insekten als Nahrungsmittel noch ein Food-Trend“, erzählt er und ergänzt: „In den letzten Jahren wurden Insekten allerdings medial gesehen in puncto Aufmerksamkeit und Reichweite deutlich von den Themen Plant-Based-Food und In-vitro-Fleisch abgelöst“. Zudem tue sich der westliche Kulturkreis allgemein schwer damit, Essgewohnheiten zu verändern und etwas gänzlich Neues auf den Teller zu holen.
Der Vegan-Boom der vergangenen Jahre dürfte nicht unbedingt dazu beigetragen haben, den Insekten-Essen-Trend zu befeuern. Schließlich sind auch Würmer und Grillen Lebewesen, die für unseren Konsum getötet werden (Expert:innen sprechen zwar eher von einem langsamen Einschlafen aufgrund von Kälte, doch es bleiben ethische Fragen). Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Bereitschaft zum Verzehr von In-vitro-Fleisch unter den YouGov-Befragten je nach Altersgruppe und Geschlecht bei bis zu 26 Prozent liegt und den essbaren Insekten somit immer einige Prozentpunkte voraus ist. Anthes unterstellt aber nicht nur Clean Meat bzw. In-vitro-Fleisch großes Marktpotenzial, sondern auch pflanzlichen Fleischersatzprodukten. Und die könnten Das Essen von Insekten zumindest in westlich geprägten Ländern im Prinzip überflüssig machen:
„Vor dem Hintergrund der globalen Herausforderungen um Gesundheit und Nachhaltigkeit in Sachen Ernährung bräuchten wir Insekten eigentlich nicht, wenn wir bald nur noch Schnitzel auf Erbsenproteinbasis oder Steaks aus dem Bioreaktor essen.“
Sind Insekten also überhaupt noch ein Food-Trend?
Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht, sind sich die beiden Experten Anthes und Schweigert unabhängig voneinander sicher. So wird es ihrer Meinung nach in Zukunft kein Alles-oder-nichts geben, sondern vielmehr ein Sowohl-als-auch. Das bedeutet: Egal ob Rindersteak, Insektenburger, Labor-Fleischbällchen oder Sojaschnitzel – alles wird seinen Platz am Markt haben. Insekten essen werden wir aber weniger „pur“, dafür vor allem als Rezeptzutat für Produkte wie Pasta, Riegel oder eben Buletten.
Neben dieser direkten Nutzung von essbaren Insekten in der Ernährung wagt Schweigert, der nicht nur Ernährungswissenschaftler, sondern auch Tierarzt ist, außerdem noch einen anderen Blick in die Zukunft: „Insekten können zukünftig nicht nur einen wertvollen Platz in der menschlichen Ernährung einnehmen, sondern auch in der Produktion von Tierfutter für Haus- und Nutztiere.“ Dafür sprechen die gleichen Gründe wie die für den menschlichen Verzehr anfangs beschriebenen. Und trotzdem hat diese indirekte Nutzung noch einen weiteren großen Vorteil: Insekten, welche zu proteinreichem Hunde-, Hühner- oder Fischfutter verarbeitet werden, schneiden nicht nur mit Blick auf Wasser- und Flächenverbrauch gut ab, sondern können auch mit Lebensmittelresten herangezogen werden. „Hierdurch entsteht ein nahezu geschlossenes Ökosystem, welches nur wenige Ressourcen von außen benötigt und gleichzeitig eine gute Öko-Bilanz hat“, so Schweigert. Dazu kommt: Hühner beispielsweise fressen seit jeher sowieso lieber Insekten als Soja.
Insekten zum Essen: Marken und Produkte
Noch ist der Markt für essbare Insekten hierzulande überschaubar. Wer Interesse daran hat, Insekten zu essen (und dafür auf anderes Fleisch zu verzichten), muss in der Regel online bestellen. Hier findest du eine kleine Auswahl an Marken und Produkten:
- Proteinriegel und Proteinpulver: Die Sportnahrung der britischen Firma Sens enthält Grillenprotein, es gibt Proteinriegel in verschiedenen Gemacksrichtungen und Schoko-Proteinpulver, Grillen-Cracker sowie geröstete Grillen im Glas (erhältlich z.B. bei Amazon, eBay oder direkt beim Hersteller).
- Insektenburger aus Buffalowürmern der Bugfoundation gab es kurzzeitig bei Rewe, aktuell sind uns keine Verkaufsstellen bekannt.
- Insektenchips, Proteinriegel und Snacks aus gerösteten Insekten sowie verschiedene Sorten von Speiseinsekten (Grillen, Mehlwürmer, Heuschrecken) und Insektenmehl gibt es von Catch-your-bug, nach eigenen Angaben die erste deutsche Speiseinsektenzucht. Das Team bietet auch Workshops und andere Veranstaltungen an.
- Plumento-Foods aus Pforzheim möchte Insekten zu einem alltäglichen Lebensmittel machen. Nach eigenen Angaben umfasst das Sortiment derzeit Pasta, Kekse, Granola und Croutons, im Online-Shop findet man derzeit nur Nudeln, welche Buffalo-Larven enthalten und getrocknete essbare Insekten.
- Gefriergetrocknete Insekten, Schokolade und Müsliriegel aus Heuschrecken, Grillen, Mehl- und Buffalowürmer gibt es z.B. von Snack-Insects (erhältlich z.B. bei Amazon).
- Gewöhnungsbedürftig: Gefriergetrocknete Heuschrecken, Grillen, Mehl- und Buffalowürmer gibt es auch von Exo-Snacks. Die Insekten stammen aus europäischer Zucht (online bei Exo Snacks).
- Von der fanzösischen Firma Jimini’s gibt es neben ganzen Insekten auch Proteinriegel und Granola mit Buffalowürmern und Cracker mit Grillenprotein.
- Micronutris, nach eigenen Angaben die erste Insektenzucht Fankreichs, bietet neben vielen Insektenlebensmitteln – von gerösteten Insekten „pur“ über Cracker und Riegel bis Schokolade – auch Rezepte zur Inspiration.
Fazit: Insekten essen hat Potenzial – pflanzliche Alternativen noch mehr
Lebensmittel mit essbaren Insekten werden auch zukünftig ihren Platz am Markt haben. Wie genau sich der Trend weiterentwickelt – und ob die optimistischen Prognosen zutreffen – bleibt spannend. Solange die meisten Menschen in Deutschland Nahrung aus Insekten noch eher skeptisch gegenüberstehen, haben pflanzliche Fleischalternativen vermutlich bessere Chancen – aus ethischer und ökologischer Perspektive keine schlechte Entwicklung.
Zumindest indirekt werden es Insekten aber vermutlich in Zukunft häufiger auf den (nicht vegetarischen oder veganen) Teller schaffen – nämlich über den Umweg als umweltfreundlicheres Futter in der Tierhaltung.
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