Nestlé hat eine augenscheinlich nachhaltigere Variante zu den Kaffeekapseln aus Aluminium von Nespresso angekündigt: Kapseln aus Papier. Diese sollen kompostierbar und biologisch abbaubar sein. Utopia zeigt, dass das nicht so einfach ist, wie oft beworben wird.
Über 30 Jahre hat Nestlé an Nespresso-Kaffeekapseln aus Aluminium festgehalten und immer wieder deren angebliche Nachhaltigkeit verteidigt. Jetzt gibt der Konzern nach und kündigte in einer Pressemitteilung an, im Laufe des nächsten Jahres Kapseln aus Papier als Ergänzung zu den bisherigen Aluminiumkapseln auf den Markt zu bringen. Exakt heißt es in der Erklärung, es seien „heimkompostierbare Kapseln auf Papierbasis“.
Das Innere der Kapsel soll demzufolge mit einem Biopolymer – einer Form von Kunststoff – ausgekleidet sein, um den Kaffee zu schützen. Die gesamte Kapsel soll sich laut Unternehmen zu Hause auf dem Kompost zersetzen oder in einer industriellen Anlage kompostieren lassen. Doch was ist dran an der umweltfreundlich anmutenden Kaffeekapsel?
Ist Bioplastik besser als reguläres Plastik?
Bioplastik wird seit einigen Jahren von Unternehmen als die Lösung gegen übermäßigen Plastikmüll verkauft und beworben, weil es sich angeblich unkompliziert biologisch abbauen lässt. Herkömmliche Kunststoffe werden in der Regel auf Basis von Erdöl hergestellt. Dessen Förderung ist für die Umwelt riskant und oft zerstörerisch; auch die Verbrennung von konventionellem Plastikmüll setzt klimaschädliche Treibhausgase frei.
Generell ist die Kunststoffentsorgung bislang problematisch. Denn trotz Recyclingsystemen gelangen weltweit riesige Mengen Plastik in die Umwelt und die Meere, wo sie ganze Ökosystemen gefährden. Laut Umweltbundesamt (UBA) können Mikroorganismen Plastik nicht zersetzen, es zerfällt zwar in immer kleine Stücke, aber verschwindet nie mehr vollständig.
Als Bioplastik wird teilweise Plastik genannt, dass auf der Basis von nachwachsenden organischen Rohstoffen wie etwa Zuckerrohr, Bambus oder Mais hergestellt wurde („biobasiert“) oder solches, das biologisch abbaubar sein soll.
Als biologisch abbaubar dürfen Hersteller ihr Kunststoff nennen und so beispielsweise das „Keimling“-Logo tragen, wenn er innerhalb von 90 Tagen zu 90 Prozent abgebaut werden kann. Für heim-kompostierbare Plastikprodukte gibt es zwar Zertifizierungen, aber sogar der Branchenverband European Bioplastics scheint solchen Produkten skeptisch gegenüber zu sein, wie aus einem Report hervorgeht.
Abbaubare Kaffeekapseln gehören nicht in den Biomüll
Thomas Fischer, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) äußerte Utopia gegenüber Kritik an sogenanntem biologisch abbaubarem Bioplastik. „Die vermeintliche Abbaubarkeit mag zwar unter Laborbedingungen möglich sein. Mit den Gegebenheiten in der Natur hat das aber nicht viel zu tun.“
Unter natürlichen Bedingungen könne der Abbau Jahre dauern und Lebewesen gefährden. In der Bewerbung von vermeintlich abbaubaren Biokunststoffen sieht Fischer die Gefahr, es könne zu „noch mehr Plastikmüll in der Umwelt führen und von wirklich umweltfreundlichen Mehrweglösungen ablenken.“
Laut David Wilken, Geschäftsführer der Bundesgütegemeinschaft Kompost (BGK), können biologisch abbaubare Kunststoffe den Kompostierungsprozess sogar erheblich beeinträchtigen, da sie sich unter Praxisbedingungen unzureichend zersetzen. Für den Kompost haben Produkte keinen Nutzen, so der Experte. Sie können „weder Nährstoffe bereitstellen noch zum Substrataufbau beitragen.“ Als Plastikschnipsel oder Mikroplastik könne nicht abgebautes Material über den Kompost in die Böden gelangen. „Aus diesen Gründen sollten Produkte aus abbaubaren Kunststoffen keinesfalls in die Bioabfallsammlung gegeben werden“, so Wilken.
Nespresso-Kapseln in den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne?
Nestlé argumentiert bisher, dass die Aluminiumkapseln bereits recycelbar sind und aus 80 Prozent recyceltem Aluminium hergestellt sind. Über den Gelben Sack könnten die Kapseln laut Unternehmen entsorgt werden. Dem widersprechen aber DUH und BGK.
Gegenüber Utopia erklärte Nespresso, dass das Unternehmen seit 1993 mit dem Grünen Punkt kooperiere. Demnach stelle der Kaffeesatz kein Problem beim Recycling der Kapseln da, weshalb die Aluminiumkapseln in den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne könnten. „Das Recycling von Aluminiumkapseln funktioniert über das Duale System sehr zuverlässig. Nespresso Kapseln werden im Sortierprozess sicher erkannt. In den modernen Anlagen des Dualen Systems werden aluminiumhaltige Verpackungen aussortiert und zu Ballen gepresst, die dann zu neuem Aluminium recycelt werden können“, so Nespresso.
In der ersten Phase des Recyclingprozesses würden folglich Lebensmittelreste, Lacke und Etiketten verschwelt. Die Energie dafür liefert nach Angaben des Unternehmens unter anderem der Kaffee aus den Nespresso Kapseln.
Auf Nachfrage von Utopia beim Grünen Punkt bestätigte ein Sprecher die Aussagen von Nespresso. Nach dem europäischem Verpackungsgesetz zählen Kaffeekaspeln mit Kaffeeresten grundsätzlich nicht zu Verpackungen und dürften eigentlich nicht in dem Gelben Sack entsorgt werden.
Dennoch gibt es für Unternehmen eine Möglichkeit, dass Verbraucher:innen die Produkte dennoch zum Recycling geben können – mit Hilfe des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Dazu müssen Unternehmen die Finanzierung für das Recycling übernehmen und dafür Sorge tragen, dass deren Produkte recycelt werden können. Im Fall von Nespresso bestätigte der Grüne Punkt, dass die Kaffeekapseln von Nespresso samt Kaffeerest recyclingfähig sind und sie somit im Gelben Sack beziehungsweise der Gelben Tonne entsorgt werden können.
Nachwachsender Rohstoff für Nespresso – Wo kommt er her?
Charles Héaulmé, CEO von Huhtamaki, Partner von Nespresso in der Entwicklung der Papierkapsel, betont, dass die Papier-Kapsel eine „nachhaltige Alternative für Nespresso-Liebhaber“ sei. Denn die Kapsel bilde eine Technologie aus Papierzellstoff aus Holzfasern, die einem „natürlichen, erneuerbaren Material“ entsprechen würden.
Ein nachwachsender Rohstoff soll bei manchen Kapseln also das Aluminium ersetzen, das bei Produktion und Recycling eine Menge Energie verbraucht – wenngleich laut UBA Aluminium-Recycling 95 Prozent Energie im Vergleich zur Primärproduktion einspart. Zudem wird demnach beim Recycling bis zu 50 Prozent Primäraluminium hinzugeben, um die Qualitätsanforderungen erfüllen zu können.
Doch nur weil Papier, beziehungsweise Holz nachwächst, ist es nicht automatisch besser als Plastik oder Aluminium. Frank Wellenreuther vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) erklärte gegenüber Utopia, dass sichergestellt werden müsse, dass „genau so viel Holz nachwächst, wie auch verwendet wird.“ Doch er warnt: „Global ist das nicht so, die Waldfläche geht zurück.“ Woher Nespresso das Holz bezieht, lässt der Konzern offen.
Nespresso startet Testphase zunächst in anderen Ländern
Mit den neuen Kapseln wird Nespresso vier neue Sorten auf den Markt bringen. Darunter ein Biokaffee. Die neuen Produkte testet Nestlé zunächst in Frankreich und der Schweiz. Innerhalb eines Jahres wird der Konzern die Testphase auf weitere europäische Länder ausweiten, ob Deutschland mit dabei ist, ist bisher noch unklar. Aber wahrscheinlich.
Bessere Varianten, um Kaffee zu kochen
Laut der DUH wurden 2019 in Deutschland insgesamt 3,4 Milliarden Kaffeekapseln verbraucht und damit 13.500 Tonnen Aluminium-, Plastik- und Papiermüll erzeugt. Wer bereits eine Nespresso-Maschine zuhause hat und diese weiter benutzen möchte, fährt mit kompostierbaren Kapseln nur wenig besser. Auch wenn es grundsätzlich zu begrüßen ist, dass große Unternehmen oder gar Marktführer mit alten, umweltschädlichen Praxen brechen oder zumindest versuchen, nachhaltiger zu wirtschaften.
In diesem Fall bleiben wiederverwendbare Kapseln die umweltschonendere Alternative, die man zum Beispiel mit Fairtrade-Kaffee befüllen kann.
Wer kein Interesse an der Nutzung von Kaffeekapseln jeglicher Art hat, findet hier weitere Tipps, wie man Kaffee macht: Slow Coffee: Das sind die besten Arten, richtig guten Kaffee zu machen.
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