Gebote und Verbote, dicke Informationsbroschüren oder Geld als Belohnung – die Verbraucherpolitik arbeitet mit vielen Methoden. Nudging ist dabei noch relativ neu. Die Idee ist simpel: Einen kleinen Stupser in eine bestimmte Richtung geben.
„Nudging“ bedeutet „anstupsen“ und genau das ist die Grundidee des Konzepts: Den Konsument:innen soll ein kleiner Stupser gegeben werden, der ihn oder sie zum Nachdenken bringt und dazu anregt, das eigene Konsumverhalten zu überdenken. Wenn es um Verhaltensanstöße geht, die umweltfreundlichere Entscheidungen herbeiführen sollen, spricht man von Green Nudging.
Nudges sollen dabei helfen, ökologisches Verhalten zu vereinfachen und Gewohnheiten zu durchbrechen. Der Begriff wird vor allem im politischen Zusammenhang diskutiert. So erklärt eine Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2017, dass Nudging als ein Instrument genutzt werden sollte, den jährlichen CO₂-Ausstoß von derzeit etwa elf Tonnen pro Person auf eine Tonne zu senken. Diese Reduktion hätte ermöglicht, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen – also die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Laut dem CO₂-Rechner des Umweltbundesamtes für Umwelt stoßen Menschen in Deutschland jährlich jedoch noch fast genauso viel aus wie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie: nämlich knapp über zehn Tonnen pro Person jährlich.
Augenscheinlich hat das Green Nudging bisher nicht so funktioniert wie geplant. Woran lag das und was können wir jetzt tun?
Die Psychologie hinter Nudging
Die Verhaltensforschung in der Psychologie spricht vom „Attitude-Behavior-Gap„, der Einstellungs-Verhaltens-Lücke. Das Konzept dahinter: Viele haben bestimmte Einstellungen zu einem Thema, finden beispielsweise Nachhaltigkeit gut und wichtig. Sie setzen diese Einstellung aber nicht in ihrem Alltag um, oft vor allem, weil sie zu sehr in ihren lange trainierten Gewohnheiten stecken. Nudges sollen diese Lücke schließen oder zumindest der Impuls dazu sein, die Lücke zu überwinden und die eigenen Einstellungen auch in Handeln umzusetzen.
Nudges sind keine finanziellen Anreize und keine Ge- oder Verbote. Vielmehr sind Nudges kleine Verhaltensinterventionen.
Wie lässt sich Nudging umsetzen?
Dabei haben Nudges die unterschiedlichsten Gestalten:
- Manchmal müssen Dinge einfach nur vereinfacht werden, damit wir sie besser und schneller begreifen können.
- Konkrete Information über beispielsweise Wasser- oder Stromverbrauch kann reichen, um jemanden zur Verhaltensänderung zu bewegen.
- Menschen neigen gerade bei einfachen Entscheidungen eher dazu, den „Ist-Zustand“ zu wählen. Das nennt sich Default-Option. Mit Nudges kannst du dir diese Eigenschaft zunutze machen: Wenn zum Beispiel der Drucker auf beidseitiges Drucken eingestellt ist, werden die meisten die Einstellung beibehalten, statt sie zu ändern. Im Sinne des Nudging sollten also beispielsweise technische Geräte auf umweltfreundliche Anwendungen voreingestellt werden. Die Default-Regeln gelten übrigens als die effektivste Nudging-Variante.
- Soziale Normen, also Regeln, die das soziale Umfeld vermittelt, beeinflussen viele unserer Entscheidungen. Dabei ist der Gedanke häufig: Wenn andere das so machen, dann bin ich viel gewillter, das Gleiche zu tun.
Beispiele für Green Nudging
Das Umweltbundesamt arbeitet in seiner Studie für Deutschland mehrere umsetzbare ökologische Nudges heraus, betont aber auch, dass viele davon eher durch Selbstregulierungsinitiativen umsetzbar sind. Das heißt, in den meisten Fällen müssen Verbraucher:innen oder Unternehmen selbst die Entscheidung treffen, einen Nudge einzusetzen. Beispiele für Nudges könnten demnach sein:
- Der Einbau einer Verbrauchsanzeige für die Dusche, die den Wasserverbrauch beim Duschen misst.
- Zugezogene erhalten kostenlose Probetickets für die öffentlichen Verkehrsmittel. Dadurch könnte der ÖPNV attraktiver werden.
- In Supermärkten könnten Einkaufswagen optisch unterteilt werden in Fächer für Obst und Gemüse, Fleisch und Milchprodukte. Dadurch lässt sich der Fleischkonsum verdeutlichen und reduzieren.
- Buffets und Auslagen mit Lebensmitteln in Hotels könnten anders gestaltet werden, sodass die Gäst:innen eher zu den gesunden und ökologischeren Varianten greifen, also zu den Gerichten mit weniger Fett und Zucker und den vegetarischen Alternativen.
- Verbraucher:innen könnten ein Energiesparkonto fürs Heizen bekommen, mit dem sie zum Energiesparen motiviert werden.
Vorreiter im Thema Nudging ist Großbritannien, wo das Thema schon seit den Neunzigern in der Politik diskutiert wird. In Skandinavien wiederum gehen die Initiativen eher von der Zivilgesellschaft aus, wo sich eigens Vereine und gemeinnützige Organisationen gegründet haben, die sich mit Nudging beschäftigen. Der Zusammenschluss über Verbände oder Ähnliches ist auch laut Umweltbundesamt ein sinnvoller Weg, das Green Nudging umzusetzen.
Kritik am Nudging
Kritisiert wird am Nudging vor allem der manipulative Charakter: Durch die gezielte Beeinflussung unseres Verhaltens würden wir zu Entscheidungen gebracht, die wir ohne den Impuls durch das Nudging gar nicht so treffen würden.
Dennoch: Durch die schiere Informationsflut, mit der wir jeden Tag konfrontiert werden, ist es schlichtweg nötig, hier und da zu vereinfachen – unser Kopf macht das ganz automatisch. Nudging greift das auf und gibt einfachere Impulse als die, die eine ausführliche Informationsbroschüre zu einem Thema liefern würde.
Nudging ist schließlich kein Zwang. Die Wahlfreiheit bleibt grundsätzlich bestehen, die Nudges sollen nur einen kleinen Anstoß in eine bestimmte Richtung geben. Ob wir diese Richtung dann wählen, bleibt immer noch unsere Entscheidung – auch wenn man je nach Ziel und Vorgehen einzelnen Nudges eine gewisse Manipulationsabsicht wahrscheinlich nicht absprechen kann.
Zusätzlich gibt es Zweifel an der Wirksamkeit von Nudging, beziehungsweise unerwünschte Nebenwirkungen. Forscher:innen konnten zeigen, dass Menschen, die zuvor in eine bestimmte (in dem Fall nachhaltige) Richtung genudged wurden, sich weniger für eine größere politische Maßnahme ausgesprochen haben, in dem Fall eine CO₂-Steuer.
Green Nudging: So kannst du dir und anderen Stupser geben
Kennst du das Problem, dass du dich eigentlich nachhaltig verhalten möchtest, aber es dir bei vielen Dingen schwerfällt? Probiere es das nächste Mal doch mal anders: Versuche, dir selber kleine Anstupser zu geben. Am besten funktioniert das, wenn du es mit anderen gemeinsam machst. Wenn sich mehrere als Gruppe damit auseinandersetzen, dann könnt ihr euch gegenseitig motivieren und helfen. Hier findest du ein paar erste Ideen:
- Lade Bekannte doch mal zum gemeinsamen Kochen ein und koche ein leckeres vegetarisches Essen zusammen. Oder schreibt zusammen ein Kochbuch mit euren Lieblingsrezepten aus der vegetarischen/veganen, saisonalen und/oder regionalen Küche. So verbindet ihr Nachhaltigkeit in der Küche nicht mit Verzicht, sondern mit Genuss.
- Nimm eine:n Freund:in oder Bekannte:n mal zum Carsharing mit und zeige ihm/ihr, wie das funktioniert. Erläutere dabei die Vorteile, die du aus dem Carsharing ziehst. Falls du bisher mit dem eigenen Auto unterwegs war, lass dir das Carsharing von jemandem zeigen.
- Verschenke eine wiederverwendbare plastikfreie Trinkflasche, Obstnetze oder Boxen und Taschen zum Einkaufen, um gegen den Plastikabfall vorzugehen.
- Lege dir einen Saisonkalender zu, um den Einkauf von saisonalem Gemüse einfacher zu machen. Gib ihn an Freunde und Bekannte weiter.
- Stelle bei der Arbeit wiederverwendbare Tassen oder Becher neben den Einwegbecher-Kaffeeautomaten.
- Nimm mal jemanden mit in deinen Lieblings-Secondhand-Laden und zeige ihm oder ihr, was es da alles Tolles gibt oder hole dir von anderen Inspirationen für tolle Secondhand-Adressen.
Mit solchen Impulsen ist es einfacher, über Gewohnheiten und Verhaltensänderungen ins Gespräch zu kommen. Vielleicht fallen dir selbst noch weitere Stupser ein, mit denen du dir und anderen einen Impuls für nachhaltigeres Verhalten geben kannst.
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Überarbeitet von Denise Schmucker
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