Zucker nimmt einen wichtigen Platz in meinem Leben ein. Wie sehr er mein Leben beeinflusst, wurde mir erst bewusst, als ich einige Wochen komplett auf Zucker verzichtet habe. Ein Selbstversuch.
Ich liebe Schokolade. Jeder Tag ohne Schokolade ist für mich ein verlorener Tag. Und ich übertreibe nicht, mein Verlangen danach ist so groß, dass ich Schokolade nicht ablehnen kann, wenn sie mir angeboten wird. Außer es ist Pfefferminzschokolade – das ist vermutlich die einzige Sorte, die ich nicht gerne esse.
Ich kann Schokolade auch nicht liegen lassen und daran vorbeigehen, wenn sie für alle zur Verfügung in der Büroküche liegt. Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb habe ich zweimal über mehrere Wochen auf Zucker und damit auch auf Schokolade verzichtet. Wie es dazu kam, wie es mir bei den beiden Selbstversuchen ergangen ist und was beim zweiten Anlauf anders war.
Fastenzeit 2020: Die Idee mit dem Zuckerfasten entsteht
Der Gedanke, eine Weile auf Zucker zu verzichten, waberte Anfang 2020 einige Wochen in meinem Kopf. Ein Bekannter hatte etwa ein halbes Jahr zuvor aufgehört, Zucker zu konsumieren und von positiven Auswirkungen erzählt: Er wache morgens nicht mehr mit einem verkaterten Gefühl auf, seine Kondition habe sich verbessert und er fühle sich rundum gesünder. Das machte mich neugierig.
Als die Fastenzeit anstand, nutzte ich die Situation und startete den Selbstversuch, sechs Wochen komplett auf Zucker zu verzichten. Für mich hat die Fastenzeit keine religiöse Bedeutung, trotzdem sah ich sie als guten Rahmen, um meinen Plan durchzuziehen.
In den Tagen vor Aschermittwoch las ich Artikel darüber, wie schädlich Zucker für den Körper ist, um mich noch mehr zu motivieren. Dabei bin ich auf Interviews mit der ehemaligen MTV-Moderatorin Anastasia Zampounidis gestoßen, die seit Jahren zuckerfrei lebt. Sie nahm ich mir als Vorbild.
Meine Vorsätze für die mir bevorstehenden sechs Wochen: Kein Zucker. Wirklich keinen. Um vorbereitet zu sein, stand ich minutenlang inmitten von Lebensmitteln im Supermarkt und suchte Zutatenlisten nach allen Umschreibungen von Zucker (Glucose, Maltodextrin, …) ab – und stellte sehr vieles wieder in das Regal zurück. Ich war geschockt, wo überall Zucker enthalten ist. Für mich bedeutete das: Vieles selbst machen – zum Beispiel Brot backen und aus frischen Tomaten Soße für Nudeln kochen.
Woche 1 des Zuckerverzichts: Kurz davor, aufzugeben
Die letzten Tage vor dem Aschermittwoch, also dem ersten Tag der Fastenzeit und dem ersten Tag meines Zuckerfastens, habe ich jeden Tag mindestens einen Krapfen gegessen, einmal wurden es sogar vier Stück. Ich wollte es mir noch einmal ordentlich gut gehen lassen.
Die erste Woche meines Experiments war hart. Ein permanentes Verlangen nach Zucker war mein täglicher Begleiter. Ständig dachte ich an Schokolade und Kuchen. Eine Bäckerei zu betreten, war die absolute Qual für mich. Ein Blick auf all die leckeren zuckerüberschmierten Teilchen haben mir förmlich ins Gesicht geschrien, dass ich sie nicht essen darf. Natürlich hätte ich nachgeben können, teilweise war ich kurz davor, das Experiment abzubrechen. Zum Glück war meine Willenskraft in der Zeit groß genug. Denn so hätte es sich für mich angefühlt – wie aufgeben.
Um nicht ständig nur an Lebensmittel zu denken, die ich mir verboten hatte, habe ich mir Alternativen gesucht: Getrocknete Datteln, Mango- und Apfelmark (ohne Zucker). Fruktose kann den Insulinspiegel ebenfalls beeinflussen. Dennoch gilt hier zu unterscheiden, wie der Fruchtzucker aufgenommen wird; ob als Süße in Schokoriegeln oder in einem frischen Apfel. Trotzdem habe ich darauf geachtet, Obst nicht in übermäßigen Mengen zu essen, sondern nur dann, wenn mein Verlangen nach etwas Süßem sehr stark wurde.
Mehr Informationen dazu: Ist zu viel Obst eigentlich ungesund?
Ab Woche zwei wurde es erträglich
Ab Woche zwei wurde der Zuckerverzicht leichter. Ich hatte ein neues Frühstück für mich entdeckt: Statt Vollkorntoast mit Bionella gab es ab sofort Kokosjoghurt Natur mit Haferflocken und klein geschnittenen Datteln. Mein Snackverhalten hat sich ebenfalls drastisch geändert. Die Erkenntnis dieser zweiten Woche: Vor dem Experiment habe ich mich unbewusst beim Abendessen nicht satt gegessen. Stattdessen habe ich lieber danach noch Schokolade, Zimtschnecken oder Chips auf dem Sofa gegessen. Also musste ich die Portionen beim Abendessen vergrößern. Dadurch war ich nach dem Essen satt und das Verlangen nach einem Nachtisch kleiner.
Nach den (ersten) sechs Wochen ohne Zucker
Am Ende der sechs Wochen wollte ich gar nicht wieder anfangen, Zucker zu essen. Mir ging es gut. Es waren zwar keine weltbewegenden körperlichen Änderungen, die ich verspürte. Doch ich hatte das Gefühl weniger aufgebläht zu sein, fühlte mich ein bisschen leichter. Keine Ahnung, ob ich abgenommen habe, ich besitze seit vielen Jahren keine Waage mehr. Trotzdem hatte ich nach sechs Wochen komplett ohne Zucker kein Bedürfnis irgendwas Süßes zu essen. Es gehörte nicht mehr zu meinem Alltag.
Doch genau dieser hat mich in den Wochen und Monaten nach meinem Versuch wieder eingeholt. Auf einem Geburtstag gab es Kuchen, bei dem Treffen mit Freund:innen gab es mein Lieblings-Lakritz. Irgendwann wollte ich auch meine Tomatensoße nicht mehr selbst machen und habe wieder die fertige gekauft – mit Zucker.
Zuckerfasten: Der zweite Selbstversuch im Jahr 2023
Etwa drei Jahre später habe ich den Versuch wiederholt. Meine Motivation zum zweiten Zuckerfasten lag diesmal jedoch nicht wie beim ersten Mal darin, dass ich all die positiven Auswirkungen auf meinen Körper spüren wollte. Stattdessen fand ich meinen unbewussten und wahllosen Konsum die Jahre zwischen den Zuckerfasten teilweise so erschreckend, dass ich für mich noch einmal einen Schlussstrich darunter ziehen wollte, um dann wieder ganz bewusst mit dem Konsum umgehen zu können.
Diesmal habe ich vier Wochen auf Süßigkeiten verzichtet und somit eine verminderte Form des Zuckerverzichts durchgezogen. Im Vorfeld habe ich mir vorgenommen, auf besonders Zuckerhaltiges zu verzichten: Süßigkeiten (wie Gummibärchen und Schokolade), fertiges Müsli, süße Getränke, Chips und ähnliches, Joghurts mit Zucker, Ketchup und Balsamico-Creme.
Bei Tomatensuppe und Tomatensoßen dagegen habe ich die Fertigvarianten gegessen. Ebenso habe ich Toast gegessen – den hatte ich noch drei Wochen auf Vorrat, weil ich vor dem Selbstversuch eine neue Packung angefangen hatte. Und ja, leider enthält dieser auch Zucker.
Woche 1 und 2: Ein Fauxpas beim Essengehen
Am Anfang hatte ich keine Gelüste, kein krasses Verlangen, keine Kopfschmerzen. Es war deutlich einfacher als mein erster Zuckerverzicht drei Jahre zuvor. Vielleicht lag das daran, dass ich dieses Mal schon in den Tagen davor nur noch wenig Schokolade und andere Süßigkeiten in kleinen Mengen gegessen habe. Ich bin also sanfter in den Verzicht gestartet als das erste Mal.
Einen Fauxpas hatte ich am Ende der zweiten zuckerfreien Woche. Am Sonntagabend war ich mit Freund:innen in einem griechischen Restaurant und hatte völlig vergessen, dass ich auf Zucker verzichte. Aus Reflex bestellte ich eine Apfelschorle. Dass ich eigentlich keine zuckerhaltigen Getränke trinken wollte, ist mir erst aufgefallen, als ich sie schon fast ausgetrunken hatte.
Woche 3 ohne Süßigkeiten? Problemlos
Die dritte Woche lief erstaunlich gut. Sowohl abends auf dem Sofa als auch tagsüber hatte ich keine Gelüste auf Süßes. Was mir in dieser Woche richtig Freude bereitet hat: Zimt und Lebkuchengewürz. Wenn ich Lust hatte, habe ich etwas davon in Naturjoghurt oder aufgeschäumte Hafermilch gerührt. Kann ich nur empfehlen.
Auch am Sonntagabend dieser Woche war ich mit Freund:innen essen. Diesmal gab es Pizza. Ich lernte aus der vorherigen Woche und bestellte ein Wasser. Nach dem Essen stöberte ich mit den anderen in der Dessertkarte. Meine Freund:innen bestellten alle ein Dessert, so dass alle lecker aussehenden Süßspeisen auf dem Tisch standen. Lieberweise erkundigten sie sich vorher, ob das für mich in Ordnung ist, wenn sie was Süßes essen und ich nicht. Und tatsächlich, das war für mich überhaupt kein Problem.
Woche 4: Der Horror
Die vierte Woche dagegen war eine einzige Herausforderung. Am Montag lagen im Büro kleine Tafeln Schokolade in den Sorten Vollmilch, Zartbitter und Salzkaramell. Vor allem das Salzkaramell hat mich verlockend angelacht. Am Dienstag lag bei uns zuhause eine Packung Gummibärchen auf dem Couchtisch. Es wäre so einfach gewesen, kurz hineinzugreifen und mir eines zu nehmen. Aber ich hatte es mir fest vorgenommen, keinen Zucker zu essen. Also fasste ich nicht in die Tüte. An beiden Tagen sagte eine Stimme in mir: „Ach, diese eine Ausnahme ist ja nicht schlimm. Sieht ja auch niemand. Es bleibt ja auch nur bei dieser einen Ausnahme.“
Am Mittwoch war ich wieder im Büro. Ein Kollege hatte zweierlei Muffins mitgebracht – Schoko und helle mit Schokostückchen. Viele der Kolleg:innen um mich herum haben einen gegessen, anscheinend schmeckten sie sehr lecker. Es war das dritte Mal in dieser Woche, dass ich darüber nachdachte, eine Ausnahme zu machen. Mein Vorhaben durchzuziehen, viel mir sehr schwer.
In der vierten Woche ist mir der entscheidende Unterschied zu meinem ersten Selbstversuch bewusst geworden: Es war kein Lockdown. 2020 verbrachte ich den Großteil der sechs Wochen zuhause und konnte mein Essen selbst herstellen, es kam niemand mit selbst gebackenen Muffins oder lecker riechenden Schokoladentafeln zu mir nach Hause. 2023 war ich im Büro, in Restaurants und in Bars. Dabei merkte ich: An viel mehr Orten gibt es viel mehr Versuchungen.
Fazit: Kuchen backen ist wie Meditation
Ich finde es wichtig, Gewohnheiten zu hinterfragen und das eigene Handeln zu reflektieren. Die beiden Selbstversuche haben mir bewusst gemacht, wie viel Zucker ich eigentlich am Tag esse und auch, wie schwer es mir fällt, auf ihn zu verzichten.
Es ist natürlich leichter, sich zu Hause einzusperren und dort einfach keinen Zucker zu konsumieren, als ins Büro zu gehen und dort leckere Muffins angeboten zu bekommen. Es wird auch nach dem zweiten Versuch wieder die Zeit kommen, in der ich Zucker essen werde. Ich liebe es, Kuchen zu backen, das ist für mich wie Meditation. Es wäre schade, das nicht mehr zu tun. (Vielleicht probiere ich demnächst Backrezepte ohne Zucker aus.)
Trotzdem habe ich am Ende des Zuckerverzichts einen anderen Umgang mit Zucker. Und wie beim ersten Mal habe ich mir auch nach dem zweiten Experiment vorgenommen, Zucker nur noch bewusst zu konsumieren. Wie lange ich das umsetzen werde, weiß ich nicht. Aber falls ich in elf Monaten wieder das Gefühl habe, dass ich einen Denkanstoß brauche, werde ich auch im nächsten Jahr wieder für einige Wochen auf Zucker verzichten.
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