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„Es soll Frauen Angst machen, damit sie in der Ehe landen“

"Es soll Frauen Angst machen, damit sie in der Ehe landen und klassische Aufgaben übernehmen"
Foto: Unsplash / Nadine Shaabana

Schreckgespenst Einsamkeit: Die Autorin und Kulturwissenschaftlerin Sarah Diehl räumt in ihrem neuen Buch mit der negativen Vorstellung vom Alleinsein auf. Folgt man ihrer Argumentation, werden vor allem Frauen damit kleingehalten.

Alleinsein löst bei einigen Menschen Unbehagen aus. In der Soziologie stellte Ralf Dahrendorf einst das Konzept des „homo sociologicus“ auf. Demnach ist der Mensch ein soziales Wesen, das sich an Normen, Wertvorstellungen sowie gesellschaftlichen Erwartungen orientiert – und sich ihnen beugt.

Alleinsein kann vor diesem Hintergrund schnell „nicht dazugehören“ bedeuten. Weshalb bereits die Vorstellung, allein zu sein, vielen Menschen Sorge bereitet. Die Autorin und Kulturwissenschaftlerin Sarah Diehl will dem entgegenwirken – mit ihrem Buch „Die Freiheit, allein zu sein“.

Entgegen den „Interessen des Patriarchats“

Im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärt Diehl, das Alleinsein nicht nur etwas sei, was vermieden werden muss. Und, dass immer mehr Frauen sich entscheiden, ihren ganz eigenen Weg zu gehen – entgegen den „Interessen des Patriarchats“, wie sie sagt.

„Es wird zwar oft als ein passiver Zustand wahrgenommen, man fühlt sich ausgeschlossen von der Gemeinschaft. Man kann es aber auch als Raum erleben, den man aktiv gestalten kann“, so Diehl im Gespräch mit dem RND. Menschen lernten schon früh – etwa in der Familie oder Schule – dass sie durch die Anerkennung ihrer Mitmenschen einen Wert bekommen. „Um uns wertvoll zu fühlen, müssen wir die Wertmaßstäbe anderer erfüllen. Ich kann mir aber auch selbst einen Wert geben, das sind nur die meisten von uns nicht gewohnt“, sagt Diehl. Das Alleinsein könne helfen, das eigene Potenzial sowie die „Zwänge der Gesellschaft“ zu erkennen.

„Frauen haben angeblich keine eigenen Bedürfnisse“

Für Frauen haben diese Zwänge bislang einschneidende Folgen. Bei ihnen sei es gesellschaftlich nicht gewollt, dass sie gern allein, kinderlos oder unverheiratet zufrieden sind. Laut Diehl hängt das mit der patriarchalen sowie kapitalistischen Gesellschaftsstruktur zusammen, die Frauen eine bestimmte Rolle zuweisen würden. „Als unbezahlte fleißige Arbeiterin, die die Betreuung von Kindern und den Haushalt übernimmt, und als Begehrensobjekt für Männer. So wurde unser Frauenbild kreiert: Frauen haben angeblich keine eigenen Bedürfnisse, sondern sollen nur für andere da sein, für Wärme und sozialen Kitt sorgen.“

Viele Frauen würden sich damit identifizieren, schließlich bringe es gesellschaftliche Anerkennung. „Und Frauen müssen Anerkennung immer noch mehr im Privaten suchen, weil sie ihnen im beruflichen und im öffentlichen Raum weniger zugestanden wird.“ Gehen die Betroffenen einen anderen Weg – etwa ohne Partner oder Mutterrolle – wird ihnen laut Diehl schneller als Männern Egoismus vorgehalten. Dass Frauen zu Hause unentgeltlich arbeiten, ist laut der Autorin explizit erwünscht.

Diehl: Frauen haben meist bessere soziale Fähigkeiten

Das „Schreckgespenst der Einsamkeit“ werde auf Frauen übertragen, denn „es soll Frauen Angst machen, damit sie in der Ehe landen und die klassischen Aufgaben übernehmen“, so die Autorin. Jedoch hätten die Betroffenen meist besser soziale Fähigkeiten, auch ohne Partner gut zu leben, als Männer. Die Folge laut Diehl: Ein immer größerer Anteil der Frauen – auch über 50 – würden sich bewusst für das Alleinsein entscheiden, „weil sie keinen Bock mehr auf eine lieblose Ehe haben“.

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