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Jede:r Vierte hat eine Fettleber: Meist nicht Alkohol schuld

Jede:r Vierte leidet an Fettleber: Expertin warnt vor "stummer Entzündung"
Foto: Deutsche Leberstiftung, CC0 Public Domain - Pexels/ Cottonbro-studio

In Deutschland leiden circa 25 Prozent der Bevölkerung an einer Fettleber, warnt eine Gastroenterologin im Utopia-Interview. Doch die Krankheit ist vor allem in der Frühphase schwer zu erkennen. Wie man sie identifiziert und richtig vorbeugt.

Elke Roeb leitet die Gastroenterologie am Universitätsklinikum der Justus-Liebig-Universität in Gießen und ist Expertin für Fettlebererkrankungen. Die Krankheit wird oft mit Alkoholismus assoziiert – doch Roeb erklärt im Gespräch mit Utopia, dass andere Ursachen viel häufiger sind. Tatsächlich ist die Fettleber laut Deutscher Leberstiftung bereits die gängigste Lebererkrankung in Deutschland, Millionen Menschen sind betroffen. Die Expertin gibt Tipps, wie man richtig vorbeugt.

Utopia: Wie viele Menschen in Deutschland leiden an einer Fettleber?

Elke Roeb: Wir gehen momentan davon aus, dass in Deutschland mindestens 25 Prozent der Bevölkerung an einer Fettleber leiden – also jeder Vierte.

„Viele Fettlebererkrankungen verlaufen völlig symptomlos“

Utopia: Woran erkenne ich, ob ich betroffen bin?

Roeb: Viele Fettlebererkrankungen verlaufen völlig symptomlos, zumindest in der Frühphase. Deshalb spricht man von einer „stummen Entzündung“. Teils werden diffuse Beschwerden wie Müdigkeit, Völlegefühl oder Schmerzen im Oberbauch angegeben. Sichtbar wird die Erkrankung erst, wenn man die Leberwerte misst. Diese werden teils routinemäßig bei einem Check-up beim Hausarzt überprüft.

Utopia: Solche Check-ups sind ab 35 Jahren üblich. Sind auch Menschen unter 35 betroffen?

Roeb: Ja, auch Kinder. Jedes Dritte übergewichtige Kind entwickelt eine Fettleber. Insofern kommt der Check-up mit 35 zu spät. Allerdings besteht ein gewisses Risikobewusstsein bei Kinderärzten.

Folgen der Fettleber: Von Entzündung bis Leberkrebs

Utopia: Welche Folgen kann eine unbehandelte Fettlebererkrankung haben?

Roeb: Die Verfettung der Leber führt zunächst zu einer Entzündung, die chronisch werden kann. Dann kommt es zu einer Organvernarbung, man spricht dann von einer Leberfibrose oder „Verhärtung der Leber“. In einem späten Stadium der Fibrose – der sogenannten Leberzirrhose – kann die Leber ihre Funktionen wie zum Beispiel die Entgiftung des Körpers nur eingeschränkt ausüben. Bis die Leber dieses Endstadium erreicht, können mehrere Jahre oder Jahrzehnte vergehen.

Utopia: Kann man an einer Fettleber sterben?

Roeb: Wenn sie nicht behandelt wird und es zu einer Fibrose beziehungsweise Zirrhose kommt, dann ja. Bei der Fibrose beziehungsweise Zirrhose können schwere Komplikationen auftreten, zum Beispiel Leberkrebs, Blutungen und Leberkoma.

Utopia: Was ist die wichtigste Ursache von Fettlebererkrankungen in Deutschland?

Roeb: Bewegungsmangel, gefolgt von falscher Ernährung. Das hängt eng mit unserer Lebensweise zusammen. Essen ist frei verfügbar, Bewegung oft kein großer Teil des Alltags mehr, industriell verarbeitete Kost ohne Ballaststoffe dafür schon. Nehmen wir mehr Nährstoffe auf als wir verbrauchen, werden diese für den Notfall in der Leber gespeichert. Das führt mit der Zeit zu einer Fettleber.

„Männer sind in der Regel gefährdeter als Frauen“

Utopia: Gibt es neben Bewegungsmangel und einer falschen Ernährung noch andere Ursachen für die Entstehung einer Fettleber?

Roeb: Ja, zum Beispiel Alkohol, Fettstoffwechselstörungen, Drogen oder bestimmte Medikamente. Auch genetische Faktoren oder drastischer Gewichtsverlust können eine Rolle spielen. Die Verfettung ist eine sehr häufige Reaktion der Leberzellen auf Giftstoffe oder Schädigung, auch etwa durch Unterernährung. Aber im Verhältnis zu einem ungünstigen Lebensstil sind diese Ursachen vernachlässigbar. In 95 Prozent der Fälle leiden Menschen wegen Bewegungsmangel und falscher Ernährung an einer Fettleber.

Utopia: Dabei werden Fettlebern vor allem mit Alkohol assoziiert. Wie kommt das?

Roeb: Dass Alkohol eine Fettleber auslösen kann, ist seit mehr als 100 Jahren bekannt. Dass Bewegungsmangel und Übergewicht zu einer Fettleber führen, wissen wir erst seit circa 25 Jahren – die Tatsache hat sich bei vielen Menschen noch nicht herumgesprochen. Dazu kommt, dass das Krankheitsbild früher viel seltener war. Bei unseren Eltern oder Großeltern gab es vielleicht ein dickes Kind in der Klasse, mittlerweile sind bis zu 10 Prozent der Kinder übergewichtig. Die Voraussetzungen für eine Fettlebererkrankung nehmen zu. Männer sind in der Regel gefährdeter als Frauen.

Utopia: Wieso sind Männer gefährdeter als Frauen?

Roeb: Das hängt einmal damit zusammen, dass Männer aus genetischen Gründen eher Bauchfett entwickeln. Das begünstigt die Verfettung der Leber. Auch beim Rauchen und Trinken zeigen Männer mehr Risikoverhalten.

Fettleber vorbeugen: Welche Lebensmittel man vermeiden sollte

Utopia: Wie viel Bewegung braucht es, um einer Fettlebererkrankung vorzubeugen?

Roeb: Die Deutsche Leberstiftung empfiehlt 150 Minuten Ausdauerbewegung, am besten verteilt auf 3-4 Tage in der Woche. Man kann als Training zum Beispiel zügig gehen, wandern, Rad fahren oder schwimmen. Trainiert man über 30 Minuten, kommt es zu einem langsamen Abbau der Fette in der Leber.

Utopia: Welche Lebensmittel sollte man meiden oder nur in geringen Maßen essen, um eine Fettlebererkrankung zu vermeiden?

Roeb: Lebensmittel mit einem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren. Diese sind zum Beispiel oft in tierischen Produkten enthalten, zum Beispiel in Butter, Fleisch, Wurst oder Käse, aber auch in pflanzlichen Quellen wie Kokosfett. Dazu hochkonzentrierte Fruktose, künstliche Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe, wie sie in Fertigprodukten enthalten sind.

Utopia: Und wie ernährt man sich leberfreundlich?

Roeb: Die Basis der Ernährung sollte frisches Gemüse wie Tomaten, Paprika, Fenchel und Zucchini bilden. Auch Obst, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und Kartoffel sind gut für die Leber. Fett muss man nicht vermeiden, sollte aber die richtigen Fette zu sich nehmen, also mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Diese stecken oft in pflanzlichen Quellen wie zum Beispiel in Nüssen oder Saaten. Auch Fisch enthält ungesättigte Fettsäuren und dazu viel Eiweiß, das ist ebenfalls günstig für die Leber.

Utopia: Die Deutsche Leberstiftung hat ein Kochbuch für leberfreundliche Ernährung herausgebracht. Welche Rezepte können Sie empfehlen?

Roeb: Mein Lieblingsrezept ist die Power-Bowl. Dafür braucht man Quinoa, Rotkohl, Tofu, Apfel, Radieschen und Möhren. Das Essen liefert viel Eiweiß und Ballaststoffe und ist schnell zubereitet: Einfach die Quinoa mit Wasser und Salz kochen, die übrigen Zutaten kleinschnipseln und alles in einer Schüssel anrichten, zum Beispiel mit einem Joghurt-Dressing. Als warme Mahlzeit empfehle ich ein Curry mit Spinat, Süßkartoffeln, Kichererbsen und Reis, am besten abgeschmeckt mit etwas Minze. Allgemein würde ich empfehlen, mit möglichst viel frischem Gemüse zu kochen, am besten kombiniert mit Getreide oder Hülsenfrüchten als Sättigungsbeilage.

Jede:r Vierte leidet an Fettleber: Expertin warnt vor "stummer Entzündung"
Leberfreundliche Rezepte stellt die Deutsche Leberstiftung in ihrem Buch „Das große Kochbuch für die Leber“ vor (– erschienen im Humboldt Verlag). Hier abgebildet: Eine Power-Bowl und ein Süßkartoffel-Spinat-Curry. (Deutsche Leberstiftung, fotografiert von: medJUNGE/Anna-Katharina Junge)

„Man darf den Bewegungsdrang von Kindern nicht hemmen“

Utopia: Was müsste unsere Gesellschaft ändern, um Fettlebererkrankungen besser einzudämmen?

Roeb: Früher war fast jedes Kind in einem Sportverein, damals waren auch Fettlebererkrankungen seltener. Heute müssen Sportvereine nach und nach schließen. Das halte ich für fatal. Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang, diesen sollte man fördern und darf ihn nicht durch Tablet, Handy oder Fernsehen hemmen. Für Kinder – und für uns alle – muss Bewegung zum Alltag gehören.

Auch Kitas und Kindergärten sollten Kinder über die Risiken von zu wenig Bewegung und ungesunder Ernährung informieren – und ihnen durch Beispiele zeigen, wie es besser geht. Wenn Kinder das alles vermittelt bekommen, ist die Chance hoch, dass sie sich auch als Erwachsene gesünder ernähren und mehr bewegen.

Utopia: Und Erwachsene? Welche Maßnahmen können wir ergreifen, um unser Risiko für eine Fettleber zu reduzieren?

Roeb: Erwachsene sollten mehr selbst kochen und bewusst gesunde Lebensmittel einkaufen statt industriell verarbeiteter Kost. Und regelmäßig Ausdauersport treiben sowie nur wenig Alkohol und keine Drogen oder Nikotin konsumieren.

Dieses Interview wurde im August 2023 erstmals veröffentlicht.

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