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Tier-Produkte, Billig-Flüge, Abgabe für Reiche: Regierung will, dass wir unser Leben ändern

Tierische Produkte, Billig-Flüge, Abgabe für Reiche: Regierungspapier fordert Umstellung der Lebensgewohnheiten.
pixabay / ThePixelman / webandi

Die Koalition bereitet ein Klimaschutz-Sofortprogramm vor. Demnach sollen Bürger:innen ihre Lebensgewohnheiten ändern. Günstige tierische Erzeugnisse sowie Billig-Flugreisen gehören dem Papier zufolge bald der Vergangenheit an. Doch nicht alles soll teurer werden.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP ein Klimaschutz-Sofortprogramm angekündigt. Nun nimmt der Plan der Ampelparteien offenbar Form an. Ein Entwurf des Regierungspapiers, das verschiedene Maßnahmen mehrere Ressorts umfasst, muss noch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden.

Erste Details wurden nun aber schon öffentlich. Wie die Welt berichtet, ist das Dokument bislang 99 Seiten lang – und sieht teils deutliche Maßnahmen vor allem für Privathaushalte vor.

Lebensmittelpreise sollen an „Klimawirkung“ angepasst werden

So erwägt die Regierung laut Medienbericht einerseits eine Vergünstigung bestimmter Lebensmittel, die eine gesunde und klimafreundliche Ernährungsweise fördern. Demnach werde geprüft, die Mehrwertsteuer für Nahrungsmittel entsprechend ihrer „Klimawirkung“ anzupassen. Anderseits sollen tierische Produkte offenbar teurer werden. „Eine Reduktion der Tierbestände sollte auch aus diesem Grund mit einer Verringerung des Konsums von Produkten tierischen Ursprungs einhergehen (…) Die Einführung einer Abgabe auf tierische Produkte könnte zu diesem Ziel beitragen“, zitiert die Welt aus dem Regierungspapier.

Sozial- und Verbraucherverbände hatten bereits gefordert, für Lebensmittel wie Obst und Gemüse die Mehrwertsteuer auf null Prozent zu setzen. Agrarminister Cem Özdemir unterstützt die Forderungen. Die Pläne aber sind in der Koalition umstritten.

Restriktionen auch bei Billig-Flügen geplant

Auch der Deutsche Presse-Agentur (dpa) liegt der Entwurf zum Klimaschutz-Sofortprogramm vor. Demnach plant Bundesverkehrsminister Volker Wissing ein Maßnahmenpaket, um CO2-Emissionen im Verkehrsbereich zu verringern. Eine „Plattform Klimaschutz in der Mobilität“ des Ministeriums solle bis Ende 2022 gesellschaftlich und wirtschaftlich tragfähige Maßnahmen zum Verkleinern der verbleibenden CO2-Lücke erarbeiten, heißt es im Entwurf.

Laut Welt soll es außerdem keine Flüge mehr zu Billig-Preisen geben. „Wir werden uns bei der Europäischen Union dafür einsetzen, dass Flugtickets nicht zu einem Preis unterhalb der Steuern, Zuschläge, Entgelte und Gebühren verkauft werden dürfen“, heißt es laut Medienbericht in dem Dokument. Bereits 2020 war ein ähnlicher Vorstoß an EU-Recht gescheitert.

„Nur noch klimafreundliche Produkte“ ab 2045?

Auch die Industrie muss sich, wenn es nach dem Regierungsvorhaben geht, verändern. Ziel sei es, dass Unternehmen im Jahr 2045 „nur noch klimafreundliche Produkte herstellen“ – oder zumindest mit „minimalem CO2-Fußabdruck“. Dies könne jedoch zwischenzeitlich zu erhöhten Preisen bei entsprechenden Konsumgütern führen. Ein sogenanntes Klimageld könnte dies wiederum abfedern.

Besonders einkommensstarke Haushalte – im Entwurf ist laut Welt von den „zehn Prozent der Haushalte mit den höchsten Einkommen“ die Rede – sollen ebenfalls mehr für den Klimaschutz bezahlen. Details nenne das Dokument allerdings nicht. Hier heißt es lediglich, dass Wirtschaft, Industrie und diejenigen Haushalte mit höheren Emissionen „einen größeren Beitrag zur Vermeidung von Emissionen leisten“ müssten. Das Dokument führt an: Zehn Prozent der Haushalte mit den höchsten Einkommen verursachten ungefähr dreimal so hohe Treibhausgasemissionen wie die zehn Prozent der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen.

Abschaffung der EEG-Umlage bereits beschlossen

Im Entwurf enthalten sind auch Maßnahmen, die bereits beschlossen wurden, etwa die Abschaffung der EEG-Umlage, sowie Maßnahmen, die bereits auf den Weg gebracht worden sind. Dazu gehört ein schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien.

Eine Sprecherin von Klimaschutzminister Robert Habeck sagte Ende April der dpa, das Papier befinde sich in der Ressortabstimmung. Das Ministerium sammle die Beiträge der Ressorts ein. In einem nächsten Schritt müssten diese auf ihre Klimaschutzwirkung hin bewertet und dann Entscheidungen über Maßnahmen im Ressortkreis getroffen werden. Ziel sei es, das Sofortprogramm vor der Sommerpause im Kabinett zu verabschieden. In allen Sektoren gebe es Nachholbedarf, und es bestünden erhebliche Lücken bei den Klimazielen.

Utopia meint: Mehr Klimaschutz in Deutschland ist angesichts der voranschreitenden Erderwärmung zwingend notwendig – daher ist ein Sofortprogramm, das genau das bezwecken will, grundsätzlich begrüßenswert. Allerdings muss eine ausgewogene Balance zwischen individueller Verantwortung und politischer, industrieller sowie wirtschaftlicher Rechenschaft gefunden werden. Zu letzterem gehören unter anderem der Ausbau und die Nutzung Erneuerbarer Energien, die Schaffung einer Infrastruktur für klimafreundliche Antriebstechnologien wie auch Reduzierung von Treibhausgasemissionen in Herstellungsprozessen. Auch wenn jede:r einen wichtigen Beitrag für mehr Umwelt- und Klimaschutz – etwa mittels Konsumentscheidungen – leisten kann, ist ein systemischer Wandel unabdingbar. Deshalb braucht es Regierungsprogramme wie dieses.

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