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„Reine Populationen“? Das sagt der Medizin-Nobelpreisträger zu Rassismus

Der schwedische Evolutionsforscher Svante Pääbo steht im Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig an der Nachbildung eines Neandertaler-Skeletts.
Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Was macht den modernen Menschen so einzigartig? Was unterscheidet ihn von seinen ausgestorbenen Verwandten? Solchen Fragen zur menschlichen Evolution widmet sich Svante Pääbo seit vielen Jahren. Seine großen Erfolge werden nun mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Er entzifferte das Genom des Neandertalers und entdeckte den bis dato unbekannten Denisova-Menschen: Für seine Forschung zur Evolution des Menschen und zu dessen ausgestorbenen Verwandten erhält der in Leipzig arbeitende schwedische Evolutionsforscher Svante Pääbo den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie. Pääbo ist Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA).

Zu den wesentlichen Forschungsergebnissen Pääbos gehört die Erkenntnis, dass Erbgut-Spuren des Neandertalers noch heute in der DNA des Menschen zu finden sind – die beiden Arten hatten sich in ihrer gemeinsamen Zeit auf der Erde untereinander vermehrt. Ein weiterer Meilenstein seiner Karriere war die Entdeckung des sogenannten Denisova-Menschen, einem anderen ausgestorbenen Verwandten des modernen Homo sapiens.

DNA ist ein recht instabiles Molekül und zerfällt im Laufe der Zeit in immer kleinere Bruchstücke. Zudem erschweren Verunreinigungen die Analyse. Dennoch gelang es dem Forscher, Erbgut des Neandertalers aus alten Knochenfragmenten zu isolieren und zu analysieren.

Urmenschen haben sich immer vermischt

2010 stellte Pääbo eine erste Version des Neandertaler-Genoms vor. Vergleiche mit dem Erbgut des modernen Menschen zeigten unter anderem, dass bei Menschen mit europäischer oder asiatischer Herkunft etwa 1 bis 4 Prozent des Genoms auf den Neandertaler zurückgehen. Homo sapiens und Homo neandertalensis mussten also Kinder miteinander gezeugt haben. Nachdem der Wissenschaftler diese Erkenntnis erlangte, begann er neu über die Menschen und „über unsere Art“ nachzudenken, sagte Pääbo gegenüber der Zeit.

Anhand seiner Forschung weiß Pääbo: „Der Mensch hat sich seit Urzeiten immer gemischt.“ Daher betont der Wissenschaftler, dass Rassismus nicht auf wissenschaftlichen Annahmen oder der Biologie beruht, sondern auf dem Denken von Menschen. Man müsse Rassismus ethisch und politisch begegnen. „Aber es ist natürlich erfüllend, wenn Forschende zum Beispiel herausfinden, dass es nie „reine“ Populationen gab, wie es sich manche vorstellen“, erklärte Pääbo in der Zeit.

Die Frühmenschen-Form Denisova-Menschen

Mit dem Denisova-Menschen hatte Pääbo eine bisher unbekannte Frühmenschen-Form entdeckt. Ein winziges, 40.000 Jahre altes Fingerknochenfragment war 2008 in der Denisova-Höhle in Sibirien gefunden worden. Untersuchungen der daraus gewonnen DNA zeigten, dass sich diese von der des Menschen und von der des Neandertalers unterschied.

Zu sehen, wie wir heute mit Denisova-Menschen umgehen würden, wenn es sie noch heute geben würde, findet Pääbo interessant. „Würden wir Urmenschen in einen Zoo sperren oder würden sie in den Vororten leben? Würden wir einen noch schlimmeren Rassismus sehen, weil sich die Denisovaner vielleicht tatsächlich von uns unterscheiden? Oder würden wir diese klare Grenzziehung zwischen Tieren und Menschen, die viele von uns für selbstverständlich halten, anders betrachten?“, fragte der Wissenschaftler im Zeit-Interview.

Die Erbgut-Spuren unserer ausgestorbenen Verwandten beeinflussen bis heute die Gesundheit des Menschen. So gebe es etwa Neandertaler-Gene, die auf die Immunantwort bei verschiedenen Infektionen wirkten, so das Nobelkomitee.

Mit Material der dpa

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