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Schluss damit! Warum Berlins öffentliche Toiletten sexistisch sind

Schluss damit! Warum Berlins öffentliche Toiletten sexistisch sind.
pexels / tim ossholder

Kürzlich hat Berlin ein öffentliches Toiletten-Häuschen eingeweiht. Was erstmal harmlos klingt, ist durchweg diskriminierend. Unsere Autorin ist sauer: In welcher Gesellschaft wollen wir eigentlich leben? Ein Kommentar.

Der Gang aufs Klo in Großstädten ist ohnehin schon ein Spießroutenlauf. Du bist unterwegs, hast Notdurft, suchst eine Toilette in deiner Nähe. Wenn du Glück hast, findest du ein öffentliches Klo.

In Berlin sind es mehr als 350 – bei rund 3,6 Millionen Einwohner:innen. Jetzt ließe sich darüber streiten, ob die Anzahl bei so vielen Menschen nicht zu gering wäre. Doch das eigentliche Problem bergen die Toiletten-Häuschen selbst. Sie sind sexistisch – denn sie bevorzugen all jene Menschen, die im Stehen in ein Pissoir urinieren. Und das sind in der Regel Männer.

Die Toiletten-Firma Wall hat kürzlich sein letztes Häuschen in der Bundeshauptstadt aufgestellt und feierlich eingeweiht, wie der rbb berichtet hat. Das Unternehmen betreibt somit 278 öffentliche Toiletten in Berlin, die laut Berliner Woche ähnlich ausgestattet sind. Dafür bezahlt wird Wall dem Bericht zufolge von der Stadt. Neben der Instandhaltung sowie der Reinigung geht somit auch der Kauf der Häuschen auf das Konto des Stadtstaats – wird also von Steuerzahler:innen mitgetragen.

Fair ist das nicht, von Gleichberechtigung ganz zu schweigen

Umso unverschämter also, dass das neu eingeweihte Toiletten-Häuschen Pissoirs kostenlos zur Verfügung stellt, während die Sitz-Toilette bei jedem Gang 50 Cent von ihren Benutzer:innen verlangt. Und das sind in der Regel Frauen und all die Menschen, die sich nicht in ein übliches Urinal erleichtern können.

Darauf angesprochen, zeigte sich eine Frau gegenüber dem rbb verärgert: „Männer können hier überall frei auf Toilette gehen. Warum kann ich das nicht?“. Ja, warum eigentlich? Weil manche Männer ihre Notdurft im Freien verrichten – Stichwort Wildpinkler. Sie werden dafür mit kostenlosen Urinalen auch noch belohnt. Fair ist das nicht, von Gleichberechtigung ganz zu schweigen.

Berlins Bürgermeisterin Bettina Jarasch (Die Grünen) versteht diesen Einwand aber offenbar nicht. Dem rbb sagte sie, Hygieneaspekte stünden im Vordergrund: „Für die allermeisten Frauen, ich bin selbst eine, ist ein entscheidender Punkt, um öffentliche Toiletten zu benutzen, dass sie halbwegs gut sind, sauber sind, und dass man eine Tür hinter sich abschließen kann.“ Bei den Pissoirs, so die Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, ginge es nicht darum „den Männern das Geld zu ersparen, sondern es gibt eben Männer, die pinkeln in den öffentlichen Raum“. Dies sei „deutlich ekeliger“. Also doch: Wildpinkeln wird honoriert.

Auch wenn die Intention eine pragmatische sein mag, öffentlichen Raum reinlich halten zu wollen, läuft es am Ende auf die Diskriminierung zwischen den Geschlechtern hinaus. Und das sollten wir so nicht hinnehmen. Die Journalistin Hanna Herbst drehte deshalb auf Twitter den Spieß um und kommentierte: „Vielleicht sollten Frauen auch einfach anfangen, überall hinzupinkeln?“

Da hilft es auch wenig, mit Sicherheit zu argumentieren, wie es Frau Jarasch andeutete. Denn sollten wir für eine abgeschlossene Tür, die vor möglichen Triebtäter:innen beim Urinieren schützt, wirklich bezahlen müssen? Das Problem hier liegt doch ganz woanders, die Verantwortung nicht bei den Opfern. Ernsthaft: In welcher Gesellschaft wollen wir eigentlich leben?

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