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Zu voreilig: Tönnies warb an der ukrainischen Grenze Geflüchtete als Mitarbeiter:innen an

Foto: © Tönnies / dpa - Fabian Sommer

Deutschlands größter Fleischproduzent Tönnies rekrutierte neue Mitarbeiter:innen an der ukrainischen Grenze. Das Unternehmen wandte dafür fragwürdige Mittel an und erntete Kritik.

Aktualisierung von Freitag, 01. April: Tönnies stellte die Anwerbeversuche im Grenzgebiet ein, nach Kritik an der Aktion. Von Unternehmenseite hieß es: „Sorry, vielleicht waren wir hier zu voreilig“. Das berichtete am Donnerstagabend das Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Was ist passiert? Fleischkonzern Tönnies hatte an der polnisch-ukrainischen Grenze neue Mitarbeiter:innen für seine Standorte in Deutschland geworben – diese sollten als Produktionshelfer:innen tätig werden. Drei Mitarbeiter:innen hatten Handzettel in einem Aufnahmelager in der Stadt Przemyśl verteilt und Geflüchteten Transport und Unterkunft nach Deutschland angeboten. Das berichtete die Tagesschau am Mittwochabend, ein Handzettel von Tönnies liegt dem ARD-Politikmagazin Panorama vor.

Mitarbeiter:innen des Aufnahmelagers empört

Die Tagesschau hatte außerdem mit einem Mitarbeiter der Flüchtlingsorganisation Friend of Medyka gesprochen, Patrick Walkowiak. Er hatte sich direkt bei den Tönnies-Mitarbeiter:innen informiert und ebenfalls den Handzettel erhalten. Tönnies würde keine kleinen Kinder oder Ältere auswählen, sondern nur Menschen, die selbst bei Tönnies arbeiten können. Nach Einschätzung Walkowiaks befänden sich die Geflüchteten in einer absoluten Notlage und könnten in dieser Extremsituation die Anwerbeversuche gar nicht einordnen.

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Menschen demonstrieren für den Frieden, während an der polnischen Grenze Tönnies nach Mitarbeiter:innen sucht. Das kritisieren einige Menschen stark. (Foto: CC0 / Pixabay / SamuelFrancisJohnson)

Auch Inge Bultschneider von der Interessengemeinschaft „WerkFAIRträge“ empfand Tönnies‘ Anwerbeversuche als fragwürdig und geschmacklos. Auch Politiker:innen äußerten sich. Filiz Polat, Migrationsexpertin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, empfindet das Vorgehen des Konzerns als problematisch. „Es ist gut, dass Unternehmen sich für Geflüchtete offen zeigen und ihnen Arbeit anbieten. Aber Menschen, die auf der Flucht sind, noch an der Grenze einen Arbeitsvertrag unter die Nase zu halten, hat etwas Unmoralisches und Würdeloses“, sagte sie gegenüber der tagesschau.

Clara Bünger, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, kritisierte gegenüber der Nachrichtensendung, dass Tönnies mit den Anwerbeversuchen die Notlage der Menschen ausnutze. „Die Beschränkung seines Hilfsangebots auf Einzelpersonen, die sich verpflichten, in seinen Fleischfabriken zu arbeiten, macht sprachlos.“

Tönnies wehrte die Kritik zunächst ab

Tönnies äußerte sich bereits direkt zu der Kritik, dass sie diese jedoch nicht nachvollziehen könnten. „Wir helfen den Kriegsflüchtlingen vor Ort und bieten ihnen eine Zukunftsperspektive“, so Unternehmens-Sprecher Fabian Reinkemeier. „Wir bereichern uns nicht an der Not der Flüchtlinge. Das ist eine völlig irre Aussage. Wir tarnen auch nichts als gute Tat.“

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