Handelt es sich bei Oatly-Hafermilch nur um ein Getränk für Hipster oder um eine wirklich gute Alternative zu Kuhmilch? Wir haben uns den pflanzlichen Milchersatz von Oatly genauer angesehen.
Pflanzlicher Milchersatz gehört zwar längst zum Standard-Repertoire von Supermärkten. Aber die Marke Oatly tritt mit der Strategie an, aus einem Haferdrink ein cooles Lifestyle-Produkt zu machen. Daran ist nichts Verwerfliches – dennoch lohnt es sich, Oatly einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Oatly: Das sagt der Hersteller
Bei dem Hersteller handelt es sich keineswegs um ein hippes Start-up, das neu auf den Markt drängt, sondern um einen Vorreiter auf dem Gebiet: Oatly ist ein schwedisches Unternehmen, das in den 1990ern gegründet wurde und eng mit der Wissenschaft verknüpft ist. Heute allerdings listet die Oatly-Website als „Eigentümer“ neben den Gründern, Privatpersonen und einer Forschungsstiftung auch große internationale Investmentfirmen.
Nach eigener Aussage hat Oatly die „Hafermilch“* erfunden – ausgehend von Forschungen der Universität Lund. Tobias Goj, einer der beiden Geschäftsführer von Oatly Deutschland, sagte im Gespräch mit Utopia: „Damals wurde ein Produkt entwickelt, das perfekt auf den Menschen zugeschnitten ist, weil es gesundheitliche Vorteile hat und zugleich deutlich nachhaltiger als Kuhmilch ist.“ Dieses Produkt kann man mittlerweile in zahlreichen Ländern kaufen, seit 2001 im deutschen Bio-Handel. „Auf großer Flamme gibt es Oatly in Deutschland seit März 2018“, so Goj.
Der Haferdrink von Oatly hat inzwischen vor allem in modernen Cafés Einzug gehalten. Auf der Website gibt es eine interaktive Karte, die zeigt, wo man in der Nähe einen Cappuccino mit geschäumter Hafermilch schlürfen kann.
Eine von Oatly selbst in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Ergebnis, es gebe einen Paradigmenwechsel in der Gesellschaft und fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung trinke gar keine Milch mehr. Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ist der Milchkonsum 2019 Jahr im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent zurückgegangen.
Oatly: Das sagen Kritiker:innen
Kritiker:innen der Marke bemängeln einen umstrittenen Investment-Deal, den Oatly Mitte Juli 2020 einging: Der schwedische Konzern verkaufte zehn Prozent seiner Anteile an die Investmentgesellschaft Blackstone. Diese hält ebenfalls Anteile an Firmen, die maßgeblich für die anhaltende Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes verantwortlich sein sollen. Zudem soll der CEO von Blackstone, Stephen Schwarzman, bekennender Anhänger und ein enger Vertrauter von Donald Trump sein.
Bereits 2016 geriet Oatly in Kritik, als der chinesische Staatskonzern China Resources einen großen Teil des Unternehmens übernahm. China gehört zu den größten CO2-Verursachern der Welt und steht regelmäßig für die Verletzung von Freiheits- und Menschenrechten in der Kritik.
Für einige stehen diese Investitionsgeschäfte im Widerspruch zur Philosophie des Hafermilch-Herstellers. Oatly erwidert auf die Kritik, es wolle auch umstrittenen Konzernen die Möglichkeit geben, ihr Geld in nachhaltige Unternehmen zu stecken. Nur so könne man wirklich etwas verändern.
Oatly: Das steckt drin
Die Produktpalette von Oatly umfasst verschiedene Haferdrinks, zum Beispiel mit Calcium, in Bio-Qualität, mit Kakao oder Vanille und die „Barista Edition“. Zugrunde liegt ihnen als Basiszutat (neben Wasser und Meersalz) jeweils zehn Prozent Hafer, der überwiegend aus Schweden stammt; einige Produkte enthalten auch Hafer aus Finnland, Estland, Lettland und Litauen. Die übrigen Zutaten variieren leicht – in der „Barista-Edition“ steckt zum Beispiel Rapsöl. Durch das zusätzliche Fett lässt sich der Drink besser aufschäumen und flockt nicht.
Dass der Hafer nicht immer bio ist, begründen die Hersteller so: „Der konventionelle schwedische Hafer, den wir nutzen, ist garantiert frei von Wachstumsregulatoren. Durch das raue, skandinavische Klima muss schwedischer Hafer nicht in dem Maße behandelt werden wie in anderen Teilen Europas.“ Darüber hinaus seien viele der Pestizide, die in der EU beim konventionellen Haferanbau verwendet werden, in Schweden nicht erlaubt. Deshalb lägen mögliche Rückstände von Pestiziden und Schwermetallen in den Haferdrinks unter den erlaubten Grenzwerten.
Die Entscheidung für rein ökologische Zutaten bei einigen Sorten gehört also nicht zur Firmenphilosophie, sondern ist vielmehr als Reaktion auf die Nachfrage zu deuten. „Für einige Konsumenten ist Bio wichtig“, erklärt Geschäftsführer Goj, „für manche eine überzeugende Milch-Alternative für den Kaffee (wie die Barista-Edition) und für andere die Aufnahme von bestimmten Nährstoffen und Vitaminen.“
Der letzte Punkt ist allerdings nicht unstrittig: Bei Öko-Test hatte die Sorte „Hafer Calcium“ von Oatly nur mittelmäßig abgeschnitten. Gerade wegen des darin enthaltenen Calciumphosphats und der Vitaminzusätze erhielt der Drink die Gesamtnote „befriedigend“. In der Begründung heißt es: „Experten raten vorsorglich dazu, möglichst wenig Phosphat aufzunehmen. Zu viel davon kann den Nieren schaden und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Auch halten wir den Zusatz von künstlichen Vitaminen für überflüssig. Wer Bedenken hat, nicht ausreichend versorgt zu sein, spricht mit seinem Arzt und füllt Nährstofflücken gezielt auf.“
Oatly: So schmeckt es
Wir haben die „Barista Edition“ in der Redaktion einem Geschmackstest unterzogen. Sie lässt sich tatsächlich hervorragend aufschäumen und ist daher gut für Kaffee geeignet. Die Konsistenz ist „fetter“ und weniger dünnflüssig als bei anderen Haferdrinks, zwei Kollegen erinnert sie positiv an Kaffeesahne. Das Produkt von Oatly schmeckt etwas neutraler und weniger süß als andere Hafermilch. Vor allem im Abgang können wir eine zarte Getreidenote feststellen.
Ein erklärter Haferdrink-Fan unter uns zeigt sich über die fehlende Intensität des Aromas ein wenig enttäuscht, weil er gerade den typischen Hafergeschmack mag – die „Barista Edition“ hat dagegen wohl mehr von Milch als andere pflanzliche Milchalternativen.
Oatly: Das steht drauf
Während die Verpackungen der meisten Haferdrinks optisch wenig Neues anbieten – Abbildungen von Hafer und Gläsern mit dem Getränk, oft in Farben wie Beige, Orange und Grün – präsentiert sich die Packung von Oatly in einem ganz anderen Look: minimalistisch, mit modernem Design und einer Schrift, die auch zu einem Szene-Café in Berlin passen würde.
Ein Detail ist allerdings bemerkenswert: Oatly rollte im Frühjahr 2019 eine neue Verpackung aus, auf der statt „It’s swedish“ etwas anderes in die Sprechblase auf der Frontseite abgedruckt ist: der CO2-Fußabdruck des Produkts. Die Herstellung eines Kilogramms „Haferdrink Calcium“ benötigt demnach 0,29 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilo Hafermilch. Bei der Barista-Edition sind es 0,42 Kilogramm.
Zum Vergleich: Ein Kilogramm konventionell produzierte Kuhmilch hat laut Berechnungen des Öko-Instituts von 2007 einen CO2-Footprint von 0,94 kg CO2-Äquivalente pro Kilo Milch; ein Kilogramm Bio-Milch produziert demnach 0,88 kg CO2-Äquivalente. Es gibt hier auch andere Berechnungen, so kommt eine IFEU-Studie auf auf 1,1 kg und listet (auf Seite 26 des PDFs) freundlicherweise auch gleich die Ergebnisse anderer Literatur.
Das Problem dabei: Gerade ein flächendeckender Vergleich ist nach heutigem Stand sehr schwierig. Einer Handlungsempfehlung des Öko-Instituts von 2010 zufolge sind die Produkte, die saisonal schwankenden Erträge und Transportwege sowie der Einfluss von Lagerung und Kühlung sehr unterschiedlich. Das erschwere eine einheitliche Kennzeichnung – ebenso wie die Interpretation von bestehenden Klimalabels durch die Verbraucher:innen.
Auch Daniela Krehl, Fachberaterin für Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Bayern, gibt zu bedenken: „Das Problem ist die Vereinheitlichung bei der Berechnung – man muss sich richtig in dieses Thema einlesen.“ Zwar vergeben inzwischen einige Unternehmen freiwillig klimabezogene Labels. Doch eine Studie im Auftrag der Verbraucherzentralen kam 2012 zu dem Ergebnis, dass diese nur in seltenen Fällen transparent und sinnvoll sind.
Oatly wird bei seinen Berechnungen von der Firma „Carbon Cloud“ beraten. Goj zufolge fließt jeder Aspekt der Herstellung, von der Ernte über die Verpackung bis zum Transport in die Klimabilanz mit ein. Die Berechnung sei sehr aufwendig: Unterschiedliche Produktionsstätten ergäben unterschiedliche Auswirkungen auf den Footprint – so erkläre sich zum Beispiel der höhere Wert bei der Barista Edition im Vergleich zur Calcium-Variante.
Der Transport habe den geringsten Anteil am Footprint: „Bei der deutschen Barista Edition macht der Transport von der Produktion zum Lager 14 Prozent des gesamten CO2-Fußabdruckes aus“, so Oatly. Und doch wäre es interessant, einen direkten Vergleich zu anderen Hafermilch-Herstellern und allgemein zu anderen Sorten Pflanzenmilch zu haben. Denn Haferdrink hat zwar neben anderen Milchalternativen wie Mandelmilch oder Sojamilch eine bessere Klimabilanz – wie groß der Unterschied jedoch tatsächlich ist, wenn das Produkt aus Schweden kommt und nicht von regionalen Produzent:innen, lässt sich noch nicht so leicht feststellen.
Oatly: Das sind die Alternativen
Selbst wenn der Transport bei der Zusammensetzung des CO2-Fußabdrucks nicht so stark ins Gewicht fällt: Einer der größten Vorteile von Hafermilch besteht darin, dass sie aus regionalem Anbau stammen kann. Mittlerweile gibt es eine gute Auswahl an Haferdrinks in Bio-Qualität verschiedener Hersteller, die in Deutschland produziert werden. Eine Übersicht findest du hier:
Ein Problem, das (fast) allen gemein ist: die Verpackung in Getränkekartons aus Verbundwerkstoff. Nur wenige Marken bieten Hafermilch in Pfand-Glasflaschen an.
Wer den anfallenden Müll vermeiden möchte, kann zu einer weiteren Alternative greifen und Haferdrinks einfach und schnell selber machen. Ein Rezept und eine Anleitung mit Video gibt es hier: Hafermilch selber machen: einfaches Rezept.
Oatly: Unser Fazit
Oatly ist der Pionier in Sachen Hafermilch. Das bedeutet aber nicht, dass er neben anderen Haferdrinks automatisch die bessere Wahl ist. Positiv an der großen Sichtbarkeit dieses Produkts ist, dass pflanzlicher Milchersatz dadurch noch populärer wird: Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen auf Kuhmilch verzichten, finden so in Cafés leichter eine Alternative. Die Barista-Edition überzeugt zudem in Geschmack und Konsistenz.
Auch die Initiative, den CO2-Fußabdruck auf die Verpackung zu drucken, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es wäre wünschenswert, dass vergleichbare Produkte – ob tierischen oder pflanzlichen Ursprungs – nachziehen. So könnten Verbraucher:innen auf einen Blick erkennen, welche Auswirkung auf das Klima die Herstellung ihres Getränks hat.
Der Bonus der Regionalität, den Hafermilch oft hat, fällt bei Oatly weg, da das Produkt aus Schweden kommt und einen weiteren Transportweg hinter sich hat. Man sollte sich daher überlegen, ob man für den heimischen Gebrauch auch zu Oatly greift oder lieber ein Produkt aus Deutschland wählt. Außerdem kommt es auf die Sorte an: Wer sich an der Einschätzung von Öko-Test zu Hafermilch orientiert, sollte die angereicherten Varianten meiden – und besser den puristischen „Haferdrink Bio“ mit Öko-Hafer wählen.
*Offiziell darf sich kein pflanzlicher Milchersatz „-milch“ nennen, dieser Begriff ist in der EU für tierische Milch von Kuh, Schaf, Ziege oder Pferd reserviert. Im Handel sind Milch-Alternativen daher unter Fantasienamen als „-drink“ oder „-getränk“ erhältlich. In diesem Beitrag verwenden wir den Begriff, wie ihn viele Konsument:innen verwenden.
Weiterlesen auf Utopia.de:
- „Hafermilch“: nährstoffreicher Milchersatz oder Kalorienbombe ohne Kalzium?
- Hafermilch: 9 empfehlenswerte Alternativen zu Oatly
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