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Post aus dem Jahr 2040: Warum in Zukunft jeder eine Mini-Farm hat

Ernährung der Zukunft
Foto: Julia Manga, mustbeyou / stock.adobe.com

Auf dem Feld schnurren die Motoren, in der Küche surren die Sensoren: Science-Fiction hat längst Einzug in unsere Küchen gehalten, schließlich schreiben wir das Jahr 2040! Gedanken zur Ernährung der Zukunft – von unserer Autorin aus der Zukunft.

Die Philosophin Ines Maria Eckermann macht sich Gedanken darüber, wie innovative Ideen die Menschheit auch in Zukunft sattmachen können. Dazu stellt sie sich vor, dass viele gute Ideen, die heute erst langsam Realität werden, sich bereits durchgesetzt haben. Das Ergebnis liest du hier – als Rückblick aus dem Jahr 2040.

Freitag, 20. Januar 2040

Auf der Suche nach der perfekten Ernährung

Spätestens Anfang des 20. Jahrhunderts begann die Menschheit, fieberhaft nach der perfekten Ernährung für ihresgleichen zu suchen. Zuvor hatten die meisten Menschen kein allzu großes Mitspracherecht darüber, was auf ihren Tellern landete. Man aß, was die Natur zur jeweiligen Jahreszeit hergab, und war froh darüber, wenn es ausreichte.

Doch jetzt, im Zeitalter von Fabriken und Automatisierung, konnten ganz neue Fragen ans Essen gestellt werden: Wenig Fett oder wenig Zucker? Essen ohne tierische Produkte – oder mit extra viel Fleisch? Frisch gekocht oder lieber roh? Nahrungsmittel, die es schon in der Steinzeit gab, oder lieber raumfahrttaugliche Pulver und Pasten?

Dabei kamen die Forscher des 20. Jahrhunderts auf durchaus spannende Ideen – doch nicht allen Geistesblitzen war eine lange Zukunft beschieden. Bis in die 1930er Jahre galt beispielsweise ausgerechnet Radium als der Energiespender für gesundheitsbewusste Menschen: Ins Trinkwasser oder die Schokolade gemixt, sollte der radioaktive Stoff nicht nur die Leistungskraft am Schreibtisch, am Fließband und zwischen den Laken steigern, sondern auch Rheuma und eine ganze Reihe anderer Leiden heilen.

Superfood
Grüne Smoothies waren um 2015 mal sehr beliebt – mit dem Plastikmüll nahm man es dafür nicht so genau … (CC0 / Unsplash.com / socialcut)

Einige Jahrzehnte später, um das Jahr 2015 herum, galten die Goji-Beeren, Chiasamen und Avocados als „Superfoods“. Als immer mehr Menschen auffiel, dass die von weit herangeschafften Mega-Nahrungsmittel meist keine gute Ökobilanz hatten, ging die Suche weiter. Mancher Ernährungstrend, der sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts entwickelte, glich einer Weltanschauung: Einige sorgten sich um das Tierwohl, andere nur um die schlanke Linie. Manch einer wollte sich mit einem Stückchen Butter einen Wettbewerbsvorteil in den Morgenkaffee mixen, andere hofften, sich Körper und Geist jünger zu futtern.

Was sollte der Mensch bloß essen? Gesund sollte es sein, dabei zugleich lecker und günstig und nachhaltig. Hätte man doch bloß eine eierlegende Wollmilchsau gefunden – aber bitte in vegan und ohne CO2-Abdruck! Doch das Wundertier wollte sich einfach nicht zeigen. Also machte man erst mal weiter wie bisher. Und verbrauchte dabei zu viel Wasser und verursachte zu viel CO2.

2010 begann die Menschheit, langsam umzudenken

Doch als die Wissenschaft den Menschen den Klimawandel immer dicker aufs Brot schmierte, begannen viele umzudenken. Jahrzehnte nachdem die Supermärkte ganz selbstverständlich angefangen hatten, Paprika aus Spanien, Äpfel aus Neuseeland und Honig aus Acapulco anzubieten, besann man sich in den 2010ern wieder auf regionales Essen und aß wieder mehr und mehr, was die Natur zur jeweiligen Jahreszeit hergab. Auf den Druck der Verbraucher hin überdachten Politiker und Hersteller Normen und Standards: Salz und Zucker mussten plötzlich kein Mindesthaltbarkeitsdatum mehr tragen, und Gurken durften auch krumm wachsen, ohne sofort in der Mülltonne zu laden.

Regionale Lebensmittel auf Bauern- & Wochenmärkten
In den 2010ern entdeckten die Menschen den Wochenmarkt plötzlich neu – obwohl er nie weggewesen war. (Illustration: Miro Poferl)

Langsam gingen Exzentrik und Exotik in der Küche zurück und mit ihnen Obst, Gemüse und Samen, die mit viel Wasser und Pestiziden in fernen Ländern angebaut und mit Frachtschiffen und Flugzeugen nach Mitteleuropa geschafft worden waren. Viele Menschen wollten der Natur eine Pause gönnen und die Globalisierung wenigstens aus dem heimischen Kühlschrank aussperren.

Doch die Menschheit wuchs weiter. Heute, im Jahr 2040, sind es neun Milliarden, in zehn Jahren könnten zehn Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Um die Jahrtausendwende begannen Forscher deshalb damit, mit dem Anbau von Pflanzen auf anderen Planeten zu experimentieren. „Terraforming“ nannten sie das. Die Erfolge waren überschaubar, auch, weil die Verfahren unglaublich aufwendig und energieintensiv waren.

Und: Die fleißigen Forscher übersahen (oder wollten übersehen), dass direkt vor ihrer Haustür noch Millionen Menschen lebten, die viel dafür gegeben hätten, wenigstens auf der Erde jeden Tag einen vollen Teller vorzufinden. Während 2020 immer noch viele hungerten, warfen die Bewohner reicherer Weltgegenden 30 bis 50 Prozent ihrer Lebensmittel ungenutzt in den Müll. Allein in Deutschland entsorgte damals jeder Bewohner Nahrungsmittel im Wert von durchschnittlich 235 Euro im Jahr.

Zukunftsvisionen aus der Vergangenheit

Doch lange vor dem Paleo-Trend oder dem Aufkommen der Superfoods machten sich die Menschen Gedanken über die Zukunft der Ernährung: Um 1900 malte der französische Künstler Jean-Marc Côté, wie er sich die Welt im – für ihn völlig futuristischen – Jahr 2000 vorstellte. Zu seiner Zeit wäre solch eine Lebensmittelverschwendung, wie wir sie zu Beginn des 21. Jahrhunderts tatsächlich erlebt haben, noch unvorstellbar gewesen. Côté ersann deshalb Maschinen, die Küken fütterten, ferngesteuerte Mähmaschinen auf dem Weizenfeld und vollautomatisierte Küchen.

Cote-Farmer
So stellte sich Jean-Marc Côté die Landwirtschaft im Jahr 2000 vor. Es kam etwas anders. (CC0 / WikimediaCommons / J.M. Côté)

Côté sollte in vielem Recht behalten. Ein Jahrhundert später, um das Jahr 2000, hatten wir tatsächlich bereits Roboter, die uns den Staub aus der Wohnung saugten, und: Ja, wir hatten auch ferngesteuerte Mähmaschinen, nur in etwas anderer Form, als sie Côté vorhergesehen hatte. Viele Ingenieure, Programmierer und Start-ups des 21. Jahrhunderts nahmen auch andere Ideen wieder auf, die Côté bereits (so oder so ähnlich) vorweggenommen hatte, und verwandelten sie in marktreife Produkte.

Die Ernährung stand dabei oft im Mittelpunkt. So entwickelte eine Firma um das Jahr 2020 herum beispielsweise Sensoren für den Kühlschrank, die es ihm ermöglichen, sowohl rohe als auch verpackte Lebensmittel zu erkennen und einzuschätzen, wie lange sie noch haltbar sind. Wenn der Salat oder der Hüttenkäse drohen, schlecht zu werden, schlägt der Kühlschrank mittels einer Smartphone-App Alarm – und präsentiert direkt Rezepte, mit denen die „bedrohten“ Lebensmittel auf köstliche Weise verarbeitet werden können.

Farmroboter Xaver von Fendt
Farmroboter Xaver von Fendt aus dem Jahr 2017 – im Jahr 2040 schon ein ziemlicher Oldtimer. (CC BY-SA 4.0 / WikimediaCommons / AGCO-Fendt )

Auch was in den Kühlschrank hineinkommt, erinnert an die Zukunftsvisionen aus der Vergangenheit: Seit sie in den 2010ern erfunden worden waren, bestellen Pflanzroboter das private Feld im Garten, auf dem Balkon oder dem Dach. Der Roboter weiß genau, wie platzsparend er die Pflanzen nebeneinandersetzen darf, welche Gewächse sich gegenseitig das Licht stehlen, wie viel Wasser und Licht die Pflänzchen brauchen und welche Ansprüche sie an den Boden haben. Auf alle botanischen Wünsche geht der Roboter ein.

2040 bestellt jeder von uns sein eigenes Feld

Mithilfe einer App können wir heute, im Jahr 2040, alle unser eigenes Feld bestellen, fast, als würden wir Farmville spielten. Auch ums automatische Unkrautjäten kümmert sich heute der Roboter. So reichen heute ein Beet von 18 Quadratmetern, eine Regentonne und ein Solarpanel aus, um den fleißigen Helfer mit Strom, die Pflanzen mit Wasser und eine vierköpfige Familie mit ausreichend Obst und Gemüse zu versorgen.

Auf einem normalgroßen Fußballfeld (das rund 0,71 Hektar misst) können auf diese hocheffiziente Weise Lebensmittel für über 1.000 (!) Personen angebaut werden. Auch Städter haben deshalb heutzutage jedem Tag frische Nahrung vom eigenen Feld. Wo kein Platz für private Anbauflächen war, wurde er im Lauf der 2020er Jahre geschaffen – schließlich mussten die Städte damals ohnehin umgebaut werden, um Raum für neue Verkehrskonzepte zu schaffen.

Das kam auch der bestehenden Landwirtschaft zugute. Denn: Der Klimawandel, der sich immer stärker bemerkbar machte, hatte einen Teil der bisher nutzbaren landwirtschaftlichen Fläche unbrauchbar gemacht. Wissenschaftler hatten davor schon lange gewarnt. Die neuen Mini-Gärten der 2020er Jahre sorgten dagegen für Entlastung auf den konventionellen Feldern und ließen frisches Gemüse in der Stadt entstehen.

Die Zuckersteuer von 2030 war ein Riesenerfolg

Während die Menschheit weiter wuchs, schrumpften die Küchen zusehends. Der Wohnraum wurde zu kostbar, um ihn mit opulenten Koch- und Vorratsbereichen zu verschwenden. Intelligente Haushaltsgeräte helfen heute, im Jahr 2040, dabei, Platz zu sparen. Maschinen, die selbstständig häckseln, würzen und erhitzen, haben das früher übliche Arsenal an Haushaltsgeräten überflüssig gemacht. Oben werden die Zutaten eingefüllt – und nach etwas Rumpeln und Rühren sind Brot oder Suppe fertig.

zucker frappe
2020 noch völlig normal: Völlig überzuckerte Produkte! (Foto: Utopia/ Katharina Schmidt)

Obwohl das Kochen immer bequemer geworden ist, sind wir nicht träge geworden oder haben uns Extrakilos zugelegt. Warum? Weil die Bürger und die Politik in den 2020er Jahren klugerweise entschieden haben: Schluss mit ungesunden Industriesnacks, die durch ihre billigen Zutaten teuer für unsere Gesundheit waren. Übersüße Limonaden wurden aus den Regalen geräumt.

Stattdessen haben sich Leitungswasser und frische Tees in den Tassen und Trinkflaschen durchgesetzt. Auch Snacks für zwischendurch wurden durch die neuen Transfett- und Zuckersteuer unattraktiv, die um das Jahr 2030 herum eingeführt wurden. Sie waren volle Erfolge! Stattdessen knabbern wir heute Kekse auf pflanzlicher Basis mit reichlich Protein, Mineralien und Vitaminen.

Die Shops für Proteinshakes und Nahrungsergänzungsmittel, gefüllt mit bulligen Muskelmännern und durchtrainierten Fitness-Göttinnen, die man noch 2025 in den Innenstädten sehen konnte, sind 2040 nur noch kleine Randerscheinungen im Internet.

Andere Märkte, andere Gärten

Das veränderte Bewusstsein macht sich heute auch am Stadtbild bemerkbar. Statt grauer Häuserfronten zieren im Jahr 2040 transparente Rohrsysteme die Häuser. Schon gegen Ende der 2010er Jahre gab es in Berlin-Schöneberg Menschen, die Algengärten an ihren Häusern installierte. In den grünlich schimmernden Tanks wuchsen Chlorella-Algen. Zu proteinreichen Chips, Pulver oder Salaten verarbeitet, lieferten sie wichtige Fette, Vitamine und Mineralien. Dafür brauchten sie lediglich Sonnenlicht und CO2. Auch heute sind diese Tanks noch in Mode.

Weil wir in Küche und Kühlschrank umgedacht haben, werden im Jahr 2040 alle Menschen nachhaltig satt – und das, obwohl die Menschheit enorm gewachsen ist. Der Mut zu mehr Science-Fiction im Kochtopf hat uns alle weitergebracht.

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