Die Modemarke Shein ist bei der Zielgruppe der 15- bis 25-Jährigen unglaublich beliebt: Die Mode des Fashion-Riesen aus China ist extrem stylisch – und unverschämt günstig. Der Erfolg des Unternehmens hat fatale Folgen für die Umwelt. Wir erklären, was hinter der Marke steckt und wie gefährlich der Hype um die Ultra-Fast-Fashion ist.
H&M, Zara oder Primark? Das ist Mode von gestern. Modebewusste Teenager kaufen heute bei Shein. She-was? Shein (gesprochen she-in) ist Ultra-Fast-Fashion made in China. Das Erfolgsgeheimnis der Marke liegt in den extrem günstigen Preisen und der Tatsache, dass es im Online-Shop jeden Tag neue Klamotten zu entdecken gibt, die voll im Trend liegen. Täglich kommen bis zu 1.000 neue Produkte hinzu.
Wer bei Shein kauft, sucht nicht den Hoodie fürs Leben, sondern ein cooles Teil, das bei nächster Gelegenheit durch ein neues cooles Teil ersetzt wird. Die billigen Preise lassen es vermuten: Die Qualität ist bei Shein niedrig, schlussendlich sind die meisten Produkte nach kurzer Zeit ein Fall für den Altkleidercontainer – Wegwerfmode.
Ultra-Fast-Fashion: die dunkelste Seite der Modewelt
Bei Shein muss man nicht lange hinter die Kulissen schauen, um zu merken: Die Modemarke ist genau das Gegenteil von nachhaltig. Und für viele ist damit klar: Finger weg! Der Blick auf die Entwicklung des Modemarktes zeigt aber: Viel zu wenige Menschen (und Unternehmen) setzen auf nachhaltige Mode und bewussten Konsum – und immer mehr shoppen bei den neuen Ultra-Fast-Fashion-Marken, zu denen neben Shein auch Unternehmen wie ASOS, Boohoo oder Missguided zählen.
Vor allem viele Teenies und junge Frauen unter 25 kaufen weniger in den Modeläden der bekannten Marken ein, sondern mit großer Begeisterung in China bei Shein (und Temu). Manch eine:r blendet dabei aus, was das für Folgen für die Umwelt hat – die Produkte sind einfach zu billig, um widerstehen zu können.
Wer ist Shein?
Um zu verstehen, warum Shein die Modewelt zunehmend auf den Kopf stellt und unsere Umwelt negativ beeinflusst, hier einige Fakten zum Unternehmen:
- Über das Unternehmen, das seinen Sitz in der chinesischen Stadt Guangzhou hat, ist wenig bekannt. Wer auf der Website nach Informationen über den Konzern sucht, findet dort kaum etwas heraus.
- Der Wert von Shein wurde Anfang 2022 auf 100 Milliarden US-Dollar geschätzt, sein Umsatz 2021 auf knapp 16 Mrd. US-Dollar.
- Shein produziert in erster Linie für den internationalen Markt, in China selbst ist die Marke weniger bekannt.
- Der Einkauf bei Shein ist ausschließlich online und per App möglich – es gibt keine Shein-Stores (nur für begrenzte Zeit Pop up Stores in einigen Großstädten).
Für viele unbemerkt wurde Shein einer der großen Player auf dem Fashion-Markt: Die Webseite war im November 2023 weltweit die meistbesuchte Fashion-Website. Die Shein-App verzeichnete von Januar bis Oktober 2023 weltweit rund 208 Millionen App-Downloads.
Die Beliebtheit spiegelt sich auch in den sozialen Medien wider: Unter dem Hashtag #shein gibt es bei TikTok gut 82 Milliarden Aufrufe. Auch auf Instagram ist Shein aktiv, das Unternehmen hat hier gut 31 Millionen Follower (beides Stand Januar 2024).
Shein steht enorm in der Kritik – oder: Warum du nicht bei Shein bestellen solltest
Allen verfügbaren Informationen nach hat das Unternehmen dabei fatale Folgen für die Umwelt und Arbeiter:innnen – und kann Jugendliche gefährden. Die Handelszeitung spricht von einem „Geschäftsmodell der Rücksichtslosigkeit“, Funk (ARD & ZDF) spricht von der „„Verkörperung des Schlimmsten, was die Globalisierung zu bieten hat“.
- Shein ist günstiger als andere günstige Marken: Während ein Shirt bei H&M meist um die 15 Euro kostet, sind bei Shein viele für 6 Euro zu haben.
- Shein produziert Masse, nicht Klasse: Bei unserer Recherche im Dezember 2023 gab es im Shop knapp 4.800 Damen-T-Shirts, die billigsten für 4 Euro.
- Die Lieferketten bei Shein sind nicht nachvollziehbar.
- Die Designs der Shein-Produkte werden hemmungslos bei anderen namhaften wie aufstrebenden Designer:innen kopiert. Diverse Labels haben den Fashion-Giganten bereits wegen Plagiatsvorwürfen verklagt.
- Bei Shein gibt es fast nur Mode aus Polyester. Hier kannst du nachlesen, warum Polyester so problematisch ist.
- Billig produzierte Kleidung aus Asien steht generell unter dem Verdacht, dass sie unter schlechten Arbeitsbedingungen hergestellt wird. Der Schweizer Organisation Public Eye ist es gelungen, 17 Betriebe zu finden, die für Shein produzieren. Für Shein zu arbeiten, bedeutet dieser Recherche nach, über 75 Arbeitsstunden pro Woche zu schuften – und das für Stücklöhne, ohne Arbeitsvertrag und Sozialleistungen.
- Was in der Anschaffung schon fast nichts kostet, lässt sich kaum zweitverwerten oder weiterverkaufen.
- Alles deutet bei Shein auf eine katastrophale Ökobilanz hin. Welche gesundheitlichen Gefahren von Shein ausgehen, zeigt eine Recherche von Greenpeace Ende 2022. Von 47 überprüften Textilien wie Jacken, Bademode, Schuhe, Stiefel sowie Kinder- und Babykleidung, enthielten sieben Produkte (15 Prozent) gefährliche Chemikalien, die die Grenzwerte der europäischen Chemikalienverordnung (REACH) überschreiten. Insgesamt enthielten 15 Produkte (32 Prozent) gefährliche Chemikalien in besorgniserregenden Mengen.
- Öko-Test kam in einer aktuellen Untersuchung zu ähnlich schockierenden Ergebnissen:
Greenwashing: Shein & „Nachhaltigkeit“
Dem Unternehmen scheint bewusst zu sein, dass die Generation Z nicht nur mit Begeisterung shoppt und konsumiert, sondern dass sie nebenbei gerne auch noch die Welt retten würde. Auf der Shein-Webseite ist an einigen Stellen von „Nachhaltigkeit“ die Rede. Da heißt es zum Beispiel: „Wir glauben, dass wir durch Zusammenarbeit, Innovation und Entschlossenheit unseren Weg in eine nachhaltige, für alle zugängliche Zukunft beschleunigen können.“ Und weiter: „Jeder verdient eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft. Und ich bin zuversichtlich, dass SHEIN ein Katalysator für diesen Übergang sein kann. (Zitat von Shein-Mitbegründer Sky Xu)“
Wie genau das Unternehmen sich allerdings um den Planeten kümmert, erklärt es nicht. Von nachhaltigen Fasern ist zwar die Rede – im Shop sind die Produkte aber sehr vereinzelt zu finden.
Public Eye vermutet zudem, dass das extrem komplexe und schwer durchschaubare Firmengeflecht von Shein dem Zweck dient, möglichst wenige Steuern zu zahlen.
Die gemeinnützige Bewertungsplattform ‚Good On You‘ hat Shein in den Kategorien ‚Umweltauswirkungen‘, ‚Arbeitsbedingungen‘ und ‚Tierwohl‘ mit dem schlechtesten Label „We avoid“ („Wir vermeiden“) bewertet. Die Organisation schreibt in der Bewertung vom Januar 2024: „Es gibt keine Belege dafür, dass das Unternehmen sinnvolle Maßnahmen zur Reduzierung oder Beseitigung gefährlicher Chemikalien ergriffen hat. Es gibt keine Belege dafür, dass das Unternehmen seine Kohlenstoff- und anderen Treibhausgasemissionen in seiner Lieferkette reduziert.“
Warum ist das Unternehmen so erfolgreich – wo es doch so heftig kritisiert wird?
Wir sind nicht die ersten, die Shein kritisieren: Kritik hagelt es von allen Seiten, die Bewertungen im Netz sind schlecht, Verbraucherschützer:innen warnen vor Shein als Fake-Shop, Umweltschützer:innen raten generell von Fast Fashion ab. Das scheint dem Modekonzern – und seinen Käufer:innen – nichts anzuhaben.
Auch wenn viele von uns niemals bei Shein shoppen würden – für viele Jugendliche ist die Marke unwiderstehlich. Die Auswahl ist gigantisch, es gibt quasi nichts, was es nicht gibt. Und das in allen Farben. Hier besteht wenig Gefahr, dass die beste Freundin plötzlich das gleiche Shirt hat. Und seit Shein Deutschland kostenlose Retouren anbietet, bietet Shein für viele junge Menschen das quasi perfekte Online-Shopping-Erlebnis.
Erfahrungen mit Shein
Wer im Netz nach Erfahrungen von anderen mit Bestellungen bei Shein forscht, findet neben positiven User:innen-Meinungen (ob diese alle echt sind, ist fraglich) auch viel Kritik. 25 Prozent der Bewertungen bei Trustpilot zählen zur schlechtesten Kategorie (1 Stern). Hier exemplarisch drei 1-Stern-Bewertungen:
- „Shein ist ein Laden für den billigsten Schrott, den die Welt je gesehen hat.“
- „Sehr schlechter Kundenservice, was Retouren angeht. 25 € Bearbeitungsgebühren bei Bestellungen über 176 €.“
- „Die Firma weigert sich Sachen, original verpackt, zurückzunehmen obwohl es in der EU 2 Wochen Rückgabe Recht im online Kauf gibt und meldet sich einfach nicht mehr. Absolut unseriös!!!!“
Vorsicht vor Manipulation von Kindern
Der Elternratgeber „Schau hin!“ warnt allerdings vor der Manipulation von Kindern durch die Shein-Shopping-App. Junge Menschen sollen hier mit Belohnungen zu treuen Kund:innen gemacht werden. Im Ratgeber heißt es: „Neben Gutscheinen und Rabattcodes stoßen Kinder und Jugendliche in der App auf sogenannte ‚Dark Patterns‘. Das sind Mechanismen, die NutzerInnen zum übermäßigen Kaufen anregen und an die App binden sollen.“
Ständig läuft bei Shein irgendeine Rabatt-Aktion und wer die App täglich öffnet, bekommt dafür Punkte. Je mehr, desto besser, dann wird das Einkaufen noch billiger. Nicht umsonst wird Shein als „TikTok des E-Commerce“ bezeichnet.
Shein ist zudem in den sozialen Netzwerken omnipräsent. Laut „Schau hin!“ war Shein sowohl auf TikTok als auch auf YouTube im Jahr 2020 die meisterwähnte Marke in gesponserten Posts. Influencerinnen wie Bibi (Bibisbeautypalace) oder Abigail (Ex-GNTM-Kandidatin) werben für das Unternehmen (Stichwort Influencer:innen-Marketing) oder haben dort ihre eigene Kollektion.
„Für junge NutzerInnen ist es fast unmöglich, der Online-Präsenz von Ultra-Fast-Fashion-Konzernen wie SHEIN zu entgehen.“
Elternratgeber „Schau hin!“
Was tun gegen Ultra-Fast-Fashion wie Shein?
Wer seinem Nachwuchs erklären möchte, warum Shopping bei Fast- oder Ultra-Fast-Fashion-Labels (den Unterschied erklären wir weiter unten im Text) ein absolutes No-go ist, stößt nicht selten auf taube Ohren. Wenn Mode soooo cool und auch fürs kleine Taschengeld zu haben ist, warum soll man sie dann nicht kaufen? „Mama, chill mal, die T-Shirts sind eh schon produziert!“
Hier ein paar Tipps und Argumente, wie du dein Kind, deine:n Freund:in oder dich selbst für ein anderes Konsumverhalten motivieren kannst:
- Fair Fashion ist längst genauso trendy wie Fast Fashion. Hier findest du die wichtigsten Marken und die besten Shops für Fair Fashion.
- Auch Faire Mode muss nicht immer teuer sein: Hier findest du alle aktuellen Sales für faire & grüne Mode.
- Außerdem haben wir hier aktuelle Bio-Mode-Gutscheine zusammengetragen.
- Frag dich bei jedem Kauf, ob du das Kleidungsstück wirklich benötigst.
- Informiere andere über die Probleme, für die Fast-Fashion verantwortlich ist (z. B. auch in dem du Infos zum Thema in den sozialen Medien teilst).
- Geh mit deinem Kind zum Einkaufen in richtige Läden und shoppe weniger im Internet.
Erkläre deinem Kind den Mechanismus von Shein und ähnlichen Unternehmen. Viele Kinder und Jugendliche lassen sich eher durch Fakten in Zahlenform oder durch Filme und Bücher zum Thema überzeugen, als durch den erhobenen Zeigefinger.
- Für ein einzelnes T-Shirt aus konventioneller Baumwolle werden rund 2.700 Liter Wasser benötigt, eine Jeans benötigt rund 8.000 Liter Wasser.
- Rund 10 % des industriellen Wasserverbrauchs wird für die Herstellung von Kleidung verwendet.
- Nach einer Studie der Barclays Bank ist die Mode-Branche für acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Geht die Entwicklung in dem Tempo weiter, könnte der Anteil bis 2050 auf 25 Prozent steigen.
- Textilien aus synthetischen Fasern setzen beim Waschen in der Waschmaschine Mikroplastik frei, das dann in die Umwelt gelangt. „Eine einzige Fleece-Jacke kann bis zu einer Million Fasern pro Waschgang freisetzen, ein Paar Nylon-Socken immerhin noch 136.000. Laut einer EU-Studie spülen allein Europas Waschmaschinen jährlich 30.000 Tonnen Synthetikfasern ins Abwasser“, erklärt Greenpeace in einem Factsheet zu nachhaltiger Kleidung.
- Bekannte Influencer:innen werben nicht für Shein, weil sie die Mode so toll finden – sondern, weil es ihr Job ist. Für jeden Kauf erhalten sie 10 bis 20 Prozent Provision.
Gegen Fast Fahion: Buch- und Film-Tipps
Damit Kinder und Jugendliche verstehen, was gegen die so trendigen Shirts und Shorts zu Taschengeldpreisen spricht, müssen sie verstehen, wie Kleidung aus Fernost produziert wird. Hier können Bilder und Bücher helfen.
- „Wo kommt das her? – Vom Rohstoff zu T-Shirt, Apfelsaft und Co.“ – Buchtipp für Kinder ab 8 Jahren
- „The True Cost – Die wahren Kosten der Billigmode“ – ein Film, der die Schattenseiten der modernen Modeproduktion dokumentiert
- „Unfair Fashion: Der hohe Preis der billigen Mode“ – In dem sauber recherchierten Buch analysiert Dana Thomas die Geschäfte der globalen Fashionindustrie.
- „Die Fast-Fashion-Lüge: Was bleibt vom Recycling-Versprechen?“ – ein Film aus der ZDF-Mediathek
- „Shein: Der schlimmste Fashion-Konzern der Welt“ und „Shein: Wie Influencer sich an Shein verkaufen“ – zwei cool gemachte und äußerst sehenswerte Video-Essays von Funk (ARD & ZDF).
Was ist Fast-Fashion bzw. Ultra-Fast-Fashion?
In den letzten 20 Jahren hat sich die weltweite Textilproduktion mehr als verdoppelt, ungefähr 100 Milliarden Kleidungsstücke werden laut Greenpeace Jahr für Jahr verkauft. Und diese werden immer seltener getragen.
Fast Fashion bedeutet sehr viele Kollektionen in sehr kurzer Zeit und großer Stückzahl auf den Markt zu bringen – und das zu günstigen Preisen, billigst und oftmals unter schlechten Bedingungen in Textilfabriken in Asien produziert. Fast Fashion befördert die Wegwerf-Ökonomie, sie steht aus ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Gründen in der Kritik.
Die Steigerung von Fast-Fashion ist Ultra-Fast-Fashion. Hier lässt die High-Speed-Produktion bekannte Modemarken wie H&M oder Zara alt aussehen. In den sozialen Netzwerken sind Kleidungsstücke zu sehen, die noch gar nicht produziert sind. Abhängig von den Likes und Kommentaren können die Unternehmen sehen, was gut ankommt – und wie viel produziert werden muss. In nur ein bis vier Wochen sind die Teile gefertigt, quasi in Echtzeit.
Zwar wird – damit die Ware schneller bei den Kund:innen ist – immer häufiger in Europa produziert, aber auch das im Niedriglohn-Bereich. Im vergangenen Jahr wurde publik, unter welchen Bedingungen die Näherinnen (meist Migrantinnen aus Asien) im englischen Leicester arbeiten müssen: Zu einem Stundenlohn von vier Euro, nicht mal der Hälfte des britischen Mindestlohns.
Fazit: Um Mode möglichst umweltschonend und sozialverträglich zu produzieren, müssen Unternehmen echte Verantwortung übernehmen – und dafür braucht es auch politische und rechtliche Rahmenbedingungen. Regelwerke wie das deutsche Lieferkettengesetz stellen hier nur einen schwachen Anfang dar.
Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dass wir unsere Macht als Verbraucher:innen nutzen und alle unser Konsumverhalten ändern. Bei Kleidung ist das längst nicht so schwierig, wie du vielleicht denkst.
Der Artikel erschien ursprünglich im Januar 2022 und wird regelmäßig aktualisiert.
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