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Details zur Lützerath-Räumung stehen fest – aufgeheizte Stimmung gegen Einsatzkräfte

Ein Klimaschutzaktivist hängt während des Aktionstrainings an einem Tripod um die bevorstehende Räumung durch die Polizei zu proben. Lützerath soll zur Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler II abgebaggert werden.
Foto: Henning Kaiser/dpa

Am Dienstag hat die Polizei mit der Entfernung von Barrikaden im besetzten Dorf Lützerath begonnen. Die Stimmung ist aufgeheizt, der Ton teils aggressiv. Zuvor waren erste Details zur Räumung bekannt geworden, mit der ab Mittwoch zu rechnen ist.

In aufgeheizter Atmosphäre hat die Polizei am Dienstag mit der Entfernung von Barrikaden auf dem Zufahrtsgelände zum von Klimaaktivist:innen besetzten Dorf Lützerath begonnen. Die Räumung des Dorfes selbst werde am Dienstag aber noch nicht beginnen, betonte die Polizei in Lautsprecherdurchsagen vor Ort.

„Die Polizei fordert Sie noch einmal auf, Ihre Blockaden sofort zu verlassen“, gab die Polizei über Lautsprecher durch. Andernfalls müsse man die Blockaden „mittels Zwang“ abräumen. In unübersichtlicher Formation hatten mehrere Hundert Aktivist:innen Menschenketten gebildet und eine Sitzblockade errichtet, bei der sich einige Beteiligte etwa einen halben Meter tief in die Erde eingegraben hatten. „Es geht darum, dass wir die Zufahrt zu Lützi versperren“, sagte eine Aktivistin der Deutschen Presse-Agentur.

Die Aktivist:innen riefen unter anderem „Haut ab!“, „Schämt euch!“, „Auf die Barrikaden!“ und „Klimaschützen ist kein Verbrechen!“. Der Ton gegenüber der Polizei war teils aggressiv. Die meisten Aktivist:innen waren vermummt.

Details zur Räumung von Lützerath

Die für die Räumung zuständige Polizei in Aachen plant den Einsatz für die Dauer von insgesamt vier Wochen. „Die Kräfte kommen aus dem ganzen Bundesgebiet„, sagte Einsatzleiter Wilhelm Sauer am Montag in Aachen. Wie viele Polizeibeamt:innen beteiligt sein werden, sagte er nicht.

Mit einer Räumung des direkt am Braunkohletagebau Garzweiler gelegenen Weilers sei ab Mittwoch oder an den Folgetagen zu rechnen, sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach. „Da wir morgen noch eine Informationsveranstaltung für Bürgerinnen und Bürger in Erkelenz durchführen werden, müssen sie ab übermorgen oder den darauffolgenden Tagen mit dem Beginn der Räumung rechnen“, sagte er.

In den verlassenen Gebäuden von Lützerath leben seit Monaten Aktivist:innen, die verhindern wollen, dass der Ort im Rheinland für den Tagebau geräumt und abgebaggert wird.

Im Streit um die Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltsverbots in Lützerath wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eine Beschwerde von Klimaaktivist:innen ab. Die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen aus der Vorwoche sei nicht zu beanstanden, teilte das OVG am Montag mit.

Polizei sieht überwiegend friedliches Protestspektrum

In Lützerath gebe es sieben verbarrikadierte Häuser und 27 Baumhäuser, sagte Weinspach. Nach Einschätzung der Polizei halten sich dort derzeit etwa 300 Menschen auf, es finde noch Anreiseverkehr statt. In einem Camp im benachbarten Dorf Keyenberg sind laut Polizei etwa 250 weitere Personen. Die Szene in Lützerath sei in Teilen gewaltbereit, aber dieser Teil sei ein kleiner Teil der Szene. „Überwiegend erleben wir das Protestspektrum dort friedlich„, sagte Weinspach. Er hoffe, dass das so bleibt.

Am Sonntag hatte es bei einem Konzert im Rahmen des Protests nach Angaben der Polizei allerdings bereits Steinwürfe auf Beamte gegeben. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte die friedlichen Klimaaktivist:innen auf, sich von den Gewalttätern zu distanzieren und abzusetzen.

Lützerath soll zur Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler II abgebaggert werden.
Lützerath soll zur Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler II abgebaggert werden. (Foto: Henning Kaiser/dpa )

Die Grünen warnten vor einer harten Konfrontation. „Ich finde, Deeskalation aller Beteiligten ist jetzt das Gebot der Stunde“, sagte die Co-Vorsitzende Ricarda Lang am Rande einer Klausur des Bundesvorstandes der Partei in Berlin. Obwohl der Energiekonzern RWE hier einen Rechtsanspruch habe, sei es in Verhandlungen gelungen, dafür zu sorgen, dass im rheinischen Revier 2030 Schluss sei mit der Kohle und dass mehrere Dörfer, in denen noch Menschen leben, nicht abgebaggert würden, sagte Lang. „Trotzdem habe ich Verständnis für Menschen, die jetzt dort demonstrieren, für Frust und vor allem auch für Druck für mehr Klimaschutz“, fügte sie hinzu.

Verfassungsschutzpräsident warnt vor gewaltbereiten Linksextremisten

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, warnte vor Ausschreitungen bei der geplanten Räumung. Friedliche Proteste seien in einer Demokratie legitim, sagte Haldenwang der taz. „Die Protestbewegung in Lützerath ist allerdings sehr heterogen.“ Man sehe, dass bundesweit auch gewaltbereite Linksextremisten gegen die Räumung mobilisieren und sich bereits vor Ort sammeln. Teils werde zu militanten Aktionen aufgerufen, sagte Haldenwang.

Der Energiekonzern RWE will das rheinische Lützerath im Westen von Nordrhein-Westfalen abreißen, um die darunter gelegene Kohle abzubauen. Boden und Häuser des von Ackerbau geprägten Ortes gehören RWE. In den verbliebenen Räumlichkeiten, deren einstige Bewohner:innen weggezogen sind, wohnen nun allerdings Aktivist:innen, die Widerstand angekündigt haben. Sie sehen für das Abbaggern und Verbrennen der Kohle keine Notwendigkeit.

Lützerath: Polizist:innen (li.) drängen Aktivist:innen von einer Straße zu dem Dorf Lützerath.
Lützerath: Polizist:innen (li.) drängen Aktivist:innen von einer Straße zu dem Dorf Lützerath. (Foto: Henning Kaiser/dpa)

Einsatzleiter Sauer sprach am Montag von einem umfangreichen Einsatzraum mit vielen Unbekannten. „Wir wissen nicht, was uns darin erwartet“, sagte er über die Häuser und großen Scheunen. Man wisse auch nicht, ob Fallen aufgebaut wurden oder ob Dächer erklettert würden. Sperrungen und Blockaden seien reichlich vorhanden. Zu den möglichen Szenarien gehöre auch die Besetzung von 96 Meter hohen Großbaggern im Tagebau. Die Einsatzleitung sei darauf eingestellt.

Einsatzkräfte wollen mit Gesprächen deeskalieren

Die Polizei werde versuchen, Lagen durch Kommunikation und Gespräche zu lösen. Weinspach sagte, die Polizei habe den Eindruck, dass auch Bürger:innen sich derzeit an Vorbereitungen für eine gewalttätige Eskalation dieses Konflikts beteiligen, indem sie beim Bunkern von Pflastersteinen, dem Zertrümmern von Dachziegeln und dem Anlegen von Depots mitmachten. Das seien Vorbereitungen für eine gewaltsame Eskalation, die keiner wolle, sagte Weinspach.

Hintergrund des bevorstehenden Polizeieinsatzes ist eine Allgemeinverfügung des Kreises Heinsberg zur Räumung des Dorfes. Die Allgemeinverfügung untersage Personen den Aufenthalt vom 23. Dezember 2022 bis zum 13. Februar 2023. Werde diesem Platzverweis keine Folge geleistet, so biete die Verfügung die Grundlage „zur Ergreifung von Räumungsmaßnahmen ab dem 10. Januar“, hieß es – also theoretisch auch schon ab Dienstag. Damit ist nach Aussage des Polizeipräsidenten aber noch nicht sofort zu rechnen.

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