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„Doing gender“: Forscherin ermittelt Kriterien für „genderreflektierte“ Kinderbetreuung

Kinderbetreuung
Foto: CC0 Public Domain / unsplash - Erika Giraud

Eine neue Studie untersucht, inwieweit Kinder in der Betreuung durch Geschlechterrollen beeinflusst werden. Die Forscherin setzt dabei Kriterien fest, wie eine „genderreflektierte“ Kinderbetreuung funktionieren könnte.

Eine Studie hat das Konzept des „doing gender“, also des genderspezifischen Verhaltens in Bezug auf Kinder, untersucht. Laut der Professorin für Pädagogik der frühen Kindheit an der Frankfurter University of Applied Sciences, Dr. Ute Schaich, bedeutet „doing gender“, dass Menschen Geschlecht nicht einfach haben, sondern es ausüben und in zwischenmenschlicher Interaktion ausbilden. Demnach werden einem Geschlecht keine objektiv geschlechtsspezifischen Eigenschaften zugesprochen. Stattdessen entstehen sie in sozialen Prozessen. Auf Basis ihrer Untersuchung nennt die Professorin Kriterien für eine „genderreflektierte“ Kinderbetreuung.

Ergebnisse der Studie

Im Fokus der Studie standen drei Fragen: Inwieweit das Geschlecht in der Interaktion zwischen Kindern und Pädagog:innen gewichtet wird; wie mit sozialen Unterschieden in den Krippen umgegangen wurde; und welche Bedeutung Mobiliar und Spielzeug auf das Geschlecht haben.

Schaich untersuchte von Oktober 2020 bis Juli 2022 31 Kinder im Alter von 14 bis 36 Monaten während ihres Aufenthalts in drei Krippen. 15 Beobachtungsprotokolle sind dabei entstanden. Zudem wurden 18 Interviews mit Eltern und Betreuer:innen geführt, wie es beim Informationsdienst Wissenschaft (Idw) heißt.

Jungen erhielten Anerkennung für Mut, Mädchen für ihr Aussehen

Die Untersuchungen zeigen, dass Pädagog:innen im Umgang mit Kindern traditionelle Geschlechterrollen sowohl reproduzierten als auch überschritten. So wurden Jungen beispielsweise für Handlungen gelobt, in denen sie Mut, Kraft oder Stärke zeigten.

Mädchen dagegen erhielten Anerkennung, wenn sie alltägliche Dinge selbstständig ausführten. Laut der Studie wurde bei Mädchen auffallend oft ihr Aussehen hervorgehoben. Außerdem erhielten sie Komplimente für „Grazie“ und ebenfalls für ihre „Kraft“. Doch sie wurden demnach seltener für kühne Aktivitäten ermutigt wie Jungen. Allen Kindern, egal welchen biologischen Geschlechts, standen die Pädagog:innen Gefühle wie Trauer oder Angst zu. Allerdings wurden Jungen teilweise mit Spielobjekten und Aktivitäten „von schwierigen Emotionen abgelenkt„.

„Geschlechterbinäre Reproduktionsmechanismen wirkmächtig“

Schaich konnte in den Krippen beobachten, dass Betreuer:innen bereits ein Bewusstsein dafür haben, das eigene geschlechterstereotype Handeln zu hinterfragen. Den Kindern wurden beispielsweise Freiräume gewährt, um ihre Geschlechtsidentität zu erproben. Gleichzeitig blieben „heteronormative, geschlechterbinäre Reproduktionsmechanismen wirkmächtig“, heißt es in der Pressemitteilung des Idw.

In den untersuchten Kinderkrippen führten Betreuer:innen mit den Kindern körperbezogene Handlungen aus – etwa Pflegesituationen. Während dieser können die Fachkräfte laut Schaich anerkennende oder abwertende Botschaften transportieren. Eine mögliche Folge: soziale Ausgrenzung, die dem Idw zufolge davon abhängt, welche körper- oder geschlechtsbezogenen Normen vermittelt werden. Konkret: Wie die Betreuer:innen über Geschlechtsmerkmale, Körpereigenschaften oder Ausscheidungen der Kinder sprechen.

Eine Option: Neutraleres Spielzeug

Eine Möglichkeit, um herkömmliche heteronormative Geschlechterrollen in der Kinderbetreuung aufzubrechen, stellt den Studienergebnisse zufolge die Umgestaltung der Umgebung dar. Also unter anderem das Spielzeug der Kinder. Besonders geeignet sind demnach Spielsachen aus naturbelassenen Materialien – wie zum Beispiel Spielfahrzeuge, Kinderküchenaccessoires aus Holz – Knetmasse, Malrequisiten sowie nackte oder schlicht bekleidete Babypuppen in unterschiedlichen Hautfarben.

Anhand der Befragungen kommt Schaich zu dem Schluss, dass hauptsächlich Mütter für die Kinderbetreuung zuständig sind. Eine Beziehung zwischen Vätern und Kindern im frühen Kindesalter werde, so die Beobachtungen, als weniger relevant erachtet. Und das, obwohl einige Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen und sich Männer an der Care-Arbeit der Kinder beteiligen.

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