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„Plötzlich wächst der Wunsch wieder, Frauen mögen am Herd bleiben“

Steigende Bereitschaft, andere abzuwerten: Studie zeigt gefährliche Entwicklung auf
Foto: CC0 Public Domain- Unsplash/ Adi Goldstein

Die Autoritarismusstudie der Universität Leipzig beobachtet autoritäre Einstellungen in der Gesellschaft. Die aktuelle Studie verzeichnet sowohl positive wie auch negative Trends. Ein Demokratieforscher geht genauer auf die Entwicklungen ein.

Am Mittwoch wurde die neue Leipziger Autoritarismusstudie vorgestellt. Wissenschaftler:innen untersuchen mittels der repräsentativen Langzeitstudie seit 2002 regelmäßig, wie sich autoritäre und rechtsextreme Einstellungen in Deutschland entwickeln. Die neuste Auflage kommt zu dem Ergebnis, dass Menschen in Deutschland mehrheitlich hinter der Demokratie stehen, weniger Menschen haben ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild. Allerdings nehmen auch rassistische, antisemitische und antifeministische Ressentiments zu. Demokratieforscher Oliver Decker, ein Herausgeber der Studie, geht gegenüber der Tagesschau auf gefährliche Entwicklungen ein – unter anderem die gestiegene Bereitschaft, andere abzuwerten.

Demokratieforscher: Es gibt den Wunsch, zu einer Gruppe zu gehören

Die aktuelle Leipziger Autoritarismusstudie belegt sowohl positive wie auch negative Entwicklungen in der Gesellschaft. Demokratieforscher Oliver Decker hebt hervor, dass die Krisen der letzten zwei Jahre unter anderem dazu geführt haben, dass die Bevölkerung in der Breite das demokratische System akzeptiere.

Andererseits haben bestimmte antidemokratische Einstellungen in der Breite der Bevölkerung an Akzeptanz gewonnen. Solche Positionen sind nicht eindeutig rechtsextrem, aber auch für Rechtsextreme anschlussfähig, warnt der Forscher.

Er spricht von einer „Fragmentierung der Gesellschaft entlang unterschiedlicher Konfliktlinien“. Es gäbe einen Wunsch, zu einer Gruppe zu gehören, die positiv bewertet ist, und eine andere abzuwerten. „Das kann Impfen/Nicht-Impfen sein. Das kann sein, dass Menschen abgewertet werden wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung.“ Decker sieht unter anderem das Internet als Treiber dieser Entwicklung.

Der Wissenschaftler sieht die Demokratie und den demokratischen Prozess bedroht durch die beständige Bereitschaft zur Fragmentierung und Abwertung anderer. „Es gibt nicht mehr eine gemeinsame Basis, sondern es ist sehr viel mehr die Bereitschaft da, die Kommunikation mit anderen aufzukündigen“, erklärt er, „Und das führt auch zu Erfolgen der extremen Rechten oder der AfD.“

„Plötzlich wächst der Wunsch wieder, Frauen mögen zu Hause am Herd bleiben“

Ein Ergebnis der Studie bezeichnet der Forscher als „sehr interessant“. Sexismus und Antifeminismus seien unter Pandemiebedingungen angestiegen. „Plötzlich wächst der Wunsch wieder, Frauen mögen doch zu Hause am Herd bleiben und dem Mann den Rücken freihalten“, so Decker.

Auch andere besorgniserregende Trends lassen sich beobachten. Der Studie zufolge sind Ressentiments gegen einzelne Gesellschaftsgruppen besonders im Osten gestiegen. 38 Prozent der befragten Ostdeutschen stimmten zum Beispiel Aussagen zu, wie „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet“. Im Westen bejahen diese Aussage fast 23 Prozent. Auch unter anderem antiziganistische und antisemitische Aussagen wurden sowohl von Ost- als auch von Westdeutschen zu großen Teilen bestätigt.

Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt wieder zu stärken, rät Decker, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen zu überdenken. In vielen Institutionen traten demokratische Aushandlungsprozesse vor und während der Pandemie in den Hintergrund und tun dies immer noch, zum Beispiel in Schulen, Universitäten und Betrieben. „Das verschärft die Konfliktlage und schafft nicht die Erfahrung, wie Demokratie funktioniert und dass sie auch erfolgreich funktionieren kann“, erklärt der Experte.

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