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Habeck stark bei Lanz:„Punktuell entdecken wir dann immer unser moralisches Gewissen“

Habeck bei Lanz: „Punktuell entdecken wir dann immer unser moralisches Gewissen.“
Screenshot: ZDF-Mediathek / Markus Lanz

Eigentlich ging es bei Markus Lanz um die Folgen eines Importstopps von russischem Gas und Öl. Das Überraschende in der Sendung: Robert Habeck redete sich in Rage dazu, warum wir Menschen nur punktuell moralisch sind – und die Politik auch mal harte Entscheidungen treffen muss.

Am Donnerstagabend bei Markus Lanz verteidigte Robert Habeck die fortlaufenden Zahlungen an Russland. Ein sofortiger Ausstieg aus russischen Energieträgern hätte enorme Folgen wie Massenarbeitslosigkeit. Eine kritische Frage von Lanz verleitete Habeck zudem zu einer herrlichen Ehrlichkeit über Politik und die Moral unserer Gesellschaft.

Robert Habeck über unser moralisches Gewissen

Um unabhängig von Energieträgern aus Russland zu werden, reiste Robert Habeck nach Katar. Das wird ihm negativ vorgehalten in den Medien und auch bei Markus Lanz. Statt die Kritik von sich zu weisen, wies Habeck darauf hin, dass in der deutschen Politik häufiger fragwürdige Entscheidungen getroffen werden – und auch von uns als Gesellschaft. In den meisten Fällen, sorge dies jedoch nicht für Aufregung. „Aber punktuell entdecken wir dann immer unser moralisches Gewissen. Und diese Punktualität, die uns eigentlich nicht weiterbringt, sie lähmt uns. Was wir brauchen ist eine strukturelle Arbeit, eine Veränderung, eine Verbesserung“, so Habeck.

„Womit fahren eigentlich unsere Autos? Kann es sein, dass dort Öl aus Saudi-Arabien drin ist? Und wo ist eigentlich die Markus-Lanz-Sendung gewesen, wie verlogen wir sind, dass wir uns über Putin aufregen, aber mit saudischem Öl durch die Gegend gondeln?“, fragte Habeck.

Robert Habeck war bei Lanz per Schalte zugeschaltet. Zu Gast waren auch Karen Pittel (links) und Gwendolyn Sasse (rechts).
Robert Habeck war bei Lanz per Schalte zugeschaltet. Zu Gast waren auch Karen Pittel (links) und Gwendolyn Sasse (rechts). (Screenshot: ZDF-Mediathek / Markus Lanz)

„Der Glaube ist, dass wir in Deutschland immer alles richtig machen und nur, wenn wir in Ausnahmesituationen nach Katar reisen und Gas kaufen, dann machen wir das Geschäft mit dem Teufel, mit dem Beelzebub. Aber sonst, wenn wir unseren Alltag leben, wenn wir unsere Autos tanken, wenn wir unser Hack aufs Mettbrötchen draufschmieren, immer sind wir auf der Seite der Guten?“, sagte Habeck. „Das können nur Leute glauben, die noch nie im Schweinestall waren. So ist es nicht. Wir ziehen mit unserem täglichen Leben eine Spur der Verwüstung durch die Erde und wir kümmern uns da nicht drum.“

„Nicht blütenrein weiße Position. Aber das sind sie ehrlicherweise niemals in der Politik“

Die Ansicht der Bundesregierung zu einem möglichen Ausstieg aus russischem Gas und Öl seien „eine abgewogene, manchmal harte. (…) Ich räume ein, dass die Entscheidungen nie blütenrein sind. Aber das sind sie ehrlicherweise niemals in der Politik. Der Gedanke, wir würden Entscheidungen in einer komplexen Welt immer nur vom hohen moralischen Ross treffen können, ist doch spätestens mit dem Angriff der Russen auf die Ukraine zerplatzt. Deutschland hat sich immer so aufgestellt, als würden wir alles besser machen und besser wissen.“ Nur wer davon ausgehe, immer auf der moralisch richtigen Seite zu stehen, könne in der jetzigen Situation von einem Dilemma sprechen, kritisierte Habeck. „Politik bedeutet, sich der Wirklichkeit zu stellen, sich die Hände schmutzig zu machen und nicht herumzujammern, dass die Hände schmutzig sind, wenn man mal zugepackt hat.“

Habeck und das Dilemma

Markus Lanz wollte außerdem von Habeck wissen, wie es sein könnte, dass es Deutschland um die Wirtschaft gehe, während den Menschen in der Ukraine die Bomben auf den Kopf fallen. Das sei doch ein Dilemma. Habeck verneinte dies: „Dilemma heißt ja: Egal wie ich mich entscheide, beides ist gleich schlecht, (…) wenn wir nicht wüssten, was man tun kann oder tun soll. Aber so ist es nicht.“ Laut dem Minister seien Deutschland und andere westliche Länder auf einem klaren Kurs.

Markus Lanz sprach in der Runde über die Importe aus Russland.
Markus Lanz sprach in der Runde über die Importe aus Russland. (Screenshot: ZDF-Mediathek / Markus Lanz)

„Wir müssen solidarisch mit der Ukraine sein. Wir müssen alles tun, was in unserer Kraft steht, den Krieg zu beenden. Wir müssen es so tun, dass wir die Maßnahmen lange durchhalten können. Dass wir uns nicht stärker schwächen, als die Maßnahmen Putin schwächen. Und so agieren wir“, sagte Habeck.

Warum ist es laut Habeck aber so schwer auf Gas und Öl aus Russland zu verzichten? Habeck sei dies auch zugunsten der Ukraine. Das ukrainische Stromnetz ist an das europäische angeschlossen. Das sei die Bitte der Ukrainer:innen gewesen – als Schutz vor Ausfällen. Die Ukraine profitiere also von einer stabilen europäischen Energieversorgung.

Utopia meint: Einem belagerten Land helfen, indem man Geld in die Kriegskasse des Angreifers spült? Das klingt widersprüchlich und vielleicht doch nach einem Dilemma. Unabhängig von der Frage nach Sanktionen gegen Russland stimmen wir Habeck zu: Viele Probleme nehmen Regierungen und Gesellschaft unkommentiert hin, andere führen zu einem Aufschrei. Wir sollten uns nicht nur punktuell, sondern strukturell fragen, in welcher Welt wir eigentlich leben wollen, wie wir das erreichen können und dann dementsprechend handeln.

Hier kannst du die ganze Sendung von Markus Lanz nachschauen.

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