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Orthopäde zu Rückenschmerzen: Wie Menschen ihr Leiden verschlimmern

Orthopäde zu Rückenschmerzen: Wie Menschen ihr Leiden verschlimmern
Foto: CC0 / Pixabay / kevin120415; cnort

Viele Menschen geben bei Rückenschmerzen schnell einer ungünstigen Sitzhaltung und Bewegungsmangel die Schuld. Doch das stimmt nicht immer. Ein Experte erklärt, was stattdessen oft zu den Beschwerden führt – und durch welche Verhaltensweisen sie schlimmer statt besser werden.

Zwischen Schmerzen im Rücken, Nacken und der Lende und psychischen Belastungen gibt es einen klaren medizinischen Zusammenhang. Dies erläutert der Orthopäde Peer Eysel in einem Spiegel-Interview. Wie stark Stress und Sorgen chronische Rückenschmerzen begünstigen und verstärken können, sei vielen Patient:innen dabei gar nicht bewusst.

Das könne dazu führen, dass sie mit falschen Gegenmaßnahmen ihre Beschwerden ungewollt noch verschlimmern. Es gibt jedoch Hoffnung: Mit dem Wissen um die Rolle von Stress und Sorgen können Betroffene laut Eysel gezielte Maßnahmen ergreifen, um diese einzudämmen.

Stress und Sorgen: Fatale Folgen für die Rückenmuskulatur

Bei Stressempfinden verspannen sich unsere Muskeln besonders schnell. Dies sei besonders für den Rücken verheerend, erklärt Eysel. Das liegt daran, dass dieser „nicht nur von einem Muskel versorgt wird, denn man bewusst wieder entspannen könnte, sondern von vielen verschiedenen Muskeln, die ihrerseits sehr viele Zugänge von den Spinalnerven haben.“

Die Spinalnerven sind ein Bestandteil des peripheren Nervensystems und stehen dadurch mit dem zentralen Nervensystem in Verbindung. Im zentralen Nervensystem werden unter anderem auch Emotionen verarbeitet. Empfindet eine Person Stress, so leiten die Spinalnerven motorische Informationen an die Muskeln weiter. Infolgedessen können sich Muskeln verspannen.

Da im Rücken so viele Muskeln zusammenlaufen, ist es laut Eysel auch schwieriger, diese Vielzahl an Verspannungen wieder aufzulösen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Rücken bei chronischem Stress gar nicht mehr entspannt.

Patient:innen „übersehen den seelischen Faktor“

Viele Patient:innen führen ihre Beschwerden laut Eysel jedoch nicht auf psychischen Druck zurück. „Häufig übersehen Patienten den seelischen Faktor und suchen nach einer organischen Ursache des Rückenschmerzes“, so der Orthopäde. Das kann langfristig dazu führen, dass sich Betroffene besonders fatale Konsequenzen ihrer Rückenschmerzen ausmalen und sich infolgedessen übermäßig schonen und kaum noch bewegen.

„Ich kann nicht mehr arbeiten, ich muss zu Hause bleiben.“

Auch Ärzt:innen können ein solches Verhalten fördern. Legen sie Patient:innen ohne eine umfassende Aufklärung zum Beispiel ein Röntgenbild der Wirbelsäule vor, könne dies die Vorstellung von Untergangsszenarien befeuern. Denn in der Wirbelsäule eines erwachsenen Menschen würde man immer bestimmte degenerative Veränderungen sehen, so Eysel. Diese seien jedoch harmlos und „so normal […] wie die Falten auf der Haut.“ Die Folge: Erläutert das medizinische Personal diesen Aspekt jedoch nicht, könnten Betroffene das Bild der Wirbelsäule übermäßig negativ auffassen.

Besonders bei Personen, die dazu tendieren, sich immer die schlimmstmöglichen Folgen auszumalen, könne dies zu hohem psychischem Druck führen. Sie werden laut Eysel „recht schnell Vermeidungsstrategien entwickeln: Ich kann nicht mehr arbeiten, ich muss zu Hause bleiben.“ Die Beschwerden können sich so verstärken und chronisch werden. In besonders schweren Fällen schränkt die Sorge um die Rückenschmerzen das Leben der Betroffenen immer mehr ein.

Das hilft gegen Rückenschmerzen

Laut Eysel ist es keine Lösung, ärztlichen Rat völlig zu meiden. Stattdessen sollten Betroffene am besten vorher etwas Zeit investieren, um empathische Ärzt:innen ausfindig zu machen. Dabei können zum Beispiel die Ratschläge und Empfehlungen von Freund:innen und Familie oder Online-Bewertungen helfen. Eysel findet es dabei wichtig, dass medizinische Expert:innen in erster Linie beruhigen. Denn in den meisten Fällen haben Rückenschmerzen eine harmlose Ursache und seien kein Hinweis auf eine ernste Erkrankung.

Bleiben die Rückenschmerzen doch einmal etwas länger, empfiehlt der Orthopäde Folgendes:

  • Bei akuten Schmerzen sind Schmerzmittel empfehlenswert. Jedoch sollten Patient:innen sie nicht dauerhaft einnehmen.
  • Bewegung hilft, um Schmerzen vorzubeugen. Welche Art der Bewegung man wählt, ist laut Eysel nebensächlich. Man könne beispielsweise regelmäßig joggen gehen, Fahrrad fahren, Krafttraining oder gezielte Übungen für den Rücken ausführen, zum Beispiel solche, die gezielt Verspannungen lösen.
  • „Ein eher geringes Gewicht [könne] auf lange Sicht Rückenschmerzen vorbeugen“, so der Experte. Auch eine ausgewogene Ernährung und damit ein gesundes Gewicht seien deshalb empfehlenswert, um Beschwerden zu vermeiden.
  • Um psychischen Druck zu lindern, empfiehlt Eysel Entspannungsübungen, wie autogenes Training oder die progressive Muskelentspannung.

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