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Attributionsforschung: Ist das noch normal oder schon Klimawandel?

Attributionsforschung
Foto: CC0 / Pixabay / LucyKaef

Die Attributionsforschung findet Antworten darauf, ob und wie der menschengemachte Klimawandel Extremwetterereignisse beeinflusst. Doch wie funktioniert das? Und was finden die Forschenden heraus?

Sind die sich häufenden Wetterextreme wie Dürre, Hitze, Starkregen oder Sturm noch „normal“? Oder werden sie durch den Klimawandel (mit-)verursacht? Mithilfe der Attributionsforschung gelingt es Wissenschaftler:innen inzwischen sehr genau, den menschengemachten Anteil an diesen Extremereignissen zu ermitteln.

Wie funktioniert die Attributionsforschung?

Die Attributionsforschung untersucht den Einfluss des menschengemachten, also anthropogenen Klimawandels auf die Häufigkeit oder die Stärke eines Extremwetterereignisses. Neben dem menschengemachten Klimawandel unterliegt das Klima auch natürlichen Schwankungen. Da sich beide Effekte vermischen, ist es eine Herausforderung, den menschengemachten Anteil an der Häufigkeit oder der Intensität eines Extremwetterereignisses festzustellen.

Zur Veranschaulichung verwenden wir die Hitzewelle im Mittelmeerraum im Sommer 2023 als Beispiel:

Zuerst beschreiben die Forschenden das Extremwetterereignis möglichst genau mithilfe von gemessenen Wetterdaten: Wie lang war die Hitzewelle? Wie hoch stiegen die Temperaturen?

Extremwetterereignisse wie solche eine Hitzewelle sind per definitionem sehr selten. Deswegen benötigen die Forschenden sehr lange Datenreihen, um abschätzen zu können, ob und wie sich das Auftreten dieser Hitzewelle in einem sich ändernden Klima verändert. Um diese langen Datenreihen zu erzeugen, verwenden die Wissenschaftler:innen Klimamodelle. Mit ihnen erzeugen sie Klimadaten von tausenden Jahren.

Um nun festzustellen, welchen Einfluss der menschengemachte Klimawandel auf bestimmte Ereignisse hat, werden diese Daten zweimal berechnet:

  1. Einmal unter Berücksichtigung nur der natürlichen Klimaantriebe, wie zum Beispiel Vulkanausbrüchen und der Änderung der solaren Einstrahlung. So lässt sich berechnen, wie sich das Klima ohne menschlichen Einfluss entwickelt hätte.
  2. Bei der zweiten Berechnung berücksichtigen die Klimaforschenden zusätzlich die vom Menschen verursachten Klimaantriebe, wie zum Beispiel dem Anstieg der Emissionen von Treibhausgasen wie CO₂. So lässt sich die tatsächliche Änderung des Klimas abbilden.

Diese beiden Datensätze werden von Wissenschaftler:innen nun direkt miteinander verglichen: Die Forschenden können für bestimmte Wettereignisse nun genau bestimmen, ob sie in einem Klima ohne menschliches Zutun mit der gleichen Häufigkeit und Intensität auftreten würden.

Für die extreme Hitzewelle am Mittelmeer in diesem Sommer fanden die Forschenden zum Beispiel heraus, dass es sie in dieser Form ohne menschengemachten Klimawandel wohl nicht gegeben hätte: Klimareporter berichtet, dass sie unter heutigen Klimabedingungen solch eine Hitzewelle in der Region etwa alle zehn Jahre erwarten würden. Und wir müssen damit rechnen, dass solch eine Hitzewelle in einer um 2 Grad Celsius wärmeren Welt jedes zweite Jahr auftreten wird.

Der Klimawandel ist vor allem für zunehmende Hitze verantwortlich

Die Attributionsforschung zeigt: Hitzewellen, Dürren und Starkregen werden durch den Klimawandel häufiger und intensiver.
Die Attributionsforschung zeigt: Hitzewellen, Dürren und Starkregen werden durch den Klimawandel häufiger und intensiver.
(Foto: CC0 / Pixabay / Seaq68)

Seit 2015 untersuchen Wissenschaftler:innen den Einfluss des Klimawandels auf Extremwetterereignisse. Eine wissenschaftliche Übersichtsstudie hat insgesamt über 400 Attributionsstudien gesichtet und ihre Ergebnisse zusammengefasst. Diese Übersichtsstudie wird jedes Jahr aktualisiert und um die neuesten Attributionsstudien ergänzt.

Bisher wurden so über 500 Extremwettereignisse und Wettertrends daraufhin überprüft, ob und wie der Klimawandel sie beeinflusst hat. Die Ergebnisse:

  • Vier von fünf untersuchten Wetterereignissen wurden durch den menschengemachten Klimawandel beeinflusst.
  • Der Klimawandel ließ etwa 70 Prozent aller Ereignisse wahrscheinlicher werden oder verstärkte sie in ihrer Intensität.
  • In etwa jedem zehnten Fall führte der Klimawandel dagegen zu einer Abschwächung oder zu einem selteneren Auftreten des jeweiligen Ereignisses.
  • Für jedes fünfte Ereignis konnten die Forschenden keinen Einfluss des Klimawandels feststellen.

Laut der Attributionsstudien beeinflusst der Klimawandel besonders stark die Wahrscheinlichkeit und die Intensität von Hitze. Bei 95 Prozent der insgesamt 152 untersuchten Hitzeereignisse spielt der Klimawandel eine Rolle. Bei Starkregen oder Überflutungen hat der Klimawandel bisher etwa jedes zweite Ereignis beeinflusst, bei Dürren sind es etwa zwei von drei.

Nicht alle Extremwetterereignisse werden untersucht

In einem Interview mit Klimareporter schildert die renommierte Attributionsforscherin Friederike Otto, dass seit Beginn der Attributionsforschung nicht alle Extremwetterereignisse untersucht werden konnten. Das Forscher:innenteam der „World Weather Attribution„-Gruppe wählt die zu untersuchenden Ereignisse etwa danach aus, wie viele Menschen betroffen waren oder wie groß die angerichteten Schäden sind.

Außerdem müssen für die Region, in dem das zu untersuchende Ereignis aufgetreten ist, genügend Wetterdaten und gute Klimamodelle vorhanden sein. Das ist für den Globalen Süden oft nicht der Fall: Die im globalen Norden entwickelten Klimamodelle sagen das Klima in Deutschland oder den USA sehr gut voraus, in Afrika beispielsweise jedoch deutlich schlechter. Darum gibt es für Extremwetterereignisse im globalen Süden bisher verhältnismäßig wenige Attributionsstudien.

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