Utopia Image

Foodwaste: So viele Lebensmittel landen jedes Jahr im Müll

Foodwaste: Essen landet im Müll
© Andrey Popov - Fotolia.com

Vom Feld oder Teller direkt in die Tonne: Foodwaste ist ein großes Problem. Um die Verschwendung endlich einzudämmen, müssen wir verschiedene Stellschrauben im Blick haben – und auch selbst unser Verhalten ändern.

Wir leben im Überfluss. Wir essen, was wir wollen und wann wir wollen. Die Regale in den Supermärkten sind immer voll, fast alle Lebensmittel sind jederzeit und überall zu bekommen. Was verdirbt, abgelaufen ist oder übrig bleibt, landet im Müll – im Schnitt sind das laut Statistischem Bundesamt satte 78 kg Lebensmittel pro Person im Jahr. Eine Berechnung der Universität Stuttgart kommt sogar auf 85,2 kg. Etwa die Hälfte davon wäre vermeidbar.

Was ist Foodwaste genau?

Unter Foodwaste versteht mal alle Lebensmittel, die weggeworfen werden oder auf dem Weg vom Feld, bei der Verarbeitung oder im Handel aussortiert werden. Das können Essensreste, krummes Gemüse oder Nebenprodukte zum Beispiel bei der Fleischverarbeitung sein.

Foodwaste ist ein ökologisches, ökonomisches und ethisches Problem, gegen das wir schleunigst etwas unternehmen sollten. Und zwar wir alle, die wir scheinbar verlernt haben, dass Nahrungsmittel eine der wichtigsten und wertvollsten Ressourcen unseres Lebens sind.

Problem Foodwaste: Millionen Tonnen Nahrungsmittel für die Tonne

Hochgerechnet auf Deutschland entstehen nach Schätzungen des WWF (2018) durch Foodwaste bis zu 18 Millionen Tonnen weggeworfener Lebensmittel im Jahr. Der Verlust fällt entlang der gesamten Wertschöpfungskette an, von der Produktion bis zu den Endverbraucher:innen.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) rechnet aktuell mit jährlich 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfällen. Die Deutsche Umwelthilfe geht davon aus, dass diese Berechnung zu gering ausfällt und wir in Deutschland im Jahr sogar 16,6 Millionen Tonnen an Lebensmitteln verschwenden.

Auch wenn die Zahlen nicht einheitlich sind, zeigen sie, dass sich in den letzten Jahren kaum etwas geändert hat. Noch immer landen viel zu viele genießbare Nahrungsmittel im Abfall. Das Ausmaß des Foodwaste ist uns oft gar nicht richtig bewusst: Etwa ein Viertel der Deutschen kannte noch 2017 das Problem als solches sogar überhaupt nicht (Quelle: Statista).

Foodwaste: Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung zeigt, welche Bereiche wie viele Lebensmittel verschwenden.
Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung zeigt, welche Bereiche wie viele Lebensmittel verschwenden. (Foto: ©BMEL)

Dabei sind wir für den größten Teil der Lebensmittelverschwendung direkt verantwortlich, indirekt auch für die Lebensmittelabfälle in der Gastronomie und im Einzelhandel: Laut BMEL werden je rund 25 Prozent von Industrie und Handel verursacht, fast 60 Prozent von privaten Haushalten. Restaurants, Kantinen, Imbisse und Co. sind für rund 17 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel verantwortlich.

Mehr als die Hälfte ist vermeidbarer Foodwaste

Natürlich musst du auch in Zukunft keine Schalen von Bananen oder Eiern essen, nur damit weniger Nahrungsmittel im Müll landen. Solche Abfälle sind unvermeidbar, weil sie nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind.

Aber der Apfel, der am Baum (oder in deiner Obstschale) verfault, die Gurke, die als „zu klein“ aussortiert wird, das Brot, das schimmelt oder hart wird, weil du zu viel gekauft hast und der Joghurt, den jemand wegwirft, nur weil er abgelaufen ist – obwohl er längst noch genießbar wäre: Das alles ist vermeidbarer Foodwaste und macht mit den größten Teil der Lebensmittelverluste aus.

Ursachen für den Foodwaste in Deutschland

Die Hauptursache für unseren viel zu verschwenderischen Umgang mit Lebensmitteln ist wohl, dass wir es uns „leisten“ können. Nahrungsmittel sind im Vergleich immer noch zu billig, denn sie machen nur knapp ein Sechstel unserer Ausgaben aus. Entsprechend leichtfertig wird Essen eingekauft und weggeworfen, wenn es doch nicht verzehrt wird.

Gleichzeitig können wir als Konsument:innen auch hohe ästhetische und qualitative Ansprüche an die Ware stellen, die wir kaufen wollen. Was bei Obst und Gemüse zu groß, zu klein, zu krumm oder nicht makellos ist, wird im besten Fall zu Säften oder Salaten verarbeitet, im schlechtesten Fall gelangt es direkt vom Feld in den Müll – Foodwaste in seiner reinsten Form.

Zugleich erwarten wir Verbraucher:innen durch den vorhandenen Überfluss an Nahrung auch noch zehn Minuten vor Ladenschluss volle Regale, eine große Auswahl und möglichst frische Speisen oder Backwaren. Das erzwingt eine Überproduktion, die logischerweise Lebensmittelverluste verursacht.

gemüse supermarkt
In unseren Supermärkten gibt es das gesamte Jahr über eine große Auswahl an Obst, Gemüse und Co. (Foto: Pixabay/ CC0/ nadinheli22)

Was nicht verkauft werden kann, kommt häufig in die Mülltonne, dessen sollten wir uns bewusst sein. Das gilt übrigens nicht nur für die Supermärkte und Discounter, sondern auch für die Gastronomie und entlang der gesamten Lieferkette.

Was tut die Politik gegen Foodwaste?

Können wir die Forderungen der Vereinten Nationen, Foodwaste bis 2030 auf die Hälfte zu reduzieren, überhaupt erfüllen? Nun, einerseits ist die Politik in der Pflicht, geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Foodwaste entlang der Wertschöpfungskette einzudämmen. Einige Länder in Europa gehen bereits mit einem Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung in Supermärkten vor:

  • Die tschechische Regierung hat den Handel gesetzlich verpflichtet, unverkäufliche Artikel nach Ladenschluss an Tafeln oder andere soziale Einrichtungen zu spenden.
  • In Frankreich ist die Regelung noch strenger, schon 2013 trat dort ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung in Kraft: Händler müssen alle nicht verkauften und unverkäuflichen Lebensmittel entweder für wohltätige Zwecke hergeben – oder als Kompost bzw. Tierfutter der Landwirtschaft zur Verfügung stellen.
  • In Italien dagegen gibt es einen anderen Kurs: Statt Sanktionen zu verhängen, schafft man dort positive Anreize wie Steuererleichterungen.

Nach einem dieser Vorbilder könnte auch in Deutschland ein Gesetz auf den Weg gebracht werden. Doch die Bundesregierung setzt derzeit auf eine „Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“. Dabei sollen die größten Reduzierungspotenziale identifiziert und geeignete Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt werden. Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft sollen sich hier einzubringen, etwa in Dialogforen.

Die Vernetzung der Akteure, „Runde Tische“ und Sensibilisierung der Konsument:innen – vieles davon klingt bislang noch nicht allzu konkret. Doch bereits seit 2012 gibt es die Initiative „Zu gut für die Tonne!“, die informieren und für mehr Lebensmittelwertschätzung sorgen soll. In diesem Jahr findet beispielsweise vom 29. September bis 6. Oktober die Aktionswoche „Deutschland rettet Lebensmittel!statt: Zahlreiche Workshops und Aktionen setzen sich für weniger Foodwaste ein, so etwa die Lebensmittel-Retterboxen in Bayern und ein Hochbeet-Vortrag in der Nähe von Osnabrück.

Zudem prüft das BMEL nach eigenen Angaben haftungs- und steuerrechtliche Erleichterungen, um Lebensmittelspenden zu erleichtern. 

Was können Verbraucher:innen gegen Foodwaste tun?

Doch das Problem „Foodwaste“ ist noch lange nicht gelöst, wenn allein der Gesetzgeber aktiv wird. Wir müssen uns selbst an die Nase fassen und ebenfalls unseren Beitrag leisten: Indem wir dafür sorgen, dass Lebensmittel erst gar nicht unverkäuflich werden und uns kreativ bemühen, dass wir weniger Foodwaste produzieren.

Hier findest du ein paar Tipps, die du selber sofort umsetzen kannst:

  • Prüfe deine Lebensmittel: „Mindestens haltbar bis“, nicht „garantiert giftig ab“. Die meisten Lebensmittel sind weit über ihr Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus genießbar, manche verderben so gut wie nie. Wir müssen lernen, solche Produkte zu erkennen und dann eben doch zu konsumieren.
  • Lagere dein Essen richtig: Frisches wie Salat und Milchprodukte in den Kühlschrank, Kartoffeln und Zwiebeln an einem dunklen Plätzchen – die richtige Lagerung trägt maßgeblich dazu bei, dass unsere Lebensmittel lange halten. Und somit nicht im Müll landen.
  • Pfeif‘ auf die Ästhetik: Nur weil eine Möhre krumm ist, schmeckt sie nicht schlechter als ihre gerade gewachsene Schwester daneben. Aussortiert wird sie meist trotzdem. Das wird sich erst ändern, wenn wir bei Obst und Gemüse weniger auf eine makellose Optik achten. Und der Wunsch der Verbraucher:innen zeigt Wirkung: Die ersten Discounter wie Aldi und Penny verkaufen inzwischen krummes Gemüse. Bitte mehr davon!
  • Kaufe gezielt ein: Den Löwenanteil der vergeudeten Lebensmittel stellt Obst und Gemüse mit 34 Prozent. Es lohnt sich also, besser zu planen, was wir wann essen wollen. Ja, die Großpackung ist billiger, aber isst du wirklich zehn Kilo Kartoffeln in den nächsten Tagen oder sind es eher zwei? Und statt zum großen Beutel Karotten zu greifen, könntest du auch erst einmal überlegen, wie viele du tatsächlich zum Kochen brauchst – und ein paar lose Möhren einpacken.
  • Sei nicht so wählerisch: Nicht alles muss immer verfügbar sein – 14 Prozent der Lebensmittelverluste entfallen auf Backwaren. Entweder, weil zu viel gekauft wurde, oder, weil wir auch knapp vor Ladenschluss unsere Lieblingsbrotsorte im Regal haben wollen. Brauchen wir das wirklich?
  • Verwerte deine Reste: Statt im Mülleimer landen Reste besser im Kochtopf. Unsere Großeltern lebten es uns vor, und du solltest es viel öfter nachmachen – es gibt sogar eigene Kochbücher dafür!
  • Mach Lebensmittel haltbar: Viele Obst- und Gemüsesorten kannst du einfrieren, einkochen oder fermentieren, wenn sie Saison haben, statt die Überproduktion auf den Feldern verrotten zu lassen.
  • Nutze Foodsharing und Apps: Werde zum:r aktiven Lebensmittelretter:in, indem du dich zum Beispiel auf der ehrenamtlich betriebenen Plattform foodsharing.de registrierst. Dort kannst du übrig gebliebene Lebensmittel weitergeben – oder selbst deine Vorräte aus den digitalen Essenskörben auffüllen. Auch die App Too Good To Go hilft, Foodwaste einzudämmen: Hier stellen gastronomische Betriebe und Bäckereien übriggebliebene Speisen ein, die du günstig kaufen kannst.

Weiterlesen auf Utopia.de:

Quellen:

** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.

Gefällt dir dieser Beitrag?

Vielen Dank für deine Stimme!

Verwandte Themen: