Am Jahresanfang oder in der Fastenzeit verbannen viele Menschen Süßes, Alkohol, Kaffee oder Fleisch aus ihrem Leben. Wie wäre es stattdessen mal mit Plastikfasten? Zwei Expertinnen erklären im Interview, wie’s klappt.
Plastik ist eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit – und so alltäglich, dass der Verzicht darauf nicht einfach ist. Dass es doch geht, das zeigt die erstarkende Zero-Waste-Bewegung. Wie Plastikfasten funktioniert und was beim Einstieg hilft, erfährst du hier.
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Plastikfasten: 40 Tage plastikfrei
Mehrere Organisationen – allen voran der BUND – rufen inzwischen jährlich zur Fastenzeit zum „Plastikfasten“ auf. Das Ziel: 40 Tage lang möglichst auf Plastik und Einwegverpackungen verzichten. So vermeidet jede:r von uns Müll und schont Ressourcen.
„Plastikfasten kann uns bewusstmachen, wo wir im Alltag unnötigem Einwegplastik begegnen. Oft wird es nur Minuten benutzt, bevor es im Müll landet. Dabei gibt es Unverpackt- und Mehrweg-Alternativen. Sie sollten selbstverständlich werden“, sagt Janine Korduan, BUND-Expertin für Kreislaufwirtschaft.
Die siebenwöchige Fasten-Aktion kann ein Einstieg in ein ressourcenschonendes und plastikfreieres Leben sein – Plastikfasten ist aber natürlich das ganze Jahr über sinnvoll. Der BUND rät, neben der aktiven Plastikvermeidung auch Verpackungsmüll im Laden zu lassen – um so ein Zeichen zu setzen, dass Auch Händler und Hersteller in der Verantwortung sind.
Interview: Expertinnen über Plastikfasten und plastikfreies leben
Utopia hat mit den beiden Autorinnen des Spiegel-Bestsellers „Besser leben ohne Plastik“ über die Idee des Plastikfastens gesprochen – und darüber, wie man auch bei Toilettenpapier die Plastikverpackung umgehen kann.
Frau Schubert, Frau Bunk, was hat bei Ihnen das Umdenken zum plastikfreien Leben ausgelöst?
Nadine Schubert: Während meiner zweiten Schwangerschaft im Frühjahr 2013 bin ich durch eine Reportage im Fernsehen auf das Thema aufmerksam geworden. Vor allem hat mich erschüttert, welch giftige Stoffe in vielen Produkten aus Plastik stecken. Das wollte ich mir und meiner Familie nicht mehr zumuten.
Gleichzeitig wurde mir bewusst, wie viel Plastikmüll wir produzieren. Auch das wollte ich ändern. Deshalb stand der Entschluss schnell fest: So wie es ist, kann es nicht weitergehen. Wir verabschieden uns vom Plastikverbrauch!
Anneliese Bunk: Auch ich war schockiert zu erfahren, wie sich der Plastikkonsum auf Gesundheit und Umwelt auswirkt. Ich entschied mich Hals über Kopf dazu, das plastikfreie Leben zu meiner neuen Lebensaufgabe zu machen.
Was ist die Idee hinter Plastikfasten?
Nadine Schubert: Die Fastenzeit ist eine gute Gelegenheit, etwas anzupacken. Hat man früher auf Fleisch und Alkohol verzichtet, so steckt man sich heute neue Ziele. Vegane Ernährung ist zum Beispiel ein Trend in der Fastenzeit.
Ich möchte die Menschen dazu aufrufen, in dieser Zeit sorgsamer mit ihrem Konsum umzugehen. Ich hoffe, sie erkennen beim Plastikfasten, dass Plastik zu sparen nicht bedeutet, zu verzichten.
In der Fastenzeit kann man seinen gesamten Plastikmüll in einem Glas oder einer Tüte sammeln, um zu sehen, wie sehr er sich reduziert hat. Nach 40 Tagen ohne Plastik gehen einige Handgriffe schon von selbst und werden vielleicht in den Alltag integriert.
Plastikfasten: Tipps für Neulinge
Viele Menschen gehen bereits bewusst mit ihrem Plastikkonsum um. Doch womit können absolute Einsteiger:innen beginnen?
Anneliese Bunk: Meine drei Lieblingstipps sind: Seife statt Duschgel, Leitungswasser statt Flaschenwasser und Pflanzenöl oder Kokosöl statt Feuchttüchern und Make-up-Entferner. Diese Tipps sind einfach, sparen Geld und jeder kann sie sofort umsetzen, ohne seine Gewohnheiten zu ändern.
Nadine Schubert: Leicht ist der Umstieg vor allem beim Lebensmitteleinkauf. Man kann auf Getränke – auch Milch – im Glas umsteigen und sich von PET-Flaschen und Tetrapacks verabschieden. Man sollte darauf achten, kein verpacktes Obst und Gemüse mehr zu kaufen und zur Wurst- und Käsetheke seine eigenen Behälter mitbringen. Solange die eigene Dose auf der Theke stehenbleibt, ist es absolut erlaubt.
[Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der COVID-19-Pandemie ist es möglich, dass Verkäufer:innen mitgebrachte Behältnisse nicht annehmen dürfen. Ein Verbot, Mehrwegbehälter zu befüllen, gibt es laut dem BUND aber nicht. Reinige Mehrwegbehälter in der Spülmaschine, ehe du damit einkaufen gehst.]
Bei einigen Produkten ist es fast unmöglich, auf Plastik zu verzichten. Wie macht man es beim Plastikfasten zum Beispiel mit Toilettenpapier?
Anneliese Bunk: Wenn man den Jahresbedarf an Toilettenpapier bestellt, wird dieser meist ohne Plastik geliefert. Ich hatte dies am Flughafen entdeckt. Eine Rolle enthält so viel wie vier Rollen normales Papier. Eine Box mit 24 Rollen reicht also fast ein ganzes Jahr und spart unglaublich viel Zeit beim Einkaufen.
Nadine Schubert: Toilettenpapier sollte grundsätzlich aus Recyclingmaterial, also Altpapier, hergestellt sein. In vielen Unverpackt-Läden kann man es lose kaufen. Da es in meiner Nähe keinen solchen Laden gibt, bestelle ich einmal im Jahr im Internet. Mein Einzelblatt-Toilettenpapier kommt platzsparend in einer Box und somit komplett ohne Plastikverpackung aus.
Diese Basics helfen beim plastikfreien Leben
Welche Plastikfrei-Basics sollte man haben, um im Alltag Plastik effektiv zu umgehen?
Nadine Schubert: Es ist gut, auf Stoffbeutel, Einkaufskorb und Baumwolltasche zurückzugreifen. Denn damit kann man sowohl auf Obstbeutelchen aus Kunststoff als auch auf die Papiertüte beim Bäcker verzichten. Eine plastikfreie Trinkflasche für Kinder spart Kunststoff und Schadstoffe ebenso wie eine Brotzeitdose aus Edelstahl. Außerdem kann man viel Chemie sparen, indem man einfache Mittel zum Reinigen verwendet. Waschsoda ersetzt zum Beispiel den Toilettenreiniger.
Und was können Verbraucher:innen über das Plastikfasten hinaus im Alltag für den Umweltschutz tun?
Nadine Schubert: Im Haushalt schont man die Umwelt, indem man weniger Strom verbraucht, zum Beispiel indem man den Trockner seltener nutzt. Ich setze auch auf gebrauchte Kleidung. Gummistiefel für den Kindergarten muss man nicht alle paar Monate neu kaufen. Sich mit anderen Müttern auszutauschen kann hier helfen. Und für alle, die viel im Internet unterwegs sind, ist die grüne Suchmaschine Ecosia sicher ein guter Tipp. Die Suchmaschine nutzt die Einnahmen durch Suchanfragen, um Bäume zu pflanzen.
Anneliese Bunk: Einiges: Sie können Urlaub in der Region machen statt zu fliegen, frisch kochen statt Fertigprodukte zu kaufen und aus dem Konsumrausch ausbrechen, indem Sie nur noch Produkte kaufen, die absolut notwendig sind.
So viel zur Seite der Verbraucher:innen. Was können Politik und Handel gegen den enormen Plastikverbrauch tun?
Nadine Schubert: Die Politik sollte Mikroplastik in Kosmetik- und Pflegeprodukten verbieten. Niemand braucht kleine Plastikteilchen in Duschgel oder Waschmittel. Der Verbraucher kann oft nicht nachvollziehen, was wirklich in dem Produkt steckt, das er verwendet. Hier muss gehandelt werden.
Der Handel sollte zudem überflüssige Verpackungen abschaffen. Eine Salatgurke muss nicht in Plastik eingeschweißt werden. Sie hat bereits eine Schale.
Anneliese Bunk: Anstelle von Filteranlagen in Klärwerken wäre das Verbot von Mikroplastik umweltfreundlicher und kostensparender. Der Handel sollte zusätzlich To-go-Produkte aus dem Sortiment nehmen.
Das Buch: „Besser leben ohne Plastik“ von Nadine Schubert, Anneliese Bunk. oekom Verlag, ISBN: 978-3-86581-784-6, circa 14 Euro.
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