Wie schwer ist es wirklich, auf tierische Produkte zu verzichten? Das wollte unsere Autorin genau wissen und hat sich einen Monat lang vegan ernährt.
Viele Menschen werden Veganer:innen, weil sie keine Produkte aus Massentierhaltung essen wollen. Denn für Fleisch, Milch und Eier werden Tiere oft unter katastrophalen Bedingungen gehalten. Andere verzichten, um ihren CO2-Fußabdruck zu verringern. Und wieder andere wollen einfach abnehmen – und sehen Veganismus als eine Art Diät.
Ich zähle mich ein bisschen zu den ersten beiden Kategorien. Vorwiegend war ich aber einfach neugierig: In Zeiten von Beyond Meat Burger, Oatly und Co. – wie schwer ist es da, auf tierische Produkte zu verzichten? Und wie groß ist die Umstellung für mich als Vegetarierin? Um das herauszufinden, habe ich mich einen Monat lang vegan ernährt. Und kam zu dem Schluss: Der Verzicht ist nicht das Schwierige. Die größte Herausforderung bestand darin, niemandes Gefühle zu verletzen.
Vegan leben: Der erste Tag war schwer
Ich habe meine Challenge am ersten Februar 2020 begonnen, mich also 29 Tage lang vegan ernährt. Als Vorbereitung hatte ich meine Küche entsprechend ausgestattet – mit Hafermilch, einer milch- und palmölfreien Margarine und einer Tafel veganer Schokolade (für harte Zeiten).
Leider lief mein erster Tag als Veganerin trotzdem nicht glatt. Ich war zum Frühstücken nicht zu Hause, sondern wollte mit meinem Freund in einer Bäckerei etwas essen. Als ich mir die Auslage näher ansah, stellte ich enttäuscht fest: Außer einer trockenen Semmel oder Breze war für mich nichts dabei. Und da ich kein Espresso-Fan bin, war Kaffee auch keine Option.
Also: Keine Bäckerei, dafür auf zum Supermarkt! Dort besorgten wir uns Hafermilch, bei meinem Freund zu Hause gab es Müsli. Die „Milch“ kam glücklicherweise auch bei meiner nicht-veganen Begleitung gut an. Wir konnten die Packung über die nächsten Tage also mühelos aufbrauchen.
Im Supermarkt: Kleine Käsegelüste und böse Überraschungen
Auch wenn ich etwas unbeholfen in meinen veganen Monat gestartet war, verliefen die folgenden Wochen gut. Ich bin seit zehn Jahren Vegetarierin; auf Fleisch und Fisch verzichtete ich also sowieso schon. Auch Eier esse ich nur selten, Käse liebe ich dafür umso mehr. Doch das Käsebrot am Abend konnte ich leicht durch eine Semmel mit veganem Aufstrich ersetzen – davon gibt es regaleweise verschiedene Sorten, durch die ich mich gerne durchprobiert habe. Ab und zu überkamen mich vor der Käsetheke aber doch Gelüste – zum Glück habe ich es jedes Mal geschafft, mich loszureißen und weiterzugehen.
Doch im Supermarkt lauerten weitere Stolperfallen: In vielen Fertigprodukte stecken tierische Zutaten, die ich dort nie vermutet hätte. Einige Kartoffelchips enthalten zum Beispiel Milchbestandteile, im Kleingedruckten einer normalen Tomaten-Tütensuppe entdeckte ich tatsächlich Speck. (Hätte ich nur die Vorderseite der Verpackung betrachtet, hätte ich nie vermutet, dass das Produkt nicht vegetarisch ist – geschweige denn vegan!) Auch von den meisten Weinsorten musste ich vorsichtshalber die Finger lassen. Denn Weinflaschen haben keine Zutatenliste. Wenn sie kein Vegan-Label tragen, lässt sich nur sehr schwer herausfinden, ob der Wein durch tierische Bestandteile wie Kasein geklärt wurde.
Insgesamt habe ich wahrscheinlich nicht gesünder eingekauft als sonst. Lebensmittel wie Süßigkeiten, Snacks und sogar Tiefkühlkost gibt es inzwischen auch für Veganer:innen – ich habe sie nach Bedarf also einfach ersetzt.
Auswärts essen ist leicht, das Tischgespräch oft schwierig
Auswärts vegan zu essen, war überraschend leicht – zumindest auf den ersten Blick: Die Restaurants, die ich besucht habe, hatten mindestens eine vegane Option auf der Karte. Und die war glücklicherweise immer lecker. Die große Auswahl hat mich überrascht: Ich habe das Gefühl, vor wenigen Jahren wäre es deutlich schwieriger gewesen, in Restaurants und Imbiss-Buden vegane Gerichte zu finden.
Nur eine Sache hat mich wirklich genervt: Sobald ich den:die Kellner:in gefragt hatte, ob es ein Gericht auch ohne Käse gäbe, wechselte das Tischthema automatisch zu Veganismus. Das wurde auf die Dauer nicht nur ganz schön eintönig.
Zwei meiner Bekannten sagten mir sogar ganz offen, dass sie von meiner Ernährungsweise nichts halten würden. Teils mit lustig verpackten Blödsinn-Argumenten wie „Ihr Veganer:innen esst meinem Essen das Essen weg“. Teils schimpften sie aber auch auf „militante Veganer:innen“, die ihnen angeblich ihren Ernährungsplan diktieren würden.
Diese Situationen waren nicht nur unangenehm, sondern haben mich komplett überrascht. Ich hatte das Thema immerhin gar nicht angesprochen – trotzdem fühlten sich einige Menschen am Tisch angegriffen oder hatten das Gefühl, sie müssten sich rechtfertigen. Glücklicherweise begegneten mir solche Reaktionen nur selten. Die meisten meiner Bekannten stellten meine Ernährung nicht in Frage; viele sagten sogar, sie würden sich gerne selbst einmal daran versuchen.
Ab und zu war ich auch bei Freund:innen oder bei meiner Familie zum Essen eingeladen. Die nahmen alle rührend auf mich Rücksicht und kochten netterweise Gemüsegerichte oder vegane Curries. Nur beim ersten Mal hatte ich vergessen, den Gastgebern rechtzeitig Bescheid zu geben. So musste ich schweren Herzens die selbstgemachte Pastinaken-Cremesuppe meiner Mutter ablehnen und mich mit Salat begnügen. Das war im ganzen Februar wohl die größte Herausforderung: Zum einen, weil meine Mutter eine tolle Suppe macht, aber vor allem, weil ich die Gefühle der Köchin nicht verletzen wollte. Die hat es mir aber wohl nicht besonders übelgenommen – zumindest wurde ich kurz darauf wieder eingeladen, diesmal zu einem veganen Gemüse-Reis.
Fazit: Einen Monat lang vegan zu leben ist erstaunlich einfach
Habe ich es also geschafft, einen Monat komplett vegan zu leben? Wenn ich ganz ehrlich bin, nein. Einmal habe ich zum Beispiel einen angebotenen Keks mit Schokolade gegessen, ohne darüber nachzudenken. Und ein anderes Mal war ich beim Bestellen unvorsichtig und habe aus Versehen ein Gericht mit Käse erhalten. Das habe ich dann lieber gegessen, als es wegzuwerfen. Doch diese Unfälle werte ich als Anfänger:innenfehler: Mit etwas mehr Übung würde das sicher nicht mehr passieren.
Deshalb lautet mein Fazit: Vegan zu leben ist für mich als Vegetarierin erstaunlich einfach. Das liegt vor allem daran, dass es für so viele Dinge inzwischen vegane Alternativen gibt, zum Beispiel für Milch und Schokolade. Und wenn man doch mal Lust auf Pfannkuchen oder Pizza hat, dann findet man das passende vegane Rezept nach wenigen Klicks auf Google oder Utopia.
Allerdings war meine Erfahrung nicht nur positiv: Noch immer gibt es Menschen, die Veganer:innen offen anfeinden, weil sie ein bestimmtes Bild von ihnen haben. Ich kann nur hoffen, dass dieses Schubladen-Denken bald ein Ende hat – und dass sich kein:e Veganer:in von solchen Sprüchen einschüchtern lässt.
Weil mein veganer Monat so gut lief, werde ich übrigens noch eine Weile länger vegan leben – zumindest bis Ostern. Ob ich danach wieder Käse und Eier esse, weiß ich noch nicht. Den Tieren und dem Klima zu Liebe würde ich aber gerne irgendwann ganz darauf verzichten.
Hinweis: Dieser Beitrag wurde erstmals im März 2020 veröffentlicht.
Podcast: Ihr wollt noch einmal nachhören wollt, wie es Redakteurin Kathi in ihrer veganen Zeit erging? In Folge 16 des Utopia-Podcasts spricht sie darüber mit ihrem Kollegen Andreas:
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