Auch sein Gas kann man nachhaltiger einkaufen: Mit dem Label „Grünes Gas“ geht das sogar mit zertifizierter Nachhaltigkeit.
Das Label Grünes Gas ist das strengste Label für Biogas in Deutschland. Es wird von gemeinnützigen Umweltverbänden vergeben und zertifiziert vor allem Gas aus biogenen Reststoffen. Die Grünes Gas-Kriterien stellen klar definierte Anforderungen
- an das Gasprodukt,
- an die Verwendung von Fördermitteln und
- an den Energieanbieter selbst.
Im Gegensatz zu Gas mit Klimaneutralisierung (oft „Ökogas“ genannt) besteht das zertifizierte Gas nicht vollständig aus Erdgas, sondern zu mindestens zehn Prozent aus Biogas ( hier gemeint als: Gas aus Biomasse). Es sind (seltener) auch erdgasfreie Tarife mit 100% Biogas möglich – und nur diese 100-Prozent-Tarife empfiehlt Utopia.
Wer vergibt das Siegel Grünes Gas?
Hinter dem Label Grünes Gas steckt ein Verein, den mehrere gemeinnützige Umwelt- und Verbraucherverbände vor etwa 20 Jahren gegründet haben.
- Vergeben in: Deutschland
- Vergeben von: Grüner Strom Label e. V.
- Kategorie: umweltfreundlichere Gase
- Produkte: Gastarife mit Biogas-Anteil
- Verbreitung: gering
- Utopia-Bewertung: sehr empfehlenswert bei Tarifen mit 100% Biogas
Der Verein zertifiziert ausschließlich grüne Energieprodukte, darunter auch Ökostrom via „Grüner Strom“-Label. Heute ist der Verein in Trägerschaft von sieben Verbänden, darunter Deutsche Umwelthilfe, NABU und BUND. Die Verbände entwickeln das Label zusammen mit einem Fachbeirat stetig weiter und informieren Privat- und Geschäftskund:innen auf Fach- und Verbrauchermessen.
Grünes Gas: Kriterien im Überblick
Damit ein Biogas-Tarif das Siegel Grünes Gas erhält, prüfen unabhängige Gutachter:innen den Biogas-Anteil im Gasgemisch.
- Der Anteil muss mindestens zehn Prozent betragen.
- Der Herkunftsnachweises muss mit der zugrunde liegenden Gasmenge gekoppelt sein.
Nach der Überarbeitung der Grünes-Gas-Kriterien 2022 sind die Kriterien für die Beschaffung erweitert worden, z.B. Gülle aus konventioneller Landwirtschaft wird zugelassen. Andere Kriterien, wie die Förderkomponente, die schon aus dem Grüner-Strom-Label bekannt ist, kamen neu hinzu.
Folgende Quellen sind erlaubt:
- Biogene Abfälle (u.a. kommunale Bioabfälle, organische Abfälle wie beispielsweise Blumen, Fallobst, Küchenabfälle, überlagerte Lebensmittel).
- Biogene Reststoffe (u.a. Pflanzenreste aus der Garten- und Landschaftspflege sowie Reststoffe aus der Landwirtschaft, darunter auch Ernte- und Schlachtabfälle).
- Klärschlämme und Klärgase aus Kläranlagen in kommunaler Hand, aber auch aus industriellen Verfahren bzw. der gewerblichen Produktion (z.B. aus biogenen Reststoffen beim Papier-Recycling).
- Jegliche Art von Wirtschaftsdünger (z.B. Gülle, Jauche, Mist).
Folgende Quellen sind unzulässig:
- Deponie- und Grubengas sind nicht zulässig.
Ausschlusskriterien für Anbieter:
- Der Gasanbieter darf nicht an Atomkraftwerken beteiligt sein.
- Seit 2015 sind neue Beteiligungen an Kohlekraftwerken verboten, ab 2026 werden sie generell nicht mehr zulässig sein.
Neu seit 2022:
- Energieanbieter verpflichten sich mit dem Grünes Gas-Label eigene Energiewende-Projekte zu realisieren oder wahlweise die Fördergelder in den Energiewende-Fonds des Grüner Strom Label e.V. zu übertragen.
- Ein fester Betrag von mindestens 0,2 ct (netto) pro Kilowattstunde fließt in den Ausbau erneuerbarer Energien und innovativer Energiewende-Projekte, analog zum Siegel Grüner Strom. Das Geld fliesst wahlweise in den Bau von Anlagen zur Bereitstellung erneuerbarer Energie, der Infrastrukturumbau für eine Umstellung auf ein vollständig erneuerbares Energiesystem sowie die Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen.
- Auch synthetisch hergestellte grüne Gase sind erlaubt. Sie sollten aus Deutschland oder aus europäischen Nachbarländern stammen. Hier findet noch eine Einzelfallprüfung statt, weil der Markt sich eben erst entwickelt.
- Künftig sollen CO2-Emissionen für die Gasprodukte errechnet und ausgewiesen werden. Da für Biogas im Wärmesektor noch keine Berechnungsgrundlagen existieren, besteht hier noch Abstimmungsbedarf.
- Zertifizierte Anbieter dürfen nach dem 31.12.2026 keine direkte Beteiligungen an Kohlekraftwerken mehr besitzen, dies gilt auch für Mutter-/Tochter-Gesellschaften mit über 50 Prozent Beteiligung. Es gibt Ausnahmen auf Einzelfallbasis.
Damit Kund:innen den Gas-Mix beurteilen und vergleichen können, muss der Anbieter den Biogas-Anteil transparent machen. Zudem sollen die Biogas-Anbieter Klimaschutzziele verfolgen und sich für den Ausbau erneuerbarer Energien einsetzen. Faire Vertragsbedingungen sowie Transparenz hinsichtlich der Nachhaltigkeit, Energieeinsparungen und Energieeffizienz sichert das Siegel Grünes Gas den Kund:innen ebenfalls zu.
Grünes Gas: Kontrollen
Möchte ein Gasanbieter ein Biogas-Produkt zertifizieren lassen, muss es dem Verein Grüner Strom e.V. zusichern, alle Kriterien zu erfüllen und jährlich Nachweise darüber erbringen. Der Verein prüft dann den Anbieter und erteilt ihm gegebenenfalls das Siegel Grünes Gas. Die eigentlichen Kontrollen finden rückwirkend nach der laufenden Zertifizierungsperiode statt: Jedes Jahr muss der Biogas-Anbieter dem Prüfinstitut DVGW Cert GmbH Unterlagen einreichen, welche die Einhaltung der Kriterien belegen. Auf Basis des Prüfberichts entscheidet dann der Verein Grüner Strom e.V., ob er das Siegel verlängert, entzieht oder nur unter Auflagen erneut erteilt.
Kritik am Grünes Gas Label
Das Siegel Grünes Gas gilt als besonders streng, sodass es nur wenig Kritik gibt.
Allerdings können auch Gasanbieter mit nur zehn Prozent Biogas in ihrem Gas-Mix das Siegel erhalten. Und dies wird auch genutzt: Mehrere zertifizierte Anbieter – darunter Naturstrom, Green Planet Energy und Enspire – bieten unter anderem Ökogas-Tarife mit nur zehn Prozent Biogas-Anteil.
Dass es auch anders geht, zeigen EWS Biogas und Prokon Biogas: Sie haben auch Ökogas-Tarife mit reinem Biogas (100 Prozent) im Portfolio.
Wie unterscheidet sich das Label von anderen Ökogas-Tarifen?
Viele Gasanbieter haben „Ökogas“- und „Klimagas“-Tarife im Angebot, die aber mit Biogas wenig zu tun haben: Hier werden oft lediglich die CO2-Emissionen durch den Kauf von CO2-Zertifikaten oder Investitionen in Klimaschutzprojekte ausgeglichen (CO2-Kompensation). Expert:innen sehen hier die Gefahr von Greenwashing.
„Wer echtes Biogas beziehen will muss darauf achten, keiner Mogelpackung aufzusitzen“, erläutert Marcus Bollmann, Vorstandsmitglied des Grüner Strom Label e.V.. Denn der Begriff Biogas ist gesetzlich nicht geschützt. „Damit Verbraucherinnen und Verbraucher nicht getäuscht werden, braucht es eine unabhängige Kontrollinstanz für umweltverträgliches Biogas.“
Alternativen zum Siegel Grünes Gas
Neben dem Siegel Grünes Gas gibt es in Deutschland noch die beiden Ökogas-Siegel vom TÜV Nord „Klimaneutrale Gasverbrennung“ und „Klimaneutrales Gasprodukt“.
- Bei beiden Siegeln prüft der TÜV Nord die CO2-Bilanz des Ökogases.
- „Klimaneutrales Gasprodukt“ berücksichtigt die CO2-Bilanz der Rohstoffgewinnung und der Gas-Verbrennung, bei „Klimaneutrale Gasverbrennung“ bezieht sich die CO2-Bilanz nur auf die Emissionen der Verbrennung. Einen Fokus auf Biogas gibt es nicht.
Aber: Polarstern Wirklich Ökogas hat zwar „nur“ TÜV Nord, geht aber in vielen Aspekten noch einen Schritt weiter als Unternehmen mit Grünes-Gas-Label, und bietet zum Beispiel keinen Tarif mehr an, in dem fossiles Gas Verwendung findet (was das Grünes-Gas-Label leider nicht ausschliesst).
Verfügbarkeit des Siegels: mittel
Für Endkund:innen gibt es derzeit über ein Dutzend Tarife von acht Gasanbietern mit dem Siegel Grünes Gas. Dass es (noch) nicht mehr sind, dürfte vor allem an den strengen Kriterien liegen, schränkt Verbraucher:innen aber bei der Wahl des Anbieters sein.
Zum aktuellen Stand (9/2022) gibt es diese zertifizierten Anbieter:
- ESDG Energie (nur für kirchliche/soziale Einrichtungen)
- EWS Schönau Biogas Klima Max (drei Tarife, 100%-Version empfohlen)
- Naturstrom 100% Biogas (drei Tarife; 100%-Version empfohlen)
- Greenpeace Energy proWindgas (4 Tarife, keiner mit 100%)
- Enspire Grünes Gas (Stadtwerke Konstanz, keine 100%)
- PROKON Biogas 100 (zwei Tarife, 100% Biogas empfohlen)
- RhönGas ÖkoRegio (RhönEnergie Fulda; nur regional verfügbar, keine 100%)
- Stadtwerke Eisenberg Energie (nur regional verfügbar)
Trotz noch geringer Verbreitung bewegt das Siegel bereits viel: 2021 wurden 65.700 Kunden mit über 1,15 TWh Grünes Gas-Produkte beliefert.
Utopia-Fazit zum Label Grünes Gas
Das Siegel Grünes Gas ist das strengste Ökogas-Siegel in Deutschland und setzt hohe Standards für Biogas. Anderes Gas, etwa Erdgas mit CO2-Kompensation, wird nicht zertifiziert. Das Siegel verlangt von den Energieversorgern ein solides Maß an Umweltschutz bei der Produktion. Beteiligungen der Anbieter an Atom- und bald auch Kohlekraft sind unzulässig. Vegan ist Grünes Gas nicht.
Wir betrachten das Label Grünes Gas als derzeit sehr empfehlenswert. Verbraucher:innen sollten aber darauf achten, wie hoch der Biogas-Anteil im Gas-Mix ist und einen Tarif mit 100% Bio-Gas wählen.
Hinweis: Wegen der aktuellen Energiekrise ist die Verfügbarkeit von Gastarifen stark eingeschränkt, daher nehmen aktuell auch „Grünes Gas“-gelabelte Anbieter nicht immer Neukunden an.
Mitarbeit: S.C.Schulz
Wichtige Beiträge zu dem Thema auf Utopia.de:
- Gasanbieter: Diese 3 Biogas-Unternehmen empfehlen wir
- Gas-Anbieter wechseln – so einfach geht’s
- Gastarife im Vergleich: Sind Ökogas, Biogas, Klimagas sinnvoll?
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