In den letzten Jahren haben zehntausende Menschen gemeinsam unter dem Motto „Wir haben es satt!“ auf der Straße demonstriert und politisch Druck gemacht. Dieses Jahr konnte keine Großdemo stattfinden und die Veranstalter haben sich etwas einfallen lassen, um sich für ein Umsteuern in der Landwirtschaftspolitik einzusetzen. Wir nehmen dies zum Anlass anzusehen, welche Dinge die Politik konkret tun kann.
Im Superwahljahr 2021 finden sechs Landtagswahlen und eine Bundestagswahl statt. Es steht also viel auf dem Spiel. Vor allem, wenn es darum geht, sich für eine ökologischere Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Deutschland einzusetzen.
Genau dies macht das Aktionsbündnis „Wir haben es satt!“, das aus über 50 Organisationen besteht. Unterstützt wird es unter anderem von Bäuer:innen (konventionell und bio), Natur- und Tierschützer:innen, Imker:innen, Verbraucher:innen und Umweltaktivist:innen. Aber auch viele engagierte Jugendliche sowie Menschen aus Stadt und Land gehen seit 2011 gemeinsam für „Wir haben es satt!“ auf die Straße. Und im Januar 2021 setzten sich bei der „Aktion Fußabdruck“ 10.000 Menschen von zuhause aus für gute Landwirtschaft und gesundes Essen ein.
„Für echten Klimaschutz brauchen wir den Umbau der Landwirtschaft. Das heißt: Die bäuerlich-ökologischere Landwirtschaft stärken und die Höfe bei artgerechter Tierhaltung, Klima- und Artenschutz unterstützen – bei uns und weltweit!“
Quelle: BUND
Um den Umbau der Landwirtschaft konkret in der Politik voranzutreiben, bringt das Aktionsbündnis fünf Forderungen im Rahmen der „Wir haben es satt!“-Aktion 2021 hervor:
1. Tierfabriken stoppen
2021 wurden zum ersten Mal Fälle von Vogelgrippe bei Menschen nachgewiesen. Sie arbeiteten in einem Betrieb, in dem Geflügel für die industrielle Landwirtschaft gemästet wird – dort steckten sie sich auch mit der Vogelgrippe an.
Es handelt sich dabei um einen weiteren Fall von Zoonose – also der Übertragung von Krankheiten von Tieren auf Menschen. Gerade in Zeiten von Corona ein empfindliches Thema und Fälle, wie der genannte, sind keine Seltenheit – im Gegenteil, sie nehmen sogar zu.
Ist es noch vertretbar, solche Tierfabriken zu führen? Kann das für Verbraucher:innen und die Umwelt (noch) gesund sein – abgesehen davon, was es ohnehin für die Tiere bedeutet? „Wir haben es satt!“-Unterstützer:innen wollen nicht noch mehr Tierfabriken – wie sie aktuell zum Beispiel in China entstehen – sondern weniger. Im Idealfall sogar gar keine, um diese Tierfabriken – und die damit verbundenen Risiken – nicht mehr in Kauf zu nehmen.
„Wir haben es satt!“ fordert, Tierzahlen in diesen Betrieben zu reduzieren sowie den Stallumbau für artgerechte Tierhaltung zu fördern.
2. Klimakrise bekämpfen
Der Fleischhunger wächst und gleichzeitig werden bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Ein absurder Widerspruch und zugleich ein Luxus, den wir uns laut „Wir haben es satt!“ nicht mehr erlauben können. Zudem ist Fleisch ein Klimakiller. „Wir haben es satt!“ ruft dazu auf, den Fleischkonsum zu senken und gesunde Böden zu sichern, um die Versorgung mit gesunden Lebensmitteln auch zukünftig zu sichern.
Um die Klimakrise erfolgreich zu bekämpfen, bedarf es entsprechender Gesetzgebung und Initiativen seitens Politik und Wirtschaft. Doch auch als verantwortungsvolle Konsument:innen können wir, zum Beispiel durch Verzicht auf Fleisch, dafür sorgen, dass für die Fleischproduktion weniger Wasser und Flächen verbraucht würden.
Fleischkonsum belastet die Umwelt massiv und rund 38% der bewohnbaren Fläche werden für die industrielle Tierhaltung genutzt.
„Wir haben es satt!“ fordert deshalb, die Böden zu schützen und bei der Verwendung von Ressourcen nicht auf „Fleisch satt“ zu setzen, sondern den Fleischkonsum und die Produktion von Fleisch zu verringern.
3. Pestizidausstieg angehen & Gentechnik stoppen
Das Bündnis „Wir haben es satt!“ setzt sich für gute Landwirtschaft und gesundes Essen ein. Beides ist zwangsläufig mit dem Schutz unserer Insekten verbunden, da ohne Insekten die Landwirtschaft sowie das gesamte Leben auf dem Planten bedroht ist. Damit gilt es auch, die Verwendung von Pestiziden zu vermeiden oder – besser noch – zu verbieten. Um die Gesundheit der Verbraucher:innen zu schützen, fordert das Aktionsbündnis zudem, den Einsatz von Gentechnik zu stoppen.
Ende November 2017 hat die EU das umstrittene Unkrautgift Glyphosat für weitere fünf Jahre zugelassen, dabei wird das Unkrautvernichtungsmittel seit Jahren kontrovers diskutiert. Viele Wissenschaftler und Verbände sind davon überzeugt, dass der Stoff gefährlich ist – unter anderem steht Glyphosat im Verdacht, Krebs auszulösen.
Glyphosat wird bis heute weiterhin genutzt und ist das am häufigsten eingesetzte Pestizid weltweit. Das Breitbandherbizid vernichtet jede Pflanze – es sei denn, sie wurde gentechnisch so verändert, dass sie gegen das Herbizid resistent ist. Diese Pflanzen überleben und landen letztlich bei den Verbraucher:innen als gentechnisch modifizierte Lebensmittel auf dem Tisch.
In Deutschland will Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) Glyphosat ab 2024 verbieten. Zunächst wird die Anwendung des Pflanzenschutzmittels nur eingeschränkt, aber die Bundesumweltministerin betonte in Berlin: „Der Glyphosat-Ausstieg kommt.“
Inzwischen hat die Bundesregierung ein Gesetzespaket zum Insektenschutz beschlossen. Darin geregelt ist auch der Einsatz von Pestiziden und es werden Schutzgebiete ausgewiesen, um das Insektensterben einzudämmen. Ein wichtiger Beschluss des Kabinetts ist die Änderung des Naturschutzgesetzes und der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung, die ein Ende der Nutzung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat endgültig festlegt – jedoch erst in 2024.
„Wir haben es satt!“ fordern den zügigen Pestizidausstieg sowie den Stopp von Gentechnik in der Lebensmittelproduktion.
Fakt ist: Glyphosat wird weiterhin – wenn auch eingeschränkt – genutzt. Trotzdem kannst du schon jetzt etwas unternehmen: 5 Dinge, die du jetzt gegen Glyphosat tun kannst.
4. Höfesterben beenden
Was ist wichtig für ein Umsteuern in der Landwirtschaft? Na klar, Bäuer:innen beim Umbau der Landwirtschaft unterstützen! Deshalb fordert dies das Bündnis „Wir haben es satt!“ auch deutlich von der Politik. Dabei geht es aber um mehr als nur darum, die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen. In vielen Fällen geht es um die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe. Biobauern sowie konventionelle Bauern kämpfen vielerorts ums Überleben.
Die Zahl der Betriebe ist seit Mitte der 90er-Jahre in Deutschland bereits um die Hälfte geschrumpft und ein Drittel der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft gingen verloren. Hinzu kommt, dass es oft kleinere Betriebe sind, die aufgeben müssen. Dies hängt nicht zuletzt mit einer Subventionspolitik zusammen, die den „Kleinen“ schadet und Betriebe mit viel Fläche stärker subventioniert. Wer ohnehin viel hat, bekommt auch mehr. Dies wiederum führt zu einem Kreislauf, bei dem große – stärker subventionierte – Betriebe dazu neigen, kleinere Betriebe und deren landwirtschaftliche Flächen aufzukaufen. Das Ungleichgewicht verstärkt sich also.
„Wir haben es satt!“ fordert von der Politik mehr finanzielle Unterstützung, damit Betriebe den Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit und mehr Tierwohl nachkommen können. Außerdem sollten Biobauern endlich für ihr freiwilliges ökologisches Handeln belohnt werden.
Alle sieben Jahre wird die EU-Agrarpolitik neu angepasst. 2021 ist es wieder so weit. Ein zusätzlicher Grund, dieses Jahr als politisches Schicksalsjahr zu betrachten.
5. EU-Mercosur-Abkommen stoppen
Wenn du noch nicht davon gehört haben solltest: Das EU-Mercosur-Abkommen ist ein Handelsabkommen für die größte Freihandelszone der Welt. Diese erstreckt sich über die Europäische Union und die sogenannten Mercosur-Staaten: Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.
Das Abkommen wird derzeit juristisch geprüft und anschließend in die europäischen Amtssprachen übersetzt. Nachdem das Abkommen dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament zur Zustimmung vorgelegt wurde und diese zustimmen, kann der Ratifizierungsprozess starten. Für eine Ratifizierung des Abkommens müssen alle nationalen Parlamente dem Abkommen zustimmen.
Doch was verbirgt sich hinter dem Abkommen? Was bedeutet es, wenn das Abkommen ratifiziert wird?
Die meisten Landwirt:innen in Deutschland und Europa fürchten, dass sich durch den Wegfall von Handelsbarrieren für südamerikanische landwirtschaftliche Produkte der Preisdruck für heimische Produkte noch mehr verschärft, weil dann billigere Ware eingeführt wird. Diese wird im Normalfall zu deutlich schlechteren ökologischen und sozialen Bedingungen produziert. Die Landwirt:nnen lehnen das Abkommen daher ab. Auch der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft und der Deutsche Bauernverband warnen vor unfairen Importstandards auf Kosten von Mensch, Umwelt und Natur.
Deshalb fordert „Wir haben es satt!“: Menschenrechte und Umweltschutz statt Freihandelsabkommen!
Aktion 2021: „Wir haben es satt!“ in Berlin
„Wir haben es satt!“ setzen sich für eine gerechte EU-Agrarreform und für mehr Mut in der Agrarwende ein. Alle Menschen, die sich für gute Landwirtschaft und gesundes Essen einsetzen, sind herzlich willkommen, sich ebenfalls bei „Wir haben es satt!“ zu engagieren. Im Januar sind bereits 10.000 Menschen dem Aufruf gefolgt und nahmen an der „Aktion Fußabdruck“ teil. Werde auch du aktiv bei „Wir haben es satt!“ – die nächste Aktion kommt bestimmt!
Was habt ihr satt? Sagt es uns in den Kommentaren!
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