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Häusliche Gewalt: Warum ein Hersteller jetzt QR-Codes in Unterwäsche druckt

Häusliche Gewalt: Warum ein Hersteller jetzt QR-Codes in Unterwäsche druckt
Foto: CC0 / Pixabay / congerdesign

Mit einem QR-Code in Unterwäsche möchte das Berliner Start-up „The Female Company“ ein Statement gegen häusliche Gewalt setzen. Im nachfolgenden Artikel stellen wir dir die wichtigsten Fakten sowie Lob und Kritik zur Aktion vor.

Unter dem Begriff der häuslichen Gewalt werden sowohl körperliche als auch sexuelle und emotionale Übergriffe in Partnerschaften verstanden. Der Begriff der häuslichen Gewalt wird aber teilweise auch weitergefasst und bezieht dann auch Gewalt gegen Kinder oder unter Geschwisterkindern ein. Aus statistischer Sicht wird eine von vier Frauen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von häuslicher Gewalt. Seit Beginn der Corona-Pandemie sind diese Zahlen sogar noch gestiegen.

Wie die Tagesschau berichtete, gab es insbesondere in den beiden Lockdowns 2020 und 2021 einen sprunghaften Anstieg der Gewaltfälle. Ein Großteil der Opfer (rund 80 Prozent) waren Frauen, die sich Studien zufolge sexueller, körperlicher und/oder emotionaler Gewalt ausgesetzt sahen.

Im Zuge der Metoo-Bewegung sprechen immer mehr Frauen öffentlich über ihre Erfahrungen, die sie durchgemacht haben. Seit einigen Jahren erfährt das Thema deshalb eine breitere mediale Aufmerksamkeit. Aktuell engagiert sich ein Berliner Unternehmen namens The Female Company, das für seine direkte Markenkommunikation bekannt ist, gegen häusliche Gewalt und für mehr Unterstützung von Frauen.

„Yes means yes“ und „My Body my Rules“: Periodenunterwäsche gegen sexuelle Gewalt

Das Unternehmen "The female company" will mit der „Extra Protection“-Reihe ein Zeichen gegen sexuelle Gewalt setzen.
Das Unternehmen „The female company“ will mit der „Extra Protection“-Reihe ein Zeichen gegen sexuelle Gewalt setzen. (Foto: CC0 / Pixabay / ninocare)

Um ein Zeichen gegen sexuelle und häusliche Gewalt zu setzen, bewirbt das Berliner Unternehmen „The female company“ aktuell ihre Reihe „Extra Protection“, die aus Periodenunterwäsche mit verschiedenen Modellen besteht. Diese Unterwäsche ist aus veganer Bio-Baumwolle und soll mit einem QR-Code auf dem Etikett Betroffenen häuslicher Gewalt helfen. Dieser unauffällig in die Unterwäsche eingenähte QR-Code führt zu einer Website, die vom Aufbau her einem Onlineshop ähnelt. Dahinter verbirgt sich allerdings eine Seite, die wichtige Informationen für Betroffene von häuslicher Gewalt beinhaltet. Neben Hilferufnummern haben Opfer hier die Möglichkeit, direkt online Strafanzeige zu erstatten.

Journalistin Ines Anioli, die mit dem Unternehmen anlässlich der Kampagne zusammenarbeitet, fordert in einem Interview mit Myself mehr Aufklärung und Solidarität für alle, die von häuslicher Gewalt betroffen sind:“Niemand möchte gerne Opfer sein. Einerseits weil damit einhergeht, dass einem Gewalt angetan wurde. Und andererseits, weil man als Opfer nicht gerade beliebt ist. Man braucht also richtig viel Mut, um sich einzugestehen, dass man ein Opfer ist. Vor allem, wenn der/die Täter:in der eigene Partner:in ist. Deswegen fordern wir nicht nur mehr Aufklärung, mehr Hilfsangebote und mehr Solidarität, sondern wir bieten sie auch an.“

Viel Lob und Kritik für die Unterwäsche mit QR-Code

Etliche User:innen loben die Aktion auf sozialen Netzwerken wie Instagram. Im dortigen Feed bekommt das Unternehmen viel Lob, weil es mit der Aktion verstärkt auf das Thema aufmerksam macht.

Dennoch gibt es auch Kritiker:innen, die vor allem den hohen Preis der Periodenunterwäsche (um die 40 Euro) bemängeln. Aufgrund des Preises, so heißt es, würden sich viele Kund:innen das Produkt nicht leisten können. Somit würden viele Opfer häuslicher Gewalt hier von Hilfsangeboten ausgeschlossen werden. Ein weiterer, kritikwürdiger Punkt bezieht sich auf das Marketing an sich. Feminismus und Hilfe für Opfer sexueller Gewalt sollten nicht an Bedingungen wie finanzielle Ressourcen geknüpft sein. Deshalb schlagen etwa Autor:innen der Taz vor, dass der Betrieb die erwirtschafteten Gewinne lieber Frauenhäusern und Beratungsstellen zukommen lassen sollte.

Andere Medien wie Gründerszene berichten von einem regelrechten Shitstorm, der sich gegen das Unternehmen richtet. The female company würde, so der Vorwurf, aus dem Thema der sexualisierten Gewalt Profit schaffen wollen. Um dieser Kritik entgegenzuwirken, würde das Unternehmen nun den entsprechenden QR-Code auch auf preisgünstigere Periodenprodukte wie Tampons und Binden drucken. Wie die Gründerin Ann-Sophie Claus verkündet, sei „es nicht das Ziel, Betroffene zu einem Produktkauf zu bringen, sondern Betroffenen über Alltagsprodukte versteckte Hinweise zu Hilfsangeboten zu ermöglichen“.

Häusliche Gewalt erkennen und handeln: Was Betroffene tun können

Opfeer häuslicher Gewalt solltest du verständnisvoll begegnen und deine Hilfe anbieten.
Opfeer häuslicher Gewalt solltest du verständnisvoll begegnen und deine Hilfe anbieten. (Foto: CC0 / Pixabay / pixel2013)

Falls du selbst Opfer häuslicher Gewalt bist oder Betroffene kennst, solltest du folgendes tun:

  • Zunächst gilt es, die Anzeichen und Warnsignale einer gewaltbelasteten Beziehung zu erkennen. Häusliche Gewalt ist in seiner Gestalt vielseitig und selbst für Betroffene oft nicht sofort zu erkennen. Denn nicht nur körperliche Übergriffe erfüllen den Tatbestand häuslicher Gewalt. Auch dann, wenn Partner:innen beleidigend werden, schlecht über den anderen sprechen, dem Opfer drohen oder es sozial isolieren und/oder kontrollieren, liegt häusliche Gewalt vor. Erschwerend hinzu kommt, dass Täter:innen in der Öffentlichkeit oftmals nicht als solche erkennbar sind, da sie auf ihre Mitmenschen häufig einen friedfertigen Eindruck machen. Nicht alle zeigen sich also öffentlich aggressiv oder gewalttätig.
  • Auch dann, wenn also nicht du, sondern gute Freund:innen oder Familienmitglieder betroffen sind, solltest du dich im Hinblick auf Warnsignale sensibilisieren. Anzeichen von häuslicher Gewalt sind beispielsweise dann gegeben, wenn sich der:die Betroffene sozial isoliert oder gezwungen ist, Aktivitäten und Hobbys nur in Absprache mit dem Partner:in auszuüben. Weiterhin deuten bestimmte Verhaltensweisen (etwa Panikattacken, Schlafstörungen, nervöse Gemütszustände oder Angst) darauf hin, dass etwas nicht stimmt. Spätestens dann, wenn du kleine oder größere Verletzungen bemerkst, die der:die Betroffene nicht erklären können oder wollen, solltest du aktiv werden und umgehend Hilfe anbieten. Baue aber keinen Druck auf, sondern lass der Person Freiraum, damit sie sich nicht bedrängt fühlt und von selbst das Gespräch mit dir suchen kann, wenn sie dafür bereit ist.
  • Sofern der Umgang mit dem:der Täter:in vorübergehend nicht komplett unterbunden werden kann, sollte man klare Grenzen setzen und zu den eigenen Gefühle stehen. Kein:e Partner:in hat das Recht, das Gegenüber zu kontrollieren, zu beleidigen oder körperlich anzugreifen. Generell gilt: Sobald du bei einem Streit oder einer Diskussion Angst bekommst und dich möglicherweise sogar bedroht fühlst, solltest du dich anderen anvertrauen. Es ist wichtig, nicht alleine zu bleiben, sondern Hilfe bei vertrauten Personen und/oder professionellen Beratungsstellen zu suchen. Oftmals schweigen Opfer aus falscher Scham, weil sie sich die Schuld geben oder den:die Täter:in nicht bloßstellen wollen. Dieses Schweigen ist jedoch fatal, da solche Täter-Opfer-Beziehungen eine Eigendynamik haben und die Spirale der Gewalt nicht endet. Tyischerweise beruhigt sich die Situation nach einer Gewaltattacke häufig wieder, dennoch kommt es zu wiederholten Gewaltausbrüchen, die nicht selten von Mal zu Mal heftiger werden.
  • In einer akuten, bedrohlichen Situation sollten Opfer häuslicher Gewalt umgehend die 110 rufen und anschließend die Gewalttat bei der Polizei anzeigen. Auch dann, wenn du mit einer betroffenen Person befreundet bist oder in der Nachbarschaft wohnst, kannst du an ihrer statt die Polizei rufen. Diese leitet von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren ein.  Für eine spätere Beweislage sollten sich Betroffene Einzelheiten zu den Gewaltvorfällen, etwa Datum, Uhrzeit und andere Details notieren.
  • Um erneute Gewalttaten zu vermeiden, gibt es eine Reihe zivilschutzrechtlicher Maßnahmen. Familiengerichte können beispielsweise dem:der Täter:in gegenüber Näherungsverbote aussprechen und das Betreten der gemeinsamen Wohnung untersagen.
  • Sinnvoll ist es außerdem, eine Beratungs- oder Interventionsstelle für Häusliche Gewalt hinzuzuziehen. Eine Organisation, die sich als Anlaufstelle für Opfer versteht, ist der „Weiße Ring“ mit rund 400 Anlaufstellen. Auch das sogenannte Hilfstelefon „Gewalt gegen Frauen“ möchte betroffenen Frauen, die häusliche Gewalt erlebt haben, rund um die Uhr helfen. Auch eine Online-Beratung oder per Mail ist möglich. Eine weitere Anlaufstelle sind Frauenhäuser, in denen Opfer Schutz und eine sichere Umgebung finden. Über den Verein Frauenhauskoordinierung e.V.  gelangen Betroffene zu einer Übersicht über freie Plätze und Schutzwohnungen.

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